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Christchurch-Attentat
Serbische Kriegsverbrecher als Vorbilder

Die europäischen Behörden gehen der Spur des mutmaßlichen Attentäters von Christchurch nach. Offenbar gibt es eine ideologische Linie nach Norwegen zu dem Massenmörder Andres Behring Breivik, aber auch Richtung Balkan, zu den serbischen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić und Ratko Mladić.

Von Sabine Adler |
Der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic bei der Urteilsverkündung des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag am 24.03.2016.
Der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadžić bei der Urteilsverkündung des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag. (afp / Robin van Lonkhuijsen)
Der eine tötete 77 Jugendliche einer sozialdemokratischen Nachwuchsorganisation in Norwegen, der andere 50 Muslime in einer Moschee in Neuseeland. Doch obwohl sich beide Opfergruppen stark unterscheiden, entdeckte der bosnische Politologe Jasmin Mujanovic zwischen den Attentätern einige Gemeinsamkeiten.
"Beide verbindet die ultrarechte Kritik an den gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten 30 Jahre sowohl in Norwegen als auch in Australien bzw. Neuseeland. Die Entstehung multikultureller Gesellschaften, in denen die Muslime die angeblichen Profiteure sind. Breivik hat in Norwegen die Sozialdemokraten beschuldigt, die Architekten dieser kosmopolitischen Gesellschaft zu sein."
Serbische Kriegsverbrecher werden als Vorreiter im anti-islamischen Kampf gesehen
Sowohl der Australier, als auch der Norweger haben vor ihrer Tat Pamphlete verfasst. Jasmin Mujanovic analysierte Breiviks über 1000 Seiten. Bei dem Attentäter von Christchurch war der Umfang weit geringer und er hat sich eindeutig auf Breivik bezogen, sagt der 32jährige bosnische Wissenschaftler, der herausfand, dass beide Terroristen die Leidenschaft für verurteilte serbische Kriegsverbrecher teilten und sie als Vorreiter im anti-islamischen Kampf feierten.
"Bizarrer Weise war Breivik ganz besonders davon angetan, wie Karadžić westlichen Medien gegenüber den Bosnienkrieg verkaufte. Er stellte Bosnien als eine unhaltbare, unnatürliche Gesellschaft dar, weil sie multikulturell war und in der die Serben angeblich unterdrückt wurden. Sowohl Karadžić als auch Mladić ging es mit ihrer Ideologie um die Rechtfertigung des Krieges und Genozids. Sie sahen sich in einem Kampf der Zivilisationen, zwischen Christentum und Islam. Bosnische Muslime waren für sie Eindringlinge und Fremde in Europa."
Der Kriegsverbrecher Karadžić bezog sich seinerzeit auch auf den bosnischen Literaturnobelpreisträger Ivo Andrić, erklärt Jasmin Mujanovic, der zwischen seiner Geburtsstadt Sarajevo und der Elon University in North Carolina pendelt. Der Schriftsteller Andrić hatte die Gleichzeitigkeit von Muezzin-Rufen und Glockengeläut als eine Art Kulturkampf in Bosnien dargestellt. Ihn aber für die Rechtfertigung des Bosnien-Krieges heranzuziehen, sei eine Instrumentalisierung des durchaus umstrittenen Literaten gewesen, sagt Mujanovic per Skype.
Spur führt durch mehrere europäische Staaten
Breivik soll eine Obsession für den Balkan entwickelt haben, der Australier wiederum hatte auf seine Waffen die Namen von serbischen und kroatischen mythologischen Figuren bzw. historischen Schlachten graviert. Er reiste sogar nach Europa. Hiesige Behörden prüfen, ob er auch in Deutschland war. Wahrscheinlich machte er Station in Kroatien, Montenegro, Bosnien und Serbien, sicher in Bulgarien. Und doch ist der Australier quasi ein Second-hand-Verehrer der serbischen Kriegsverbrecher, der offenbar Karadžić-Songs liebte.
"Der Song ist eins der massenhaft billig produzierten Propagandalieder der serbischen Nationalisten, die Karadžić und Mladić verherrlichen. Mit diesem Song wird jetzt per Video eine neue Geschichte erzählt, die sich unter weißen Nationalisten rasend schnell verbreitet hat. Zu sehen ist ein furchteinflößender Akkordeonspieler in Fleckentarn-Uniform. Er wird zu einem Memes. Der alte Kämpfer verwandelt sich in einen sogenannten Kebab-Vernichter, was ein sarkastischer Ausdruck für einen Türken- oder Muslim-Mörder ist. Der Christchurch-Attentäter hörte im Auto den Original-Song und in seinem Manifest bezieht er sich auf das Video, nennt sich selbst einen Kebab-Vernichter."
In diesen sogenannten Internet-Memes wird Geschichte verhöhnt, mutiert sie zur Comedy. Viele junge Leute erfahren erstmals im Netz etwas über den Genozid an der muslimische Bevölkerung in Bosnien auf diese pervertierte und zynische Art. Die weißen Ultrarechten machen das auch mit dem Holocaust, um antisemitische Stimmungen zu bedienen.