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Chiles Rohstoffkonzern Codelco
Kupfer mit grünem Anstrich

In den chilenischen Anden schlummert fast die Hälfte des weltweiten Kupfervorkommens. Seit die Autoindustrie verstärkt auf Hybrid- und Elektronantriebe setzt, ist dieser Rohstoff begehrter denn je. Goldene Zeiten also für den staatlichen Bergbaukonzern Codelco - der diese auch für mehr Nachhaltigkeit nutzen will.

Von Sophia Boddenberg | 15.06.2018
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    Mit dem Hammer untersucht Olivia Mejiás in der Kupfermine "El Teniente" das Gestein (Deutschlandradio/ Sophia Boddenberg)
    Olivia Mejías ist auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz. Mit dem Bus fährt sie im Morgengrauen durch die Gebirgskette der Anden, durch Tunnel und Täler. Angekommen, steigt sie in den orangefarbenen Overall, greift sich den Schutzhelm mit Kopflicht und den Werkzeuggürtel. Sie ist 28 Jahre alt und arbeitet in der größten unterirdischen Kupfermine der Welt, "El Teniente". Frauen unter Tage, das gab es lange nicht, erzählt sie:
    "Die Mine ist sehr alt, mehr als 100 Jahre. Es gibt viele Mythen darüber, dass Frauen sie nicht betreten durften, weil die Mine dann eifersüchtig wurde. Aber das hat sich geändert".
    Kupfer im Schlund des Vulkans
    80 Kilometer von Chiles Hauptstadt Santiago entfernt liegt "El Teniente". Umgeben von grauen kahlen Bergen im Hochgebirge der Anden öffnet sich der Schlund des Bergwerks inmitten eines erloschenen Vulkans. Die Mine ist eines der sieben Bergwerke, die vom chilenischen Kupferbergbau-Konzern Codelco betrieben werden.
    Der Kupferbergbau in Chile wurde in den 70er-Jahren unter dem sozialistischen Präsidenten Salvador Allende verstaatlicht. 1976 wurde dann Codelco als Staatskonzern gegründet. Codelco steht für "Corporación Nacional del Cobre de Chile", Chilenische Nationale Kupfer Korporation. Etwa die Hälfte von Chiles Kupferreserven gehören Codelco, der Rest privaten Unternehmen. Mit einem Jeep fährt Olivia Mejías durch einen Tunnel in den dunklen Berg hinein. Die Tunnel haben insgesamt eine Länge von 3.000 Kilometern.
    Büro unter Tage
    Gegen acht Uhr trifft Olivia Mejías in ihrem unterirdischen Büro im Inneren des Bergwerks ein. Keine Fenster, Wände, die sich nach oben runden – das sind die Unterschiede zu einem normalen Büro mit Schreibtisch, Computer, Schränken. Als Geologin untersucht Mejías die Zusammensetzung und Feuchtigkeit der Mineralien im Berg. Je mehr Kupferanteil das Gestein hat, desto nachhaltiger ist der Abbau, da weniger am Berg zerstört wird. Sie sorgt so außerdem für mehr Sicherheit. Denn zu viel Wasser ist gefährlich, weil es Schlammlawinen verursachen kann. Die können zur tödlichen Gefahr werden, weiß Mejías' Kollege Ramón Valdivia aus Erfahrung. Er arbeitet seit 18 Jahren in der Mine und erinnert sich gut:
    "Wir wissen nicht, was von oben kommt. Deshalb hat es schon Schlammlawinen gegeben. Den letzten tödlichen Unfall gab es 2007, als ein Maschinenfahrer umkam. Er hat es nicht mal mehr geschafft, auszusteigen".
    Matschiger Boden, grüne Pfützen
    Ramón Valdivia und Olivia Mejías setzen sich Schutzbrillen und die Atemmasken auf, stecken zum Lärmschutz Stöpsel in die Ohren. Mit Hammer, Taschenlampe und Funksprechgerät ausgerüstet, machen sie sich zu Fuß auf in den Produktionsbereich der Mine, stapfen über matschige Böden und durch oxidiertes Kupfer grün gefärbte Pfützen. Mit einer Taschenlampe geben sie dem Maschinenführer Leuchtsignale, damit der die Maschine stoppt. Es ist stockdunkel. Die Kopflichter am Helm leiten Valdivia und Mejías durch die Tunnel.
    Die Weltmarktpreise für Kupfer klettern seit Jahren steil nach oben. Getrieben von einer enormen Nachfrage vor allem aus China und dem Trend zum Hybrid- und Elektroauto. Die Aussichten für Codelco sind glänzend – und schaffen dem Konzern Spielräume für Nachhaltigkeit.
    Victor Perez ist einer der Manager, die sich mit der neuen Geschäftsstrategie des sogenannten "cobre verde" – des "grünen Kupfers" - beschäftigen. Bis 2020 sollen fünf Prozent der Produktion von Codelco nachhaltig und sozial verantwortlich werden, bis 2040 sogar 100 Prozent. Was das konkret bedeutet?
    Die Kundschaft verlangt Nachhaltigkeit
    "Es soll keine Unfälle mehr geben", erklärt Nachhaltigkeitsmanager Perez: "Wir wollen einen positiven Einfluss auf die umliegenden Gemeinden ausüben. Inklusion ist ein weiterer Punkt, nicht nur von Frauen, sondern auch von Personen aus anderen Ländern. Der Respekt von Menschenrechten. Keine Kinderarbeit. Die gibt es zwar in Chile nicht, aber das soll ein internationaler Standard werden. Die CO2-Bilanz. Codelco soll 100 Prozent seines Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien beziehen."
    Nicht nur edle Gesinnung bringt Codelco auf den Nachhaltigkeits-Kurs. Die Kunden bestehen zunehmend darauf, dass ihre Lieferanten ökologisch und sozial eine weiße Weste haben. Anfang des Jahres hat Codelco eine Kooperation zur nachhaltigen und transparenten Kupferbeschaffung mit BMW vereinbart. Unumstritten ist der Staatskonzern mit den guten Absichten und den glänzenden Geschäftsaussichten aber nicht.
    Manuel Agusin ist der Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universidad de Chile. Er kritisiert, dass Codelco Kupfer lediglich als Rohstoff exportiert, anstatt sein Potential für den Aufbau einer nationalen Industrie zu nutzen.
    "Das chilenische Kupfer hat leider keine Verkettung zu Dienstleistungen oder zu Produkten. Es gibt keine Industrie. Deshalb wird nicht das gesamte Potenzial des Kupfers für die chilenische Wirtschaft genutzt. In dieser Hinsicht sind wir noch ziemlich rückständig."
    Um ein führender Akteur auf dem Elektromobilitätsmarkt zu werden, hat Codelco also noch einiges vor.