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Chicxulub-Krater
Erfolgreiche Bohrung in den "Höllenrand"

Vor 65 Millionen Jahren riss ein Asteroideneinschlag ein 30 Kilometer tiefes und 100 Kilometer weites Loch in die Erde. Dieser Primärkrater kollabierte zu dem sehr viel größeren Chicxulub-Krater, der bis heute erhalten blieb. Seit April läuft eine Bohrung direkt ins Zentrum des Kraters. Jetzt erreichte die Bohrung ihre endgültige Tiefe. Dort fanden die Forscher Überraschendes.

Von Dagmar Röhrlich | 27.05.2016
    Animation eines Asteroiden, der auf die Erde stürzt.
    In dieser Animation stürzt ein Asteroide auf die Erde. So dürfte es auch vor 65 Millionen Jahren passiert sein. (Imago / Science Photo Library)
    Nur noch für wenige Tage wird sich das Hubschiff "Myrtle" auf drei Beinen über das seichte Meer vor der Yucatán-Halbinsel heben. Mit 1.334,69 Meter unter dem Meeresboden hat die Bohrung in den Chicxulub-Krater ihre endgültige Tiefe erreicht: 800 Kern wurden gewonnen mit einem Gesamtgewicht von zwölf Tonnen. Noch laufen geophysikalische Messungen, dann wird diese Phase des Projekts abgeschlossen sein. Die Forscher sind glücklich:
    "Wir haben einige ungewöhnliche Funde gemacht, Dinge, die bislang noch nie entdeckt worden sind, aber mehr darf ich leider noch nicht sagen",
    erklärt Expeditionsleiterin Joanna Morgan vom Imperial College London über Satellitentelefon von Bord der "Myrtle". Ein bisschen mehr an Information gibt es dann doch noch aus dem Expeditionsblog: So liegt die Grenzschicht zwischen Erdmittelalter und Erdneuzeit 30 Meter höher als gedacht. Außerdem ist die Trümmerzone, die beim Einschlag des Asteroiden entstand, mächtiger als erwartet.
    Die Granitabfolgen sollen verraten, wie große Krater entstehen
    "Wir haben zuerst durch mehr als 600 Meter Sedimente gebohrt, die aus der Zeit nach dem Einschlag stammen. Dann ging es durch rund 160 Meter Einschlagsbrekkzie aus zertrümmertem Gestein. Darunter gelangten wir in den Bereich des Einschlagrings selbst."
    Im oberen Bereich dieses Einschlagrings mischt sich zertrümmerter Granit aus der tiefen Erdkruste mit Mineralen, die nach dem Einschlag in heißen, flüssigkeitsgefüllten Rissen kristallisiert sind. Darunter förderte die Bohrung dann "nur noch" Granit zutage. Allerdings keinen ungestörten, auch er ist in Mitleidenschaft gezogen worden. Diese Granitabfolgen im Einschlagring sollen nun den Geologen verraten, wie wirklich große Krater entstehen:
    "Mit der Größe von Meteoriten-Impaktkratern variiert auch deren Morphologie. Das heißt, kleine Impaktkrater haben eine einfache Schüsselform. Diese Krater sind wenige Kilometer im Durchmesser. Größere Krater, die haben eine zentrale Erhebung im Kraterzentrum, und wenn man wiederum zu noch größeren Kratern geht, im Bereich von 3-400 Kilometer, dann haben die mehrere morphologische Ringe",
    Der Einschlag ging ungeheuer schnell
    erklärt Ulrich Riller von der Universität Hamburg. Im Grunde sieht es aus, als ob jemand die Ringe, die entstehen, wenn man einen Stein ins Wasser wirft, einfröre. In dieser Kategorie der größten Krater ist auf der Erde nur der Chicxulub gut genug erhalten, um die Entstehung nachvollziehen zu können. Er besteht heute noch aus einem nahezu kreisförmigen Becken mit Zentralberg und einer inneren Ringstruktur. Und die Frage ist, wie genau sie entstanden sind. Derzeit gibt es dazu verschiedene Theorien, beschreibt Joanna Morgan:
    "In einigen Modellen führt der Einschlag dazu, dass der Granit aus der tiefen Erdkruste einfach senkrecht nach oben schnellt, eine Art Turm bildet und dann zu einem Ring kollabiert. Andere Modelle sagen voraus, dass der Impakt sozusagen die Erdkruste umwälzt, das unterste zuoberst kehrt. Und wieder andere gehen davon aus, dass er einfach alles zum Schmelzen bringt."
    Welche der Möglichkeiten es auch sein mag - es ging alles ungeheuer schnell: Der Asteroid riss ein erstes, 30 Kilometer tiefes und 100 Kilometer weites Loch in die Erde. Dieser Primärkrater war instabil, kollabierte sofort zu dem sehr viel größeren, aber flacheren Chicxulub-Krater, der bis heute erhalten blieb. Dabei entstand in der Mitte der "Höllenring": Der Einschlagring, in den die Forscher gerade bohren.