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Chips mit Gedächtnis

Informationstechnik. - Die Arbeitsspeicher von Computern funktionieren nur, wenn Strom fließt. Jede kurze Unterbrechung löscht das Rechnergedächtnis. Ein deutsch-französisches Forscherteam lotet daher die Möglichkeiten dauerhaft speichernder Chips aus.

Von Frank Grotelüschen |
    Florian Kronast läuft eine Metalltreppe hoch. Oben, auf der Galerie, bleibt der Physiker stehen und zeigt auf Dutzende von Versuchsaufbauten, die sich wie zusammengewürfelt in der großen, kreisrunden Halle drängen.

    "Jetzt sind wir im Elektronen-Speicherring Bessy-2. Wird auch gern als hellste Lampe Berlins bezeichnet. Eine sehr helle und sehr gut fokussierte Röntgenlampe."

    Im Zentrum der Halle steckt ein Beschleunigerring mit 240 Metern Umfang. In ihm kreisen Elektronen nahezu mit Lichtgeschwindigkeit und erzeugen einen Röntgenstrahl – extrem stark und gebündelt wie Laserlicht. Kronast macht Halt vor einem der Versuchsaufbauten: ein Gewirr aus Metallröhren und -zylindern, Kabeln, Anzeigegeräten und ...

    "Damit kann man sozusagen den Fingerabdruck der Materialien bekommen, die in der Probe enthalten sind."

    Mit diesem Röntgenmikroskop hat Kronast unlängst ein besonderes Material unter die Lupe genommen. Jetzt steckt die Probe in einem Plastiktütchen.

    "Da ist Granulat drin, damit die Probe auf keinen Fall feucht wird. Und hier ist ein kleiner Zylinder, in dem liegt die Probe. Das ist ein kleines Plättchen, ungefähr vier Mal vier Millimeter groß. Schimmert metallisch."

    Das Plättchen ist eine Art Nano-Sandwich. Außen zwei Magnetschichten, in der Mitte eine nanometerfeine Schicht aus einem Material namens Bariumtitanat. Dieses Sandwich könnte hochinteressant sein für die Computer von übermorgen, sagt Sergio Valencia. Ebenso wie Kronast arbeitet er am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie.

    "Damit könnte man Bauteile schaffen, die mit der heutigen Elektronik nur schlecht zu machen sind. Zum Beispiel einen Speicherchip, der im Gegensatz zu den heutigen Chips seinen Inhalt nicht vergisst."

    MRAM, so heißt das Konzept. Vereinfacht gesagt basiert es darauf, dass die Information nicht elektrisch gespeichert wird wie bei herkömmlichen Speicherchips, sondern magnetisch. Zwar gibt es solche MRAMs zu kaufen. Aber sie taugen nur für Nischenanwendungen wie die Raumfahrt. Der Grund: Sie sind teuer und brauchen zu viel Strom. Denn um die Chips zu ansteuern, braucht man ein Magnetfeld und starke Strompulse. Genau das ist bei jenem Nano-Sandwich anders, das die Berliner Physiker gemeinsam mit Forschern aus Frankreich kürzlich untersucht haben. Der Trick, so Valencia:

    "Wir verwenden als mittlere Schicht des Nano-Sandwichs ein Material, das man elektrisch aufladen kann – und zwar indem man einfach eine elektrische Spannung anlegt. Damit können wir die äußeren Magnetschichten gezielt beeinflussen, können quasi steuern, wie sich die Kompassnadeln in den Magnetschichten ausrichten sollen."

    Also: eine kleine elektrische Spannung statt kräftiger Strompulse, um das Material anzusteuern. Das ist ungefähr so, als müsste man einen schweren Kartoffelsack nicht mühsam die Kellertreppe hochschleppen, sondern könnte ihn bequem mit dem Fahrstuhl transportieren. Aber: Von einem PC-Arbeitsspeicher, der wenig Energie verbraucht und die Daten trotzdem dauerhaft speichert, ist man noch ein gutes Stück entfernt, sagt Sergio Valencia.

    "Wir haben erst einmal vor, neue Materialkombinationen zu untersuchen. Bisher nämlich haben wir den Effekt nur bei minus 270 Grad Celsius beobachtet. Jetzt suchen wir nach Systemen, die bei Raumtemperatur funktionieren. Erst dann kann man daran denken, Bauteile wie den magnetischen Speicherchip zu designen."