Martin ist 18 Jahre alt. Seine schwarzen Haare hält er mit Haargel in Form. Dunkle Augen in einem runden, weichen Gesicht. Ein spärliches Bärtchen zeigt an, dass er die Pubertät bald hinter sich hat. Graues T-Shirt, ausgewaschene Jeans – ein Jugendlicher wie viele andere. Seine Krankheit sieht man Martin nicht an.
Ich bin manisch depressiv, das bedeutet, dass ich in einem Moment quietschfidel bin und im nächsten Moment zutiefst betrübt. Und im Dezember ist dann aufgefallen, dass ich die ganze Zeit nur Party feiern wollte, mitten in der Nacht abgehauen bin und versucht habe, bis nach Köln zu laufen, von Eidhof aus, und mir eingebildet habe, dass ich Jesus bin und solche Sachen. Das war abstrus.
Im Dezember '98 fiel Martins Erkrankung zum ersten mal auf. Seine Mutter hatte gehofft, es seien bloß Drogen im Spiel. Bloß Drogen – das kam ihr nicht so schlimm vor wie eine psychische Erkrankung. Dabei wusste sie damals noch gar nicht, wie schwer es psychisch kranke Kinder und Jugendliche in Deutschland haben. Denn hierzulande herrscht der Notstand in der Kinder und Jugendpsychiatrie. Jedes fünfte Schulkind ist in Deutschland verhaltensaufällig. Aber kaum ein Kind wird psychotherapeutisch behandelt. Das belegt eine Studie der Universität Köln. Es gibt einfach zu wenig Kinder– und Jugendpsychiater. Europaweit liegt Deutschland damit an drittletzter Stelle. Auf 22.800 Kinder- und Jugendliche unter 20 Jahren kommt nur ein Kinder- und Jugendpsychiater. Zum Vergleich: In Schweden beträgt das Verhältnis 1 zu 6000, in Frankreich 1 zu 7700. Dabei ist das Interesse der jungen Mediziner an dem Fach Kinderpsychiatrie durchaus vorhanden, wie Prof. Gerd Lehmkuhl weiß. Er ist Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Köln:
Ich könnte eine ganze Reihe von jungen Kollegen einstellen, wenn die Stellen vorhanden wären. Das heißt unsere nicht sehr vielen Kliniken haben eben auch nur einen begrenzten Personalschlüssel und von daher ist eben auch der Nachwuchs begrenzt.
Wenn schon an den Kliniken Stellen fehlen, dann können auch nicht genug Fachärzte für Kinder- und Jungendpsychiatrie ausgebildet werden. Und die fehlen dann eben auch im niedergelassenen Bereich. Oft muss deshalb der Hausarzt einspringen. Die Kölner Studie zeigt allerdings, dass für die Hausärzte allzu oft die körperlichen Symptome im Vordergrund stehen. Bei Essstörungen beispielsweise, wird die notwendige Psychotherapie erst mal nicht verordnet. Dabei können viele psychischen Erkrankungen in einem frühen Stadium noch erfolgreich behandelt werden. Aber leider muss es oft erst zur Katastrophe kommen, damit endlich etwas passiert.
Nach den Ferien. ... da bin ich noch eine Zeitlang normal geworden. Und dann bin ich zusammengeschlagen worden von einer Gruppe Skinheads. ...Und ab dem Zeitpunkt war wirklich total Ende mit mir, da bin ich total durchgedreht.
Total durchgedreht – da blieb für Martin nur ein Ausweg: Die geschlossene Abteilung der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landeskrankenhauses Bonn. Dort endlich fand er die Behandlung, die er brauchte. Für seine Mutter war das alles ein Schock. Psychisch Krank – das ist in Deutschland immer noch ein Stigma. Gerd Lehmkuhl:
Das mag auch zum Teil daran liegen, dass diese Kinder Außenseiter sind. Und deswegen nicht immer im Interesse stehen. Und die Nöte und die Sorgen der Betroffenen auch von den Beteiligten selber eher auch verheimlicht werden und zurückgehalten werden. Das heißt man spricht ungern darüber, ist eher auch gehemmt mit seinen Schwierigkeiten an die Öffentlichkeit zu gehen, für das gesamte Gebiet psychische Belastungen von Kindern, gibt es leider keine gute Lobby und auch keine öffentliche Meinung dazu.
Ohne Lobby, keine Unterstützung. Und das gilt auch für die Ärzte, die diese Kinder behandeln. Sie sind auf die Hilfe von anderen Fachrichtungen angewiesen: Spieltherapeuten, Heilpädagogen und Sprach- und Psychotherapeuten - sie alle bilden in einer kinderpsychiatrischen Praxis ein Team. Studien haben belegt, dass durch diese Zusammenarbeit die Einweisungsquote in psychiatrische Kliniken von 10 auf unter ein Prozent gesenkt werden kann. Trotzdem ist so ein Therapeutenteam in vielen Praxen einfach nicht finanzierbar. Letztendlich geht das alles zu Lasten der Kinder, die schließlich irgendwann erwachsen werden. Martin hatte Glück und ist in einer therapeutischen Wohngruppe untergekommen. Seine manische Depression hat er mittlerweile im Griff:
Das ist nichts wofür man sich schämen muss. Das ist nichts wofür irgendjemand einem Druck machen kann. Die Gesellschaft wird es zwar immer wieder versuchen den Jugendlichen einfach nur als verrückt abzustellen aber das ist einfach zu simpel aber das ist für die heutige Zeit einfach nicht mehr modern. Das geht nicht mehr, finde ich.
