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CIA-Agenten und Stasi-Spitzel

Das Stasi-Drama "Wir wollten aufs Meer" ist eine spannend inszenierte Zeitreise in die jüngere deutsche Vergangenheit. Dagegen kommt die Fortsetzung der "Bourne-Triologie" ohne Matt Damon leider eher enttäuschend daher.

Von Jörg Albrecht | 12.09.2012
    "Ihr seid neu hier, ja? … Der Verrückte da und ich wollen bei der Reederei anheuern. – Jetzt komm! Wir sehen uns in Havanna. ..."

    Wie weit wirst du gehen? Was bist du bereit zu tun für deinen großen Traum? Fragen, mit denen sich die Hafenarbeiter Conny und Andreas konfrontiert sehen und die sie in einen moralischen Konflikt geraten lassen. Die beiden Freunde wünschen sich nichts sehnlicher, als eines Tages aus dem Überseehafen Rostock auslaufen zu können. Diesen Wunsch bringt Regisseur Toke Constantin Hebbeln schon im Titel seines Films zum Ausdruck: "Wir wollten aufs Meer".

    Es ist das Jahr 1982, die DDR-Handelsmarine die einzige Chance, jemals etwas von der Welt zu sehen. Doch der Traum von fernen Ländern ist gekoppelt an einer speziellen Dienstleistung, die Conny und Andreas erbringen sollen. Auftraggeber: die Staatssicherheit. Bespitzeln sollen die Zwei den Leiter ihrer Arbeitsbrigade. Der steht im Verdacht, seine Republikflucht vorzubereiten. Während Conny es kategorisch ablehnt, Handlanger der Stasi zu sein, lässt sich Andreas auf den schmutzigen Handel ein.

    "Du hast Matze verraten. ... Wir kommen nicht mehr raus. Nie mehr.. ... Du hast es versaut. Nicht ich."

    Das Ende der Freundschaft zwischen Conny und Andreas markiert nur den Auftakt zu einer zwar fiktiven, aber dennoch sehr realen Geschichte. Wie in "Das Leben der Anderen" oder erst kürzlich in Christian Petzolds "Barbara" wird auch hier eindringlich ein Unrechtssystem mit seinen perfiden Methoden beschrieben. Dabei verliert Toke Constantin Hebbeln nie die menschliche Ebene der beiden von Alexander Fehling und August Diehl hochemotional gespielten Protagonisten aus den Augen. "Wir wollten aufs Meer" ist eine gut recherchierte, detailgenaue und spannend inszenierte Zeitreise in die jüngere deutsche Vergangenheit und unbedingt empfehlenswert.

    Unbedingt empfehlenswert

    "Sie können mir also nicht sagen, warum Sie hier sind? – Nein. Aber ich habe eine Idee hier in Auschwitz. – Diese vorhandene Wirklichkeit reicht Ihnen nicht oder was? ..."

    Nach dem Tod ihrer Mutter Marlis ist Lena nach Auschwitz gefahren. Dort will sie Antworten auf ihre Fragen finden. Fragen, die mit der Vergangenheit eines Freundes ihrer Mutter zu tun haben, der als Kind bis 1944 in Polen gelebt hat. "Bittere Kirschen" heißt diese Spurensuche nach Judith Kuckarts Roman "Lenas Liebe", die zu einem Diskurs über die Bedeutung von Auschwitz wird und den schwierigen Umgang mit der deutschen Geschichte.

    "Diese Vitrinen z. B. mit den Haaren finde ich unglaublich. ... Die sind völlig harmlos. Geht man näher ran, riechen sie zitronenfrisch nach Glasreiniger. … Das sagen Sie doch jetzt nur, weil Sie Ihre eigene Aufgebrachtheit für eine Erkenntnis halten."

    Derart gestelzten Dialogen vermögen selbst die besten Schauspieler kein Leben mehr einzuhauchen. Und die spröde Inszenierung verstärkt noch den Eindruck, dass die nicht uninteressanten Ansichten wirkungslos verpuffen. Verhoben hat sich Regisseur Didi Danquart allein schon mit dem prätentiösen Titel seines Films. "Bittere Kirschen" ist angelehnt an "Wilde Erdbeeren". Doch verglichen mit Ingmar Bergmans vielschichtigem Meisterwerk über das Erinnern und das Resümee eines Lebens ist "Bittere Kirschen" enttäuschend.

    enttäuschend

    "Nadrensee, Mecklenburg-Vorpommern, 26. Juni 2011. ..."

    Ortsbegehung auf einem Feld in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze. 19 Jahre nachdem ein Landwirt dort die Leichen von zwei rumänischen Männern entdeckt hat.

    "Von da sind wir gekommen. Aus der Richtung. Dann sind wir ausgestiegen aus dem Mähdrescher. Und dann lagen sie eben da. ..."

    Eine weitere Spurensuche. Der Dokumentarfilmer Philip Scheffner rekonstruiert die Umstände, die zum Tod der beiden Rumänen geführt haben. Ein Fall, der zwar juristisch abgeschlossen ist, der aber weiter viele Fragen aufwirft. Scheffner verknüpft in seiner filmischen Revision Zeugenaussagen und Ermittlungsakten mit zahlreichen Interviews zu der bewegenden Chronik einer Tragödie, die sowohl eine menschliche als auch eine politische Dimension hat. Denn "Revision" erzählt von Europa, von Fremdenfeindlichkeit und von Menschenwürde. Eine empfehlenswerte Dokumentation.

    empfehlenswert

    "Jason Bourne war nur die Spitze des Eisbergs. – Das ist Aaron Cross. ... Wie viele von uns gibt es? – Du stellst zu viele Fragen."

    Zum Abschluss noch "Das Bourne Vermächtnis". Das Erbe von Matt Damon alias Jason Bourne tritt in diesem Film der Schauspieler Jeremy Renner an. Sein Agent stammt aus dem Nachfolgeprogramm der CIA und ist noch leistungsfähiger als sein Vorgänger. Was ihn umso gefährlicher macht, als das Programm beendet und er eliminiert werden soll. Die bewährten Zutaten also in einer Reihe, deren erste drei Folgen sich durch gradlinige Action ausgezeichnet haben. Die hat dieser eher müde und vorhersehbare Neuaufguss nicht zu bieten. Und so ist Tony Gilroys "Das Bourne Vermächtnis" eher enttäuschend.

