Donnerstag, 02. Mai 2024

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Christian Bale
"Man soll keine Filme für Preise drehen"

Trotz zehn Oscar-Nominierungen ging "American Hustle" leer aus. 20 Kilo hatte Christian Bale für die Rolle eines Trickbetrügers zugenommen. Die Stärke des Films liege in der Gemeinschaftsarbeit, denn das Drama sei ein Ensemblefilm, sagte der Schauspieler im DLF.

im Gespräch mit Sigrid Fischer | 03.03.2014
    Der Schauspieler Christian Bale (Porträt-Aufnahme)
    Der Schauspieler Christian Bale (picture alliance / dpa - Daniel Naupold)
    Sigrid Fischer: Christian Bale, Sie haben für Ihre Rolle in "American Hustle" 20 Kilo zugenommen, Sie haben auch schon mal das Gegenteil getan vor zehn Jahren, für The Machinist 30 Kilo abgenommen. Fällt Ihnen das leicht, und warum nehmen Sie diese körperliche Realverwandlung jetzt schon zum zweiten Mal auf sich?
    Christian Bale: Entweder isst man viele Kartoffeln oder man isst nichts. Aber die körperliche Erscheinung einer Person prägt doch immer den ersten Eindruck, den man von jemandem gewinnt. Und wenn man nur zwei Stunden Zeit hat, um eine Geschichte zu erzählen, ist der erste Eindruck ja noch wichtiger als im echten Leben. Das Äußere sagt etwas über eine Person aus. Wir fällen unser Urteil aufgrund ihres Äußeren und sind überrascht, wenn derjenige ganz anders ist, als wir es erwartet haben. Sicher, das wichtigste sind wohl immer Herz, Seele und Geist einer Figur; aber das Körperliche ist ein erster Zugang, den man zu jemandem bekommt. Deshalb ist das absolut wesentlich.
    Fischer: Sie tragen das Gewicht ja dann auch eine Weile privat mit sich herum. Mögen Sie sich dann noch im Spiegel ansehen, mit 20 Kilo Übergewicht?
    Bale: Wenn es plötzlich über Nacht passieren würde, dann würde einen das wohl umhauen. Aber es passiert ja sehr langsam. Ich schätze mich verdammt glücklich darüber, dass ich tun darf, was ich tue. Und wenn ich dann das Gefühl habe, dass so etwas die Figur bereichert, dann fange ich eben ein paar Monate früher schon mit der Arbeit an. Im Fall von "American Hustle" wäre mein Gewicht in Wirklichkeit natürlich die Folge eines lebenslangen Essverhaltens, und ich erreiche das auf unnatürlichem Wege in ein paar Wochen. Dann schlägt mein Körper schon etwas zurück.
    Fischer: Dieser Irving Rosenfeld, den Sie spielen, ist ja eine reale Figur. Wie viel Spielraum hat Ihnen das Drehbuch gegeben zur Gestaltung der Rolle?
    Bale: Das Drehbuch war ursprünglich ziemlich anders, es war sehr auf den Krimiplot ausgerichtet und enthielt kaum eine Beschreibung des echten Mel Weinberg von damals, auf dem meine Figur ja basiert. Ich habe ihn mir aalglatt und eitel vorgestellt, und am Anfang fiel mir ein mehrdimensionaler Zugang zu ihm schwer. Aber dann habe ich ein Foto von Mel gesehen, das hat mich umgehauen. Mir gefiel ja die Tatsache, dass er so ein toller Trickbetrüger ist, und dann dieses offensichtliche Toupet da oben auf seinem Kopf trägt. Das ist ein wunderbarer Vergleich: Er kann mit seinen Tricks wirklich jeden reinlegen, aber mit diesem Haarteil macht er niemandem etwas vor.
    "Ich glaube fest daran, dass man nicht für den Gag spielt, sondern für die Wahrheit"
    Fischer: Man sieht Sie, Christian Bale, ja nicht sehr oft in komischen Rollen. Sie sind offenbar auf das ernste Fach abonniert. Das hier ist eine - zumindest ist sie tragikomisch. Würden Sie gerne öfter witzig sein oder in witzigen Filmen mitspielen?
    Bale: Das ist immer die Entscheidung des Regisseurs. Ich meine nicht in punkto Besetzung, sondern was ihn interessiert. Man kann an sich eigentlich keinen einzigen Film drehen, in dem es keinen Humor gibt. Die Frage ist nur, ob der Regisseur den Humor zulässt oder nicht. Das ist wie bei jeder guten Darstellung, der Regisseur muss sie auch zulassen, aber dazu muss er sie erst einmal erkennen. Ich glaube fest daran, dass man nicht für den Gag spielt, sondern für die Wahrheit. Und dabei wird es eben manchmal komisch. Aber wenn Autor und Regisseur nicht danach suchen, werden sie es auch nicht finden.
    Fischer: "American Hustle" ist zehnfach oscarnominiert, dabei die begehrten Big-Five-Kategorien. Sie haben bisher einen Nebendarsteller-Oscar für "The Fighter", auch unter der Regie von David O. Russell. Die Konkurrenz ist stark, werden Sie enttäuscht sein, wenn es nicht klappt?
