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Evangelische Kirche im Netz
Digitale Kirchtürme

Soziale Medien sind selbstverständlicher Bestandteil im Leben vieler Menschen. Die Inhalte der evangelischen Kirchen sind im Internet aber nicht immer auffindbar. Auf einer Konferenz haben Kirchenvertreter nun Konzepte für die digitale Zukunft der Kirche vorgestellt.

Von Tim Baumann |
    Twittergottesdienst Walloner Kirche beim evangelischen Kirchentag auf dem Weg in Magdeburg.
    Skype-Seelsorge und Twittergottesdienste - die evangelische Kirche fragt sich, welche Angebote sie digital anbieten soll. Und wie. (imago stock&people)
    "'Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.' Dieses Wort Jesu ist in den letzten Jahren immer wieder zitiert worden – und das mit guten Gründen".
    Auf dem offiziellen YouTube-Kanal der EKD veröffentlicht Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, ein kurzes Video zum Tag des Flüchtlings. Zwei Tage später ist das Video des obersten deutschen Protestanten insgesamt 53 mal angeklickt worden - und das beim medialen Dauerbrenner Migration. Die evangelische Kirche hat ein Problem mit ihrem Onlineauftritt.
    Ideen und Vernetzung
    Am vergangenen Wochenende haben sich in Köln rund 100 evangelische Netzexperten, Pastoren und Bloggerinnen zu einem Barcamp getroffen, um dieses Problem zu lösen. Ein Barcamp, das ist eine offene Tagung mit offenen Workshops. Viele der Vorträge und Diskussionsrunden entstehen spontan, die Ideen sprießen und verknüpfen sich mit anderen - Synergieeffekte und Vernetzung sind die Ziele solcher Un-Konferenzen.
    Seit dem ersten Treffen vor vier Jahren hat sich das Format weiter entwickelt – mittlerweile kommen Teilnehmer aus allen Teilen der Republik. Die Themenvielfalt ist groß: Von theoretischen und grundlegenden Vorträgen und Diskussionen, zum Beispiel zur Frage, ob Social Media einsam macht oder wie Mission im Netz inhaltlich ausgerichtet sein sollte - etwa in Computerspielen oder Vlogs, also Video-Blogs - oder, wie ich eine Gemeindewebsite aufbaue, bis hin zu praktischen Tipps etwa zur neuen Datenschutzverordnung ist alles vertreten.
    Seelsorge über Skype
    Eines der zentralen Probleme der Kirche im digitalen Raum: Es ist schwer, die praktischen Erfahrungen in der Onlinearbeit in die Pfarreien zu bringen, sagt Jan Ehlert, Pastor und Mitorganisator des Barcamps:
    "Ich glaube, wir müssen dahin kommen, Techniken und Strukturen anzubieten, mit denen Pfarrerinnen und Pfarrer vor Ort in der Lage sind, digitale Seelsorge anzubieten – sei es textbasiert per Chat, per Messenger-Dienst. Oder sei es, gerade in ländlichen Regionen, auch in einem Videochat – Skype und dergleichen."
    Wie wichtig ist Datenschutz?
    Ein Hemmnis sei hierbei aber vor allem der Datenschutz. Gerade die Seelsorge erlege sich strenge Vorschriften auf, zusätzlich zu den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Das stößt nicht überall auf Begeisterung.
    "Menschen die einsam sind, Menschen die Anschluss suchen, haben andere Probleme als die Wahrung ihrer Daten," meint Klaus Deuber, Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Jugendpfarramt der Nordkirche. "Vielleicht sind völlig andere Formate nötig – im kommerziellen Bereich gibt es bereits jede Menge Beratungsangebote im Internet. Die kommerziellen Angebote müssen nicht schlecht sein, aber es kann nicht sein, dass wir das als Markt dem Kommerz überlassen und unsere kostenlosen Angebote in diesem Bereich nicht anbieten."
    Entscheidungen über den kirchlichen Datenschutz liegen aber nicht im Ermessen einzelner Pastorinnen und Pastoren – interne Datenschutzrichtlinien müssen für die ganze Kirche gelten.
    Structured Data und Kirche
    Und so wird auf der EKD-Synode in Würzburg im November auch über ein Pilotprojekt der Evangelischen Kirche im Rheinland entschieden. Mit Structured Data will man die kirchlichen Inhalte suchmaschinenkompatibel machen. Ralf Peter Reimann ist der Internetbeauftragte der Evangelischen Kirche im Rheinland:
    "Wenn man normalerweise auf eine Webseite geht, sieht man: Wann beginnt eine Veranstaltung, an wen ist sie gerichtet und wo findet sie statt. Jeder Mensch versteht: Was ist der Ort, wann ist die Zeit, was ist das Thema."
    Um, wie es die Church of England vorgemacht hat, über Sprachassistenten wie Alexa oder Siri Informationen über den nächsten Gottesdienst am aktuellen Standort zu bekommen, müssten kirchliche Internetangebote aber auch für Suchmaschinen lesbar gemacht werden, sagt der Theologe und Informatiker: "Da steht dann im Quelltext der Seite: 'Dies ist ein Datum', 'Dies ist der Beginn', 'Dies ist das Ende'."
    "Alexa, wann beginnt der Gottesdienst?"
    Nur so können die Geräte direkt Auskunft über die Anfragen der Nutzer geben. Das wird immer wichtiger: Der Trend geht von der konventionellen Smartphone-Nutzung hin zur Sprachsteuerung. Im November 2017 hatten Umfragen zufolge bereits mehr als die Hälfte der Deutschen schon Erfahrungen mit Sprachsteuerung gemacht, weitere 17 Prozent bekundeten generelles Interesse an der Technologie. Den Umweg über die Webseiten der Landeskirchen, Kirchenkreise und Gemeinden scheuten mittlerweile viele User – sie wünschten sich eine schnelle und unkomplizierte Antwort auf ihre konkreten Fragen. Dies sei aber für die einzelnen Pfarreien nicht zu stemmen:
    "Structured Data bereitzustellen – das war auch ein Ergebnis auf dem Barcamp - überfordert viele Gemeinden. Da ist es sinnvoller, dass man dies für eine Landeskirche an einer Stelle zentral macht und diese Daten dann an einen Dienstleister übergibt, der die dann entsprechend verteilt."
    Sobald eine Landeskirche so weit sei, müssten die Gemeinden nur noch ihre Daten mit einer Kalendersoftware verbinden – Mehrarbeit sei damit nicht verbunden. Dass der Sprachassistent Alexa ein Produkt der Firma Amazon ist, hält Pfarrer Jan Ehlert für unproblematisch – man strebe keine Geschäftsbeziehung mit Amazon an und müsse sich am Nutzerverhalten orientieren:
    "Für uns muss die Frage sein: Wie kriegen wir unsere Informationen dort hin? Früher gingen die Menschen in ein Dorf, haben den Kirchturm von weitem gesehen und wussten: Da ist Kirche! Da kriege ich meine Informationen zum Thema Glauben, zum Thema Spiritualität, da kriege ich Seelsorge, da findet ein Gottesdienst statt. Heute fragen Menschen eben Google, sie fragen Alexa. Und dann müssen wir dafür sorgen, dass die Informationen, die wir haben, dort auch vernünftig angezeigt werden. Und das wird unsere Aufgabe in der nächsten Phase des großen Themas Digitalisierung sein: Wie kriegen wir unsere Kirchtürme ins Digitale?"