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Chicoré

Wenn Gemüsebauer Hasso Hassbach in seine Treibräume geht, dann ist der Griff zum Lichtschalter tabu. Er hat stattdessen immer eine Taschenlampe dabei. In Holzkisten, die mit Teichfolie ausgelegt sind, keimt der Chicorée in einem 20 Grad warmen Wasserbad - im Dunklen:

Von Isa-Maria Kuhn |
    Künstlich Wärme zuführen und Licht wegnehmen, dann entstehen eben solche Sprosse, denen das Chlorophyll fehlt. Wenn man die jetzt aber ins Licht hält, das ist ja nach wie vor eine lebende Pflanze, die würde unter Licht sofort Chlorophyll bilden - also grün werden. Und damit so bitter werden wie Gras. Und Gras mögen wir nicht, und damit auch keinen grünen Chicorée.

    In Brüssel hat ein Apotheker vor 120 Jahren zufällig die Pflanze in seinem Garten entdeckt und probiert. Von dort hat sie ihren Siegeszug in Gemüseregale und auf Wochenmärkte angetreten. In Belgien, Frankreich und in den Niederlanden wird rund zehn mal mehr vom weiß bis zartgelben Gemüse gegessen als Deutschland. Denn: Unsere Nachbarn kochen auch mit Chicorée, da gibt’s dann auch mal geschmorten oder überbackenen Chicorée. Bei uns wird Chicorée fast nur als Salat konsumiert - dabei gehört das Gemüse zu einer ganz anderen Pflanzenfamilie: Chicorée ist eine helle, 15 Zentimeter große Rübe. Hasso Hassbach sät sie im Frühjahr, erntet sie im Herbst und bereitet sie jetzt für den warmen, dunklen Treibraum vor:

    Die auf dem Feld gerodeten Rüben laufen über eine Sortieranlage und Schneideanlage. Die Schneideanlage sorgt dafür, dass alle Rüben die gleiche Größe haben. Das hat den Effekt, dass wir nachher die fertigen Sprossen viel einfacher ernten können, weil die alle auf gleicher Höhe stehen. Gleichzeitig sortieren wir schlechte Rüben aus, so dass wir wirklich nur brauchbare Ware in den Kühlkisten haben.

    Willi Höft aus Breklingfelde bei Schleswig ist ebenfalls Ökogemüsebauer und Händler. Er verkauft in der kalten Jahreszeit den Chicorée von seinem Berufskollegen. Höft schwört auf die verdauungsanregende Rübe:

    Die ist nitratarm, hat viele Vitamine und Mineralstoffe. Beim Einkaufen sollte man darauf achten, dass der Chicorée gelb ist und keine grünen Verfärbungen hat.Das zeigt, dass er bitter wird und dann wird er nicht geliebt.

    Zwischen zweieinhalb bis elf Euro kostet das Kilogramm Gemüse, je nach Sorte und Anbauart. Biochicorée und herkömmlicher bleiben länger frisch, wenn die Köpfe in einem feuchten Tuch im Kühlschrank aufbewahrt werden. Die Industrie arbeitet gerade daran, den feinen Geschmack zu erhalten. Eine Folie wird entwickelt, die atmungsaktiv sein soll und verhindern soll, dass Licht die Bitterstoffproduktion anregt. Dann kann Bauer Hassbach in Zukunft auch das Licht anmachen, wenn er im Treibraum sein Gemüse kontrolliert.