Mittwoch, 24. April 2024

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Chronik der Mysterien

Auch in unserer Schule gab es genügend Kinder der Vertriebenen. Die meisten von ihnen sprachen inzwischen unseren Dialekt, und nur gelegentlich konnte an einem ungewöhnlichen und befremdlichen Wort ihre Herkunft erraten oder weil sie die Rachenlaute heiserer als wir aussprachen. Sie waren allesamt ärmlicher gekleidet als die Kinder der Einheimischen, ihre Strümpfe und Joppen waren geflickt, runde Lederstücke waren nicht nur auf den Ellbogen angebracht, und vor allem ihr Schuhwerk war alt und rissig. "Ja, Bernhard Haber", sagte Fräulein Nitschke ungerührt von dem Lärm in der Klasse. Sie sprach den Namen deutlich und betont aus und sagte dann zu dem Neuen: "In der Pause kommst du zu mir Bernhard, damit ich dich in das Klassenbuch eintragen kann. So, und nun geh und setz dich." Bernhard Haber hob den Kopf und ließ seinen Blick über die Bänke gleiten. Auch andere Schüler drehten sich um und vergewisserten sich dessen, was sie ohnehin wussten: alle Klappstühle waren besetzt, es gab keinen einzigen freien Platz.

Ursula März | 25.01.2004
    Als die Lehrerin es bemerkte, stand sie auf und schob ihren Stuhl an die schmale Seite des Lehrertisches. Sie wandte sich an die Klasse: "Bernhard ist ein Jahr älter als ihr. Er kommt aus Polen und konnte in den letzten Jahren nur unregelmäßig eine Schule besuchen. So hat er einiges versäumt und ich denke, es ist besser, er kommt in das dritte Schuljahr, jedenfalls vorläufig. Wir werden sehen, was er weiß und ich denke, Ihr werdet ihn nach Kräften unterstützen. "Ein Polacke", sagte ein Junge aus einer der hinteren Reihen halblaut. Der Neue war zu dem Stuhl gegangen, den ihm die Lehrerein hingeschoben hatte, er drehte sich zur Klasse und, ohne den Arm zu heben, ballte er ein Faust und hielt sie einen Moment vor seinem Bauch, während er zu uns sah und mit den Augen nach dem Jungen suchte, der die Bemerkung gemacht hatte. "Das war sehr, sehr hässlich", sagte Fräulein Nitschke, "ich will dieses dumme Wort nie wieder hören. Nie wieder! Habt ihr verstanden? Bernhard ist kein Pole, er ist Deutscher genauso wie ihr.

    Ein Jahr, nachdem Bernhards Vater, ein kriegsinvalider, einarmiger Tischler mühsam begonnen hat, sich eine kleine Werkstatt einzurichten, brennt diese ab. Bernhards Hund,

    sein einziger und wirklicher Freund,

    wird umgebracht. Das reicht, um ein Kind, einen Jugendlichen bis in die letzte Faser hinein zu kränken und zu dem zu machen, was Bernhard ist: misstrauisch, verstockt, zäh, aggressiv. Und es reicht, um seinen Willen auf ein einziges Ziel hin zu bündeln: Es Guldenberg zu beweisen, das Leben als eine Attacke gegen den Ausschluss von Wohlstand, Reichtum, sozialer Akzeptanz zu nutzen, was Bernhard Haber, wie sein Nachname ankündigt, auch gelingt.

    Am Ende von Christoph Heins Provinz- und Zeitroman "Landnahme", dessen erzählte Zeit sich über fast fünf Jahrzehnte streckt, steht Bernhard Haber auf der Rathaustreppe und dirigiert das Karnevalstreiben; Stadtrat Villenbesitzer, Unternehmer mit überfliegendem Geschäftserfolg. Die Wende hat ihn noch reicher gemacht, seinen Platz im Establishment Guldenberger Mittelständler - das es in diesem Roman auch in der DDR gab - noch stärker befestigt.

