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China verschweigt offenbar Vogelgrippe-Opfer

Medizin. - In Marburg kamen am vergangenen Wochenende Virologen aus aller Welt zusammen, um über virale Krankheiten wie Sars und Vogelgrippe zu diskutieren. Dabei vertraten US- sowie japanische Experten die Ansicht, China habe Erkrankungsfälle verschwiegen.

Von Ludger Fittkau | 21.11.2005
    Dass Fledermäuse etwa den Tollwut-Virus auch auf Menschen übertragen können, ist seit langem bekannt. Doch dass sie möglicherweise auch Überträger für das seit zwei Jahren bekannte, gefährliche Sars-Virus sind, war eine der Neuigkeiten beim hochkarätig besetzten Kongress RNS-Viren als Überträger zwischen Tier und Mensch an der Uni Marburg. Beunruhigende Nachrichten zum Thema Vogelgrippe kamen aus China: Dort sollen in diesem Jahr mehrere hundert Vogelgrippe-Opfer von den Behörden verschwiegen worden sein - Journalisten, die über die Fälle berichten wollten, seien im Gefängnis gelandet. Der japanische Virologe Masato Tashiro kritisierte am Wochenende in Marburg massiv die Informationspolitik der chinesischen Regierung in Sachen Vogelgrippe:

    "Wir machen uns große Sorgen über die Situation in China. Im Mai dieses Jahres wurden in der Provinz Quinghan in einem Naturschutzgebiet mehr als 2000 tote Gänse und andere Wildvögel gefunden. Es gibt Berichte, nach denen auch mehr als 200 Menschen gestorben sind, darunter fünf Reisende, die das Naturschutzgebiet besucht haben. Aber die chinesische Regierung leugnet diese Fakten."

    Acht Journalisten, die über diese Vogelgrippe-Fälle berichten wollten, seien verhaftet worden, so Tashiro, der an der Medizinhochschule in Tokio arbeitet. Möglicherweise sei das Vogelgrippevirus in China auch bereits von Mensch zu Mensch übertragen worden. Er habe diese Informationen aus inoffiziellen Quellen, so der japanische Wissenschaftler. Der Marburger Professor Hans-Dieter Klenk vom Institut für Virologie der Universität Marburg, einer der führenden deutschen Virologen, bestätigt den bisher fragwürdigen Umgang der chinesischen Behörden mit der Vogelgrippe. Klenk sieht aber neuerdings Veränderungen in der Informationspolitik Pekings:

    "Ich war letzte Woche in China und in China ist die Vogelgrippe, wie übrigens auch Sars, sehr zurückhaltend betrachtet worden, aber jetzt hat man wohl doch gemerkt, dass die Thematik außerordentlich brisant ist und dass man es also nicht unter den Teppich kehren kann."

    Viele Fachleute wie der Hannoveraner Molekularbiologe Georg Herler oder der Kölner Virologieprofessor Hans Eggers zeigten sich jedoch in Marburg überrascht über das Ausmaß der bisherigen Informationsunterdrückung in China:

    "Ich habe es zum ersten Mal gehört in der Form!"

    "Das ist natürlich sehr bedauernswert und gerade, wenn es stimmt, was hier angedeutet wurde, dass es Mensch zu Mensch-Übertragungen gegeben hat, dann wäre es natürlich hoch interessant gewesen, dieses Virus zu isolieren und zu charakterisieren, um zu verstehen, dass das Virus sich eben von Mensch zu Mensch ausbreitet."

    Doch während beim Vogelgrippe-Virus H5N1 die Übertragung von Mensch zu Mensch noch nicht bewiesen ist, gibt es jetzt bei einem anderen Virus, das in den letzten Jahren Schlagzeilen machte, neue glaubwürdige Erkenntnisse darüber, welches Tier der Ausgangspunkt sein könnte: beim Sars-Virus nämlich. Die US-amerikanische Virologin Kathryn Holmes berichtete, dass die Fledermaus nun ganz konkret im Verdacht steht, in Südchina die ersten Sars-Infektionen ausgelöst zu haben. Das Sars-Virus könnte auf verschiedenen Wegen von der Fledermaus zum Menschen gelangt sein, so Holmes:

    "Die traditionelle chinesische Medizin benutzt Fledermaus-Kot und Fledermäuse werden in Südchina auch manchmal gegessen, so dass es gut möglich ist, dass es bei Sars eine Verbindung zu Fledermäusen geben könnte."

    Während jedoch bisher die Anzahl der Fälle von Sars-Infektionen relativ gering geblieben ist, habe man sich bei der Vogelgrippe auf eine weltweite Pandemie einzustellen, da waren sich die Experten in Marburg einig. Denn das Vogelgrippevirus H5N1 ist sehr aggressiv und verändert sich ständig. Anders als bei der so genannten "Spanischen Grippe" - einer Vogelgrippe-Pandemie am Ende des Ersten Weltkrieges, würde sich eine neue Vogelgrippe-Welle allerdings heute viel schneller von Mensch zu Mensch rund um den Globus ausbreiten und gerade junge Menschen gefährden. Dann wiederum sei schnelles Handeln der nationalen Behörden und der Industrie wichtig, so der Marburger Virologe Hans-Dieter Klenk:

    "Man wird dann auch so schnell wie möglich Impfstoffe gegen ein neues Virus produzieren müssen, aber dieses neue Virus ist noch nicht bekannt. Man verbessert die Methoden der Impfstoffherstellung und auch die Wege, wie man impft, das ist sicher noch verbesserungsbedürftig, das wird gemacht."