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Chinas schwieriger Umgang mit den Denkmälern

Die oftmals mittellosen Bewohner können sie nicht sanieren und in den chinesischen Kommunen ist ebenfalls zu wenig Geld für den Erhalt historischer Baudenkmäler da. Viele setzen deshalb auf den Tourismus.

Von Silke Ballweg |
    Wie ein Ring umschließt die historische Stadtmauer Straßen, Häuser und Menschen in dem Städtchen Pingyao. Durchschreitet man eines der Tore, betritt man ein China vergangener Zeiten. Pingyao hat Kriege und Modernisierungswahn unbeschadet überstanden. Heute ist der Ort ein Stück lebendige Geschichte.

    "Dieses Gebäude wurde zum Ende der Ming-Dynastie gebaut, im 17. Jahrhundert. Der erste Besitzer war ein Händler, er wohnte hinten raus und vorne hatte er sein Geschäft."

    Herr Deng ist Besitzer des Harmony-Gästehauses. Stolz führt er durch das alte Gebäude. Zur Straße hin ist sein Hotel offen und einladend, mit einer großen Fensterfront. Nach hinten raus umschließt es zwei Innenhöfe, dort liegen die Zimmer, in denen heute seine Gäste übernachten.

    Die Herrschaftshäuser, das Rathaus, die alten Gassen – Pingyao ist eine der am besten erhaltenen historischen Städte in China, erzählt der Historiker Li Shao Hua:

    "In vielen alten Büchern kann man nachlesen, wie sich die Gelehrten früher eine ideale Stadt vorgestellt haben. Und Pingyao spiegelt in vielem diese Ideen wieder. Deswegen ist die Stadt so besonders."

    Pingyao war einst ein Ort, an dem mit Seide und Tee gehandelt wurde. Die Kaufleute waren reich. Bei einem Rundgang durch die Straße zeigt sich die alte Pracht. Pingyao ist ein Fenster in eine längst vergangene Zeit.

    Aber: Nur die Hauptstraßen, ein paar Herrschaftsgebäude und die Wohnungen der Beamten sind restauriert, die meisten anderen Häuser hingegen in schlechtem Zustand. Vor allem mittellose Chinesen hausen in den alten Mauern - ohne Heizung, mit Plumpsklo im Freien. Herr Li, ein bei der Kommune beschäftigter Architekt, klagt:

    "Die meisten Häuser sind bis heute erhalten, weil man früher mit Stein baute und mit Holz, das regelmäßig erneuert werden konnte. Natürlich würden wir gerne mehr Gebäude sanieren, aber wir haben einfach nicht genug Geld."

    So wie Pingyao geht es vielen alten Orten in China. Sie beherbergen viele historische Bauwerke – doch statt sie zu sanieren, überlässt man sie dem Verfall. Die Architektin Han Li arbeitet bei der US-amerikanischen Regierungsorganisation Global Heritage Fund und berät chinesische Kommunen bei Denkmalfragen. Sie weiß aus ihrem Alltag:

    "Gebäude, die von der Regierung zu einem historischen Denkmal erklärt worden sind, werden saniert und gut in Schuss gehalten. Und es gibt in vielen Kommunen auch ein Bewusstsein dafür, dass man das alte Erbe erhalten soll. Aber es gibt eben auch viele Städte, die nicht wissen, was sie mit den historischen Gebäuden eigentlich anfangen sollen."

    Hinzu kommt: Die Kommunen können die Sanierung ihres Erbes alleine nicht stemmen. Die Pekinger Regierung stellt nicht genug Mittel bereit, denn in der Volksrepublik gibt es schlicht zu viele schützenswerte Orte. Die Stadtväter in Pingyao setzen deswegen auf den Tourismus. Rund 1,5 Millionen Besucher kommen jährlich hierher. Sie spülen Geld in die Kassen, Geld, das auch für die Sanierung alter Bauten verwendet wird, allerdings im Sinne der Tourismusindustrie. Schon heute werden alte Häuser zu Hotels umgebaut, zu Karaoke-Bars und Souvenirgeschäften. In den Straßen lärmen Reisegruppen. Li Taiping vom Stadtplanungskomitee rauft sich deswegen die Haare:

    "Wir wollen diese Bars eigentlich nicht, denn sie stören ja auch die Menschen, die in Pingyao leben. Außerdem haben sie nichts mit dem alten Pingyao zu tun. Ich stelle mir eher vor, dass Hausbesitzer ihre Gebäude renovieren und dann Seide an die Touristen verkaufen. Oder Tee. So wie früher. Das wäre doch viel besser."

    Doch die mittellosen Bürger können die Häuser nicht sanieren. Und überhaupt, würde der Teeverkauf dann genug einbringen? Eine wirkliche Lösung ist bislang nicht in Sicht. Nicht unwahrscheinlich, dass sich in Pingyao irgendwann die Pragmatiker durchsetzen und den billigen Massentourismus noch aggressiver fördern. Das aber wäre das Ende, zumindest für den Charme der historischen Altstadt.