    Eine Biographie wie aus dem Lehrbuch der Außenseiter- und Aufsteigersoziologie. Als literarische Gestalt aber geht Bernhard Haber in diesem Sozialporträt nicht auf. Er überragt es, wie viele Haupt- und Romanfiguren des Schriftstellers Christoph Hein, um eine existentielle Dimension, die aus einer Figur ein nicht ganz erklärliches, ja unerklärliches Wesen macht. Die entseelte Ärztin in Heins Erfolgroman "Drachenblut" ist ein solches und Bernhard Haber ebenfalls. So materialistisch er daherkommt, seine Vorfahren sind die unheimlichen Fremdgestalten der deutschen Romantik, seine näheren Verwandten die Entfremdeten des literarischen Existentialismus des 20. Jahrhunderts. Bernhard Haber ist buchstäblich ein Fremdkörper in Guldenberg, das heißt er ist vor allem: Körper. Gedrungen, untersetzt, von überlegener, einschüchternder Kraft, die ins Animalische spielt.

    Bernhard, obwohl er ein ganzes Jahr älter als alle anderen war, gehörte zu den Kleineren in meiner Klasse. Im Sportunterricht, bei dem wir uns nach der Größe aufzustellen hatten, stand er bei den Knirpsen ganz links, wurden jedoch für die Wettkämpfe die Mannschaften zusammengestellt, war er stets einer der ersten, den man für die eigene benannte. Wenn er den Ball in Besitz bekommen hatte, wagte sich keiner ihm in den Weg zu stellen, denn er lief alle um und schnurstracks mit dem Ball bis zum Torkreis, um ihn dann mit einem mächtigen Wurf ins Tor zu donnern. Beim Fußball war er ebenso begehrt, er ließ sich durch Fouls nicht vom Ball trennen. Und die es versuchten, ihm ein Bein zu stellen, saßen danach spielunfähig am Rand des Spielfeldes und rieben sich jammernd ihr Schienbein.

    Dieser physischen Hochpräsenz entspricht eine kommunikative und perzeptive Absence. Haber ist einsilbig bis zur Verstummung, seine Jugendfreundin, die zwei Jahre neben ihm spazieren geht und das Bernhard`sche Konversationsvakuum vollplappert, wüsste hinterher nicht zu sagen, was Haber außer "ja", "nein", "will ich", "will ich nicht" je über sich gesagt hätte. Und er ist, zumal wenn es um Schulwissen und ähnliche kognitive Anstrengungen des Lebens geht, verlangsamt im Begreifen bis zur Apathie. In seinem Wesen finden sich folglich Anzeichen sowohl der Wildheit als auch der Apparathaftigkeit, welche jeweils eine Aura des Unheimlichen erzeugen.

    Aber Bernhard Haber, Hauptfigur des Romans, ist verschlossen, stumm, abwesend auch gegenüber der Romanerzählung. Denn diese setzt sich aus fünf Einzelerzählungen zusammen, fünf Monologen, fünf Stimmen von Schulgefährten, Geliebten, Bekannten, Geschäftskollegen, die Habers Lebenslauf begleiten, in sich verschränkenden, widersprechenden, überschneidenden Ausschnitten bezeugen, was sie von Haber wissen.

    Oder auch nicht. Denn hier, in Christoph Heins neuem Roman, suchen fünf Erzähler eine Hauptfigur und eine Antwort auf die Frage: Wer ist der Typ eigentlich? Wie kam er dazu, vor und auch nach dem Mauerbau für gutes Geld einen illegalen Fluchthelferring zu betreiben? Wie schaffte er es, nie erwischt zu werden? Warum heiratete er eine Frau, an der ihn vor allem eine Eigenschaft, ihr fast sklavischer Mädchengehorsam, angezogen haben muss? In den Lücken einerseits, den Verdoppelungen andererseits der Rondokomposition liegt der formale und erzählerische Reiz des Buches, den der Autor meisterhaft und handwerklich mustergültig zu nutzen weiß.