    "Die einzige Befriedigung, die man als Schauspieler haben kann, ist am Set"
    Bale: Ich erwarte wirklich keinen Preis. Ich finde, es ist ein Ensemblefilm. Und genau darin liegt auch seine Stärke, in der Gemeinschaftsarbeit, mit der wir alle sehr zufrieden sind. Ich war wirklich überrascht, ich war nämlich gerade bei den Dreharbeiten zu Exodus, als mir jemand auf die Schulter tippte und sagte, dass ich für den Oscar nominiert bin. Was? Ich? Wie schön, wie nett von ihnen! Weil ich damit echt nicht gerechnet habe. Man soll keine Filme für Preise drehen. Die einzige Befriedigung, die man als Schauspieler haben kann, ist am Set, im Moment des Drehs. Auf alles andere hat man sowieso keinen Einfluss, der Regisseur wählt die Szenen aus, und wählt vielleicht nicht die, in denen man am besten war. Der Cutter, die Marketingleute suchen auch aus, oder der gerade herrschende Zeitgeist. Man hat das alles nicht in der Hand. Und wenn dann mal alles zum besten zusammen kommt, ist das immer toll. Und ich freue mich, aber ich konkurriere mit keinem meiner Kollegen, ich denke im Gegenteil: Es gibt so viele tolle Schauspieler, aber es gibt keinen besten, wirklich nicht. Es gibt nur unterschiedliche.
    Fischer: Christin Bale, Sie switchen zwischen Blockbustern wie "Batman" oder jetzt "Exodus" und Independentfilmen wie "The Machinist", "The Fighter", hin und her, Sie sind immer bereit, viel auf sich zu nehmen für die Filme. Was steht hinter alldem, welcher Motor treibt Sie zu alldem an?
    Bale: Ich mag Menschen, ich beobachte sie gerne, ich finde sie interessant. In dem, was ich tue, liegt auch eine gewisse Ironie. Man beansprucht Anonymität, aber je mehr Rollen Du spielst, desto weniger anonym bist Du. Ich mag Filme wirklich gerne, aber Menschen mag ich noch mehr. Ich hab kein sehr ausgeprägtes Filmwissen, Musik und Literatur interessieren mich mehr, sie geben mir am meisten - schon als ich jung war und heute immer noch. Und aus der Schauspielerei ziehe ich dann sehr viel Zufriedenheit, wenn sie im richtigen Umfeld stattfindet. Und sie kann mir genauso auch große Unzufriedenheit bereiten. Aber die Tatsache, dass sie mich sowohl total runterziehen als auch total beflügeln kann, zeigt ja, dass ich sie liebe. Für mich ist das eine Achterbahnfahrt. Und bestenfalls hat Schauspielerei - wie alles im Leben, an das ich mich gerne erinnere, - etwas Hypnotisierendes. In dem Sinn, dass man währenddessen nicht in der Lage ist, an irgendetwas anderes zu denken. Und wenn man es doch tut, dann geht etwas schief, wie beim Motorradfahren, das ich genau deshalb auch sehr liebe. Solche Momente gibt mir die Schauspielerei, und für diese Momente macht man das alles.
    Fischer: Wenn Sie immer so intensiv eintauchen in Ihre Rollen, dann nehmen Sie wahrscheinlich auch einiges davon mit nach Hause, oder?
    Bale: Ja, die Stimme zum Beispiel - die wird man eine Weile nicht los und man redet dann so wie die Figur im Film, was auch Spaß macht. Aber die meisten Dreharbeiten dauern so lange, dass man am Ende echt froh ist, dass man sich verabschieden kann. Denn man will sich ja selbst immer wieder überraschen, aber wenn die Dreharbeiten zu lange dauern, gelingt einem das nicht. Und dann wird es anstrengend.
    Fischer: Ich muss mich selbst immer mal daran erinnern: Christian Bale ist kein Amerikaner, sondern Brite, Waliser, Sie sind als Jugendlicher in die USA gegangen. Merken Sie das manchmal in dieser US-Filmcommunity, weil Sie vielleicht manche Dinge anders sehen als die amerikanischen Kollegen?
    Bale: Amerika ist ja schon länger meine Heimat, als es England je war. Trotzdem kriege ich jedes Mal Gänsehaut, wenn England spielt, obwohl ich den Text der Hymne nicht ausstehen kann, weil es darin nur um die Queen geht, aber nicht um das Volk. Aber das kann man wohl nicht abstellen, da ist dann doch eine gewisse "Englishness" in mir, weil das Teil meiner Jugend ist. Aber ich finde Amerika so vielfältig. Die Leute hören ja meist nur etwas von den großen Städten. Aber wenn man die mal verlässt und rausfährt, ist das total faszinierend. Mein nächster Film "Auge um Auge" dreht sich genau um diese Leute. Leute, die in den Medien nie vorkommen, weil ihre Leben nicht leuchten und glänzen. Aber so lebt die Mehrheit der Amerikaner. Genau das mag ich, diese eigene Welt innerhalb Amerikas.
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