Die KP Chinas versucht immer wieder, auf die akademische Freiheit in Deutschland Einfluss zu nehmen. Kürzlich wollten die Journalisten Stefan Aust und Adrian Geiges ihre Biografie " – der mächtigste Mann der Welt" in einer Online-Lesung parallel in Hannover und Duisburg vorstellen. Die den Universitäten angegliederten Konfuzius-Institute sollten die Lesungen organisieren. Laut Medienberichten erhielten diese jedoch kurzfristig die Anweisung aus China, dass die Lesungen auf keinen Fall stattfinden dürften. Zur Begründung der Absage hieß es, dass über Xi Jingping nicht als normalen Menschen gesprochen oder geschrieben werden dürfe. Das Konfuzius-Institut ist eine staatliche chinesische Bildungsorganisation und ist dem Ministerium für Bildung unterstellt.
Adrian Geiges / Stefan Aust: "Xi Jinping – der mächtigste Mann der Welt" [AUDIO]
Regieren mit allen Mitteln – Adrian Geiges und Stefan Aust zeichnen Xi Jinpings Weg an die Spitze der chinesischen Regierung und der KP nach.
"Diese Angriffe nehmen leider zu", sagte der Sinologe Andreas Fulda im Dlf. Es gehe der Kommunistischen Partei darum, die unabhängige Wissenschaft als "regimekritische Kraft zu neutralisieren". In China habe sich ein harter autoritärer Wandel vollzogen. Ein ergebnisoffener interkultureller Dialog mit China sei nicht länger erwünscht.
Einseitige China-Politik der deutschen Kanzler Kohl, Schröder und Merkel
Die gegenwärtig ausgesprochen missliche Lage habe sehr viel mit der einseitigen China-Politik der deutschen Kanzler Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel zu tun. Seit Mitte der 1990er-Jahre gelte in Deutschland das Primat der Außenwirtschaftsförderung. Kulturpolitik und Wissenschaftskooperation spielten höchstens eine unterstützende Rolle für die deutsche Exportwirtschaft. *Fulda argumentiert, dass im Zuge des wirtschaftlichen Engagements aus Sorge um Erhalt des wachsenden China-Geschäfts den Sprachregelungen der chinesischen Führung zunehmend Tribut gezollt wurde. Das habe dem öffentlichen Chinadiskurs in Deutschland sehr geschadet. Die Kooperation deutscher Universitäten mit Konfuzius-Instituten basiere auf dem Prinzip eines "bedingungslosen Dialogs".
Zunehmend geraten auch europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Druck. Mit der Verabschiedung des chinesischen nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong im Sommer 2020 wurde die Zensur der Wissenschaft darüber hinaus von China auf die internationale Ebene ausgedehnt. Der extraterritoriale Artikel 38 kriminalisiert jedwede Kritik am Einparteienstaat - auch außerhalb Chinas. "Das heißt, wer sich in Forschung, Lehre oder im öffentlichen Diskurs kritisch äußert oder geäußert hat, muss befürchten, sollte man nach China reisen, dort festgenommen zu werden", sage Fulda. Der Sinologe warnte aber davor, sich erpressen zu lassen. "Wenn wir uns einem demokratischen Wissenschaftsethos verbunden fühlen, müssen wir unmissverständlich deutlich machen, dass wir die politische Gewalt in der Wissenschaft nicht akzeptieren werden."
Nationaler Sicherheitsrat zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit
Nationaler Sicherheitsrat zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit
Einen begrenzten Handlungsspielraum sieht Fulda allerdings in Deutschlands föderalem System, in dem die Bundesländer jeweils ihre eigene Hochschulpolitik betreiben und in unzureichenden Transparenzgesetzen. Von einem zukünftigen Kanzler Scholz erwartet der Sinologe, einen nationalen Sicherheitsrat zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit einzurichten.
* Wir haben einen Absatz der Gesprächszusammenfassung präzisiert.