Ich bin manisch depressiv, das bedeutet, dass ich in einem Moment quietschfidel bin und im nächsten Moment zutiefst betrübt. Und im Dezember ist dann aufgefallen, dass ich die ganze Zeit nur Party feiern wollte, mitten in der Nacht abgehauen bin und versucht habe, bis nach Köln zu laufen, von Eidhof aus, und mir eingebildet habe, dass ich Jesus bin und solche Sachen. Das war abstrus.
Im Dezember '98 fiel Martins Erkrankung zum ersten mal auf. Seine Mutter hatte gehofft, es seien bloß Drogen im Spiel. Bloß Drogen – das kam ihr nicht so schlimm vor wie eine psychische Erkrankung. Dabei wusste sie damals noch gar nicht, wie schwer es psychisch kranke Kinder und Jugendliche in Deutschland haben. Denn hierzulande herrscht der Notstand in der Kinder und Jugendpsychiatrie. Jedes fünfte Schulkind ist in Deutschland verhaltensaufällig. Aber kaum ein Kind wird psychotherapeutisch behandelt. Das belegt eine Studie der Universität Köln. Es gibt einfach zu wenig Kinder– und Jugendpsychiater. Europaweit liegt Deutschland damit an drittletzter Stelle. Auf 22.800 Kinder- und Jugendliche unter 20 Jahren kommt nur ein Kinder- und Jugendpsychiater. Zum Vergleich: In Schweden beträgt das Verhältnis 1 zu 6000, in Frankreich 1 zu 7700. Dabei ist das Interesse der jungen Mediziner an dem Fach Kinderpsychiatrie durchaus vorhanden, wie Prof. Gerd Lehmkuhl weiß. Er ist Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Köln:
Ich könnte eine ganze Reihe von jungen Kollegen einstellen, wenn die Stellen vorhanden wären. Das heißt unsere nicht sehr vielen Kliniken haben eben auch nur einen begrenzten Personalschlüssel und von daher ist eben auch der Nachwuchs begrenzt.
Wenn schon an den Kliniken Stellen fehlen, dann können auch nicht genug Fachärzte für Kinder- und Jungendpsychiatrie ausgebildet werden. Und die fehlen dann eben auch im niedergelassenen Bereich. Oft muss deshalb der Hausarzt einspringen. Die Kölner Studie zeigt allerdings, dass für die Hausärzte allzu oft die körperlichen Symptome im Vordergrund stehen. Bei Essstörungen beispielsweise, wird die notwendige Psychotherapie erst mal nicht verordnet. Dabei können viele psychischen Erkrankungen in einem frühen Stadium noch erfolgreich behandelt werden. Aber leider muss es oft erst zur Katastrophe kommen, damit endlich etwas passiert.
Nach den Ferien. ... da bin ich noch eine Zeitlang normal geworden. Und dann bin ich zusammengeschlagen worden von einer Gruppe Skinheads. ...Und ab dem Zeitpunkt war wirklich total Ende mit mir, da bin ich total durchgedreht.
Total durchgedreht – da blieb für Martin nur ein Ausweg: Die geschlossene Abteilung der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landeskrankenhauses Bonn. Dort endlich fand er die Behandlung, die er brauchte. Für seine Mutter war das alles ein Schock. Psychisch Krank – das ist in Deutschland immer noch ein Stigma. Gerd Lehmkuhl:
Das mag auch zum Teil daran liegen, dass diese Kinder Außenseiter sind. Und deswegen nicht immer im Interesse stehen. Und die Nöte und die Sorgen der Betroffenen auch von den Beteiligten selber eher auch verheimlicht werden und zurückgehalten werden. Das heißt man spricht ungern darüber, ist eher auch gehemmt mit seinen Schwierigkeiten an die Öffentlichkeit zu gehen, für das gesamte Gebiet psychische Belastungen von Kindern, gibt es leider keine gute Lobby und auch keine öffentliche Meinung dazu.
Ohne Lobby, keine Unterstützung. Und das gilt auch für die Ärzte, die diese Kinder behandeln. Sie sind auf die Hilfe von anderen Fachrichtungen angewiesen: Spieltherapeuten, Heilpädagogen und Sprach- und Psychotherapeuten - sie alle bilden in einer kinderpsychiatrischen Praxis ein Team. Studien haben belegt, dass durch diese Zusammenarbeit die Einweisungsquote in psychiatrische Kliniken von 10 auf unter ein Prozent gesenkt werden kann. Trotzdem ist so ein Therapeutenteam in vielen Praxen einfach nicht finanzierbar. Letztendlich geht das alles zu Lasten der Kinder, die schließlich irgendwann erwachsen werden. Martin hatte Glück und ist in einer therapeutischen Wohngruppe untergekommen. Seine manische Depression hat er mittlerweile im Griff:
Das ist nichts wofür man sich schämen muss. Das ist nichts wofür irgendjemand einem Druck machen kann. Die Gesellschaft wird es zwar immer wieder versuchen den Jugendlichen einfach nur als verrückt abzustellen aber das ist einfach zu simpel aber das ist für die heutige Zeit einfach nicht mehr modern. Das geht nicht mehr, finde ich.