    Die vervielfachte, bewegliche Perspektive - über weite Strecken erzählen die Erzähler naturgemäß eher von sich und nur indirekt von Haber -, die Fülle unvergesslicher plastischer Provinzfiguren und Typen, der aufgelockerte Umgang mit Chronologie und Stofffülle, all das macht "Landnahme" zu Christoph Heins dynamischsten und lebhaftestem Romanwerk. Und doch behält das personale Zentrum, behält dieser Bernhard Faber inmitten des konkreten Kleinstadtkosmos Guldenburg die Abstraktheit einer Beckett-Figur.

    Anders gesagt: Die Erzählform lässt die Phantasie zu, es gäbe Haber gar nicht, vielmehr: nicht mehr. Denn in dieser Erzählform steckt auf sehr versteckte Weise die Redeform des Nekrologs, des gedenkenden Gesprächs über einen Abwesenden. Da dieser aber, so die Erzählprämisse, noch rege seinen Geschäften nachgeht, steckt in "Landwehr" in letzter Konsequenz auch ein moderner Gespensterroman. Fünf Chronisten umkreisen ein Mysterium.

    Irgendwie hatte er etwas von einem Esel an sich, von einem halsstarrigen, eigensinnigen Esel, der weder mit Worten noch mit Hieben zu bewegen war vorwärts zu gehen, und der dann urplötzlich, und wenn man es schon aufgegeben hatte, in die gewünschte Richtung loslief, weil ihm vielleicht endlich klar geworden war, was man von ihm wollte. Alles, was ich ihm sagte, musste er erst gründlich kauen und verdauen, bevor es wirklich in seinem Kopf ankam. Er war schwerfällig von Begriff und wie sein Vater und die ganze Familie ewig misstrauisch, und alle in der Familie machten diese merkwürdigen Augen wenn man mit ihnen sprach.

    Sie starrten einen an, als sie einem von den Lippen lesen oder sich kein Wort entgehen lassen wollten. Sie kniffen die Augen nicht direkt zusammen, die Schlitze verengten sich, als warteten sie gespannt darauf, was nun kommen könnte. Vielleicht war das in ihrer Heimat üblich, vielleicht waren dort, wo sie herkamen, alle so misstrauisch, oder sie hatten dort irgendetwas Schlimmes erlebt und befürchten, es könne ihnen auch bei uns zustoßen. Mutter sagte einmal, Bernhard sei ein richtiger Bauer. Damals dachte ich, sie wolle mich und Bernhard damit beleidigen, später verstand ich, dass sie etwas anderes damit sagen wollte. Bernhard war ein Bauer.


    Vielleicht lag es an schlimmen Geschichten, die in ihrer Heimat passiert waren oder bei der Vertreibung, denn auch die anderen Vertriebenen waren irgendwie seltsame Leute, oder der Argwohn lag ihnen im Blut und sie schleppten ihn von den Urgroßeltern her bis ans Ende der Welt. Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass ich von seiner Familie nicht eben mit offenen Augen empfangen wurde, sondern eher wie ein Eindringling, den man vorsichtig beäugt und nie aus den Augen lässt. Mit Bernhard und mir war es natürlich anders, aber geöffnet hat er sich mir nicht, doch das habe ich erst zum Schluss begriffen, als meine Eltern und alle möglichen Leute mich nach ihm ausfragten und ich eigentlich gar nichts über ihn sagen konnte. Ich war drei Jahre mit ihm zusammen und wusste eigentlich nicht mehr über ihn als alle anderen und konnte nicht sagen, was in mich gefahren war.

    Mysteriös? Von kaum einem anderen Begriff scheinen das realistische Prosawerk und die Gestalt des studierten Logikers Christoph Hein weiter entfernt zu sei. Er hat sich oft und deutlich als "Chronist ohne Botschaft" charakterisiert, in einem Essay zum Historikerstreit die Kompetenz der Sinnstiftung des Chronisten bestritten. Seine Prosa besitzt die Textur einen protestantischen Rationalismus und leistet sich Metaphern wie der sparsame Esser Fleisch zu den Festtagen. Die einzige Obsession, die sich an der Oberfläche seiner Prosa feststellen lässt, gilt dem penibel genauen, ja bürokratischen Ausbreiten der empirischen Alltagsnormalität seiner Helden.

