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Christliche Gamer
Zocken mit Jesus

Viele Computerspiele strotzen vor Gewalt – vor allem für amerikanische Christen sind sie deshalb oft ein rotes Tuch. Vor einigen Jahren hat sich aber eine Gegenbewegung christlicher Zocker gegründet: die Gamechurch. Sie will auch in Deutschland missionieren.

Von Tim Baumann | 16.05.2019
Die Gamechurch auf der Gamescom in Köln. Ihr geht es primär darum, innerhalb der Gamerszene als Christen sichtbar zu werden und so Mission zu betreiben
Die Gamechurch auf der Gamescom in Köln. Ihr geht es primär darum, innerhalb der Gamerszene als Christen sichtbar zu werden und so Mission zu betreiben (Gamechurch)
"Hört mir bloß auf mit der X-Box und diesem Kram. Wenn du Hornhaut an den Daumen hast, bist du ein Loser!" So wettert Pastor Gene Lingerfeldt vom christlich-konservativen FAITH-Center im texanischen Arlington in einer auf YouTube veröffentlichten Predigt: "Ich verfluche diesen Geist im Namen Jesu Christi!"
Schubladen ausmisten
Gerade in den USA werden Gamer immer wieder von radikalen Predigern ins Visier genommen. Vor fast zehn Jahren hatte eine Gruppe von christlichen Computerspielfans von solchen Anfeindungen die Nase voll – und startete das Projekt "Gamechurch". Denn, so ihre Begründung, wenn Jesus mit Huren und Zöllnern abhing, warum sollte er dann Gamer ablehnen?
"Die Nerd-Culture, wenn ich jetzt an Amerika denke, ist ja im Ursprung eher eine Außenseiterkultur gewesen. Das ist ja jetzt nicht seit jeher, dass sie, wie gerade, in den Mainstream rückt."
Daniel Schmidt ist 27 Jahre alt und studiert. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern hat er 2014 im nordrhein-westfälischen Lemgo den deutschen Zweig der Gamechurch gegründet. Im vergangenen Jahr wurde daraus der Verein "Main Quest Ministries". In Deutschland werden Computerspiele zwar weit weniger angefeindet, dennoch gebe es für das gemischtkonfessionelle Team viel zu tun:
"Gamechurch hat das Ziel, Brücken zu bauen und zwar insbesondere geht es darum als Ziel, die Schubladen mit der Aufschrift 'Christen' oder 'Jesus', die die Menschen mit sich herumtragen, mit ihrem Einverständnis ausmisten zu dürfen. Oder im Minimum so einen kleinen weiteren Zettel hinzufügen zu dürfen. Und auf dem steht: Jesus liebt Gamer."
"Mit Jesus gewinnen"
Im Gegensatz zu den USA geht es also primär darum, innerhalb der Gamerszene als Christen sichtbar zu werden und so Mission zu betreiben. So waren Schmidt und sein Team in den letzten Jahren auf der Gamescom in Köln, der weltweit größten Computerspielmesse. An ihrem Stand verteilten sie das Büchlein "Jesus for the win" - gewinnen mit Jesus – eine auf Gamer zugeschnittene Fassung des Johannesevangeliums, unterteilt in 21 Level und mit allerlei Kommentaren versehen:
"In diesem Buch wirst du über genau diese Geschichte lesen, so wie sie im Buch des Johannes steht – einem von vielen Büchern in der Bibel. Die anderen Bücher sind gut, aber dieses fokussiert die Geschichte von Jesus und seinem 'Clan', die auch als die 12 Jünger bekannt sind. Du wirst sehen, mit wem er herumhing, wie er die 'Kirchen'-Leiter seiner Zeit geowned hat und was er über sich selbst sagte."
Aggressive Mission betreiben die Zocker aus Lemgo aber nicht – sie zeigen zwar Präsenz, gehen aber nicht aktiv auf die Messebesucher zu. Außerdem wolle man niemandem eine Religion aufzwingen. Dennoch stehe man zum eigenen Glauben:
"Unser Herz schlägt dafür, dass Gott einen festen Platz in der Nerdculture bekommt und die Nerdculture aufblüht. Das würde ich jetzt mal so als unseren Herzschlag sagen. In der Vergangenheit haben wir dann halt Projekte durchgeführt, in denen unsere Liebe zu Gott, zu der Nerdculture und zu den Menschen zusammenkommen." So der angehende Erziehungswissenschaftler Daniel Schmidt.
Netzwerken für Gaming und Kirche
Zu diesen Projekten gehörte neben dem Aufbau einer Online-Community auch das Projekt "Arena", ein offener Gamer-Treff voller PCs und Spielkonsolen.
"Die Arena ist eine Videogame-Lounge gewesen, die hatten wir anderthalb Jahre auf. Und die wurde im Endeffekt zu einer sozialen Arbeit, wenn man so möchte. Also es kamen sehr viele Jugendliche, soziale Arbeit mit Jugendlichen, es kamen viele Jugendliche, die auch sonst eher so irgendwie rauchend am Busbahnhof abhingen und, ja, eher schulisch auffällig waren, sage ich mal. Und wir haben einfach zusammen gezockt."
Nach Jahren des ehrenamtlichen Engagements will die Gruppe um Daniel Schmidt sich aber mit dem Verein "Main Quest Ministries" neu aufstellen.
"Mit ehrenamtlicher Arbeit kannst du halt auch nur so und so viel wuppen. Wir hatten halt mehrere Projekte am Laufen und haben das ausprobiert und das war cool für eine Zeit."
Auf lange Sicht sei ein ehrenamtliches Team von sechs Leuten aber einfach zu klein, um wirklich etwas Großes zu bewirken. Das Ziel des neugegründeten Vereins sei jetzt, mit Partnern größere Projekte anzustoßen.
Seit längerer Zeit netzwerken die Lemgoer also eifrig, um Kirchen und große Institutionen ins Boot zu holen – so werden sie auch auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund sein, um Gaming und Kirche zusammenzubringen.