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Chemnitz
Zeichen für Demokratie und Toleranz

In Chemnitz sind am Nachmittag Hunderte für Demokratie und gegen Extremismus auf die Straße gegangen. Von Seiten der Veranstalter hieß es, die Menschen in Deutschland müssten zeigen, dass sie sich ihr freies und tolerantes Leben nicht wegnehmen ließen. Auch die Regionalliga-Fußballer des Chemnitzer FC positionierten sich.

02.09.2018
    Spieler des Chemnitzer FC tragen Aufwärm-Shirts mit der Aufschrift "Toleranz. Weltoffenheit. Fairness. #DieHimmelsblauen".
    Spieler des Chemnitzer FC werben auf ihren Aufwärm-Shirts für Toleranz. (picture alliance / dpa / Swen Pförtner)
    Vor dem Spiel gegen Germania Halberstadt trugen sie T-Shirts, auf denen "Toleranz, Weltoffenheit und Fairness" stand. Auf dem Mannschaftsbus war zudem der Slogan "Chemnitz ist weder grau noch braun" zu lesen.
    Der Mannschaftsbus vom Chemnitzer FC mit der Aufschrift "Chemnitz ist weder grau noch braun" steht am Friedensstadion (2.9.2018). 
    Der Mannschaftsbus des Chemnitzer FC (dpa-news / Swen Pförtner)
    Die Polizei hat inzwischen genauere Angaben über die Ausschreitungen und Zusammenstöße gestern Abend in Chemnitz gemacht. Nach mehreren Demonstrationen - auf der einen Seite gegen die Flüchtlingspolitik, auf der anderen Seite gegen Fremdenhass - wurden demnach 18 Menschen verletzt. Auch wegen eines Angriffs auf einen Politiker wird ermittelt.
    Zu den Ausschreitungen kam es, als Anhänger verschiedener politischer Lager in Bahnhofsnähe aufeinander trafen. Unter den Verletzten sind den Angaben zufolge drei Polizisten. Die Zahl der festgestellten Straftaten erhöhte sich unterdessen auf 37. Dabei handelte es sich unter anderem um Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz.
    Angriffe auf Journalisten
    Laut MDR wurde ein Kameramann in einer Privatwohnung angegriffen und verletzt. Die Chemnitzer Polizei ermittelt, machte bisher aber keine konkteten Angaben. Der Sender selbst sprach von einer "Attacke" und einem Angriff auf zwei erfahrene Reporter, wobei einer verletzt wurde. Auch Monitor-Chefredakteur Georg Restle meldet Übergriffe auf sein Team.
    Der Journalist Patrick Gensing hat auf Twitter weitere Vorfälle gesammelt und dokumentiert. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sören Bartol berichtete ebenfalls einen Überfall von Rechtsradikalen. Ziel sei eine Besuchergruppe auf dem Weg zu ihrem Bus gewesen. Die Polizei ermittelt.

    Abseits der Demonstrationen wurde ein 20-jähriger Afghane von vier vermummten Menschen angegriffen und geschlagen. Der Mann erlitt leichte Verletzungen. Die Polizei prüft, ob es sich bei den Tätern möglicherweise um ehemalige Versammlungsteilnehmer handelte.
    Seit fast einer Woche ist die Lage in der drittgrößten Stadt Sachsens angespannt. Die Tötung eines 35-jährigen Mannes und die anschließenden Protestversammlungen haben Chemnitz "aufgewühlt", wie Oberbürgermeisterin Ludwig (SPD) auf der Demonstration sagte. Wegen des Tötungsdelikts sitzen ein Syrer und ein Iraker unter dringendem Tatverdacht in Untersuchungshaft. Politiker und Kirchenvertreter warfen rechten Gruppen vor, den Tod des Mannes für ausländerfeindliche Hetze zu instrumentalisieren.
    Demos auch nächste Woche
    Für Sonntag sind in Chemnitz zwei kleinere Demonstrationen von Chemnitzer Bürgern und der Evangelischen Kirche gegen Gewalt und Fremdenhass angemeldet. Zu Wochenbeginn ist dann unter dem Motto #wir sind mehr ein Gratis-Konzert gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt geplant.
    Maas fordert "Aufstand der Anständigen"
    Außenminister Maas (SPD) hat die Bürger zu mehr Einsatz im Kampf gegen Rassismus und zur Verteidigung der Demokratie aufgefordert.
    Bundesjustizministerin Barley erklärte, die Ermittlungen in Chemnitz müssten aufklären, inwieweit rechtsextreme Netzwerke hinter den Demonstrationen und ausländerfeindlichen Ausschreitungen stecken. Sie wies darauf hin, dass sich bereits der Generalbundesanwalt in die Ermittlungen eingeschaltet hat.
    Eine klare Mehrheit der Bürger ist einer Umfrage zufolge der Überzeugung, dass der Osten Deutschland ein größeres Problem mit Rechtsradikalismus hat als der Westen. In einer Emnid-Erhebung für die "Bild am Sonntag" äußerten 66 Prozent der Befragten diese Auffassung, nur 21 Prozent sahen dies anders. Selbst in Ostdeutschland teilten 57 Prozent diesen Standpunkt, 39 Prozent verneinten, dass das Problem im Osten größer ist als im Westen.
    (rm/riv/wes)