1996 stieg Chuanzeng Zhang auf dem Zittauer Bahnhof aus dem Zug: Von der Tongji Universität in Shanghai holte man ihn für Forschung und Lehre hierher. Zittau - das bedeutet viel Mittelalter-Flair und kaum mehr als 30.000 Menschen.
Unserer Meinung nach sind die Menschen hier ein bisschen schüchtern.. aber wenn sie offen sind, wenn wir zum Beispiel als erste sagen Guten Tag, dann sind die ganz freundlich.
Frau Baowen Zhang ist ihrem Mann, dem Professor für Massivbauwesen, nach Zittau gefolgt. Sie entwickelt in einer Firma Baustoffe. Die beiden Wahl-Oberlausitzer wissen ihre ostdeutschen Nachbarn ganz gut zu nehmen.
Von der Mentalität her sind die Oberlausitzer eher ein bisschen konservativ. Vielleicht waren die zu isoliert hier und hatten ja auch nicht die Möglichkeit, die Außenwelt zu sehen. Und sie hatten wenig Gelegenheit, die rasche Entwicklung in anderen Ländern zu verfolgen, speziell in China. Und so denken sie, China ist ein sehr sehr armes Land und unterentwickelt. Und es ist nicht mehr so.
Die Chinesen wollen es wissen - inzwischen machen sie in Deutschland die zweitgrößte Gruppe ausländischer Studenten aus. Defeng You zum Beispiel tauschte seine Heimat nahe Peking mit Zittau und hat große Pläne.
Nach dem Studium gehen wir von Zittau zurück, weil China braucht solche Leute. In China gibt es viele große Firmen, Benz, BMW, Siemens, wir brauchen jetzt solche Kenntnisse.
Der 21-jährige Defeng ist seit vier Semestern hier - erst beim Sprachkurs, jetzt für Wirtschaftsinformatik. Damit ist er schon ein alter Hase unter seinen Landsleuten. Gerade ist wieder eine Gruppe Chinesen ins Wohnheim gezogen. Mit den Gemeinschaftsduschen aus DDR-Zeiten ist es zwar kein Palast, aber Deutsch lässt sich hier lernen - Tür an Tür wohnt ein Mix aus bis zu 30 Nationen.
Es gibt viele andere Studenten. Sie kommen aus China, aus Polen, aus Tschechien, aus Marokko. Nicht nur Deutsche. Wir haben eigene Meinungen. Über Hobby, über Fußball, über Musik. Ich gucke zu Hause auch Fernsehen. Ein Programm mag ich sehr gern: Das ist TV Total. Wir kommen aus Asien. In den letzten zwei Jahren habe ich viel über Europa gelernt, was ich vorher nicht wusste.
Das Nachtleben in Zittau hat zwar seine Grenzen und ringsum grüßen nur die Berge. Nach Polen und Tschechien dürfen die Asiaten erst ab Mai. Aber das, sagt Fenn, halte eben nicht vom Studieren ab. Und in den Ferien?
Den richtigen Sommer bleib ich nicht in Zittau. Denn ich soll arbeiten. Die meisten ausländischen Studenten gehen in große Stadt, nach München. In Zittau gibt es keine Arbeitsplätze.
Derzeit sind es 30 Prozent Arbeitslosigkeit in der Region - die Hochschule will das ändern durch praxisnahe Forschung, die Investoren anlocken soll. Professor Zhang erforscht Materialien für den Weltraumflug. Vier Forschungsprojekte treibt er zugleich voran, kooperiert dazu mit der Slowakei, Ägypten oder Griechenland.
Dass ihre Eltern Weltbürger sind, erleben Zhangs Kinder Isabel und David jeden Tag. Ihre Mutter kocht nicht nur mit chinesischen Gewürzen von daheim, sondern ist auch neugierig:
Ach, Bockwurst und Bratwurst, das mag ich schon. Oder diese Böhmische Knödel, das schmeckt wunderbar. Dieses Zwiebelfleisch... Wir essen schon Fleisch, aber diese großen Stücken, das ist einfach zu viel. Wir haben alles in ganz kleinen Stücken und Streifen, und von so einem Stück wird unsere ganze Familie satt. Aber hier schafft man allein, mit Gabel und Messer...!
Auch Zhang, der mit einem Sondervisum fast täglich die Ländergrenzen zu den Nachbarn kreuzt, hat sich von seinen Oberlausitzer Kollegen einiges abgeguckt - zum Beispiel, was das Leben in der Grenzregion angenehm macht:
Ja, ich tanke da drüben in Polen. Da kann man immer ein paar Euro sparen.