    Wer gelesen hat, wie Willenbrock im gleichnamigen Roman im Berlin der 90er Jahre einen Gebrauchtwagenhandel betreibt, kann einen solchen aufziehen, denn er hat außer einem Roman eine Gebrauchsanweisung in Marktwirtschaft hinter sich. Das ist im neuen Roman nicht anders. Er verfügt über Sachkenntnisse in allen ihn betreffenden Bereichen. Dieser Sachlichkeit und ihrem Stil verdanken Heins Erzählwelten das Klima der Realitätsvertrautheit und -verlässlichkeit.

    Heins Erzählton ist zudem der des Berichtens, Protokollierens. Aber diese Ästhetik der Unauffälligkeit kontrastiert auf gewittrige Weise mit den Realitätsextremen, den Ungeheuerlichkeiten, von denen Heins Geschichten ausgehen oder auf die sie zulaufen: Gewalt und Gewalttaten, Barbareien und Pathologien. Willenbrock wird Zug um Zug in eine Art Bürgerkrieg verwickelt. Der Spieler im "Napoleon-Spiel" legt aus der Haft heraus dar, weshalb sein Denken und Handeln auf einen Willkürmord hinauslaufen musste. In "Landnahme" zünden sich Geschäftskonkurrenten gegenseitig die Betriebe an oder stehen im Verdacht, dies tun zu wollen. Jahre nach dem Tod Bernhard Habers stellt sich heraus, dass der Vater sich nicht selbst umgebracht hat, sondern Opfer eines Mordes wurde, stranguliert von Guldenbergern, die den Vertriebenen nicht mehr unter sich litten.

    Der Mörder ist tot. Und die anderen Beteiligten würden allenfalls wegen Mithilfe oder Anstiftung oder auch nur Leichtsinn verurteilt werden können. Außerdem ist alles fünfzehn Jahre her, da bekommen sie nicht einmal eine Bewährungsstrafe, sondern wegen Verjährung wird die Ermordung meines Vaters nicht mehr verfolgt. Wie kann ein Mord verjähren, Sigurd? Ich verstehe durchaus, dass es sinnvoll ist, eine Straftat irgendwann einmal verjähren zu lassen. Wenn man etwas gestohlen hat oder jemand betrogen, dann vergisst man das irgendwann. Und der Bestohlene, so sehr er sich auch ärgerte, er verschmerzt es einmal. Nach einigen Jahren ist es vergessen und verjährt. Aber ein Mord! Der Tote wird nie wieder lebendig und seine Verwandten und Freunde werden seinen Tod nie wieder vergessen. Und auch der Mörder wird es wohl nie vergessen. Weil ein Mord nicht verjähren kann. Für den Mörder meines Vaters jedenfalls verjährte seine Tat nicht, er musste darüber reden, nach fünfzehn Jahren. Mord kann nicht verjähren. Das ist die Dummheit der Richter und Gesetzesgeber.

    Es gibt in Heins Literatur eine Art Urmotiv, auf das er immer wieder zurückkommt: Die unerledigte Kränkung durch erlittenes Unrecht; das Motiv des Traumas also. Es unterströmt bei aller Humoristik und Unterhaltsamkeit, die auch "Landnahme zu einer angenehm-vergnüglichen Lektüre machen, die Erzählstimmung. Es erzeugt den Sog unheimlicher Erwartung, die in Bernhard Haber Gestalt annimmt: die Erwartung der Retraumatisierung.

    Heins Geschichten schauen auf Kränkung zurück und dem Schrecken entgegen, ob er eintrifft oder nicht. Sie besitzen ein fast abergläubisches Verhältnis zu diesem Gedanken der Wiederkehr und verdanken ihm ihren pathogen und ihren mysteriösen Zug. Haber mag sich äußerlich zum abgebrühten Fluchthelfer, zum vermögenden Kleinstadtspießer entwickeln. In seinem Inneren bleibt er das gekränkte, in seiner Kränkung unberechenbare Kind. Bei aller Anpassung ein ewig Fremder in Guldenburg, bei aller Soziographie eine Allegorie durch die Gegenwart geisternder Vergangenheit.

    "Im Mittelalter", sagte Bernhard, "das habe ich jedenfalls gehört, sind Kirchen und Dome und große Gebäude immer mit Blut gebaut worden. Das Blut von einem Unschuldigen, am besten von einem Kind, musste im Mörtel stecken, wenn das Gebäude halten sollte. Vielleicht ist das Aberglaube, doch vielleicht ist das noch immer so. Vielleicht brauchte es erst das Blut meines Vaters, meines unschuldigen Vaters, dass ich hier heimisch werde, dass man mich akzeptiert." Ich lachte laut auf, klopfte ihm auf die Schulter und schüttelt den Kopf. Was er sagte, fand ich verschroben und gruselig aber irgendetwas an seinem Gedanken faszinierte mich, jedenfalls ging er mir nicht aus dem Kopf, ich habe noch Jahre später daran denken müssen. Vielleicht war an dem albernen Aberglauben etwas dran.

    Haben wir es hier tatsächlich mit einer historischen Chronik von fünf Jahrzehnten DDR-Provinz beziehungsweise Ex-DDR zu tun, deren Abbildung den Autor dazu verleitet, seinen Figuren, zumal zum Romanende hin, allerlei zeitdiagnostische Kommentare in den Mund zu legen und zuzumuten? Oder eher mit einer Kunstwelt, die dem leicht verzerrenden Gekränktheits- und Eroberungsbewusstsein Bernhard Habers entspricht?

    Haber lebt, agiert und überholt die Institutionen, als seien Gesetze da um sie zu überrennen und Systeme, um sie zu ignorieren. Die Lehrerschaft der Schule kann ihm so wenig wie die Staatssicherheit und mitten im Sozialismus betreibt er für seine Interessen eine kapitalistische Marktwirtschaft im Kleinen. Den Kegelclub Guldenberger Mittelständler, in den Bernhard Haber aufgenommen wird, könnte es im Schwäbischen so gut gegeben haben – und geben - wie Sächsischen.

    Unser Kegelclub war sozusagen der heimliche Unternehmerverband von Guldenberg, und was sollte da ein Angestellter, der uns nichts helfen konnte und dem wir nicht nützlich waren. Jedem das seine und jeder an seinem Platz, das wusste auch Beuchler und ist vielleicht deshalb bei uns nicht mehr aufgetaucht. Schließlich ging es bei uns nicht darum, ein paar Kegel umzuhauen, wir hatten uns abzustimmen, um der Stadtverwaltung gegenüber nachdrücklicher auftreten zu können und Druck zu machen und gelegentlich hatten wir Erfolg. Natürlich konnten wir mit dem Bürgermeister nicht über die unverschämten Steuern reden, die jeden von uns nötigten, ab und an ohne ein Rechnung zu arbeiten, wenn er nicht Bankrott gehen wollte, denn die Verwaltung lebte zwar von unseren Steuern, aber hatte keinerlei Einfluss darauf, was wir abzuführen und zu erhalten hatten.

    Mag sein, dass es in der DDR solche Kegelclubs gab, mag sein, dass nicht. Die Frage aber ist ein Hinweis auf eine Widersprüchlichkeit im ganzen Wesen dieses Romans, von der gar nicht zu sagen ist, ob sie ihm zum Nachteil oder Vorteil gereicht:

    Landnahme tritt als historische Chronik auf, als Romanwerk in den Spuren Uwe Johnsons und Fontane. Aber sowohl seine historischen Unschärfen als auch seine phantastischen Aufladungen verraten, dass im Autor des Romans ein Kleistianer, ein Kafkaner steckt, der sich gut zu disziplinieren weiß. Christoph Hein ist ein Chronist, der Mysterien umkreist. Und insofern sein neuer Roman eine deutliche poetologische Selbstauskunft.

    Chronik der Mysterien
    Christoph Hein: Landnahme
    Suhrkamp, 250 S., EUR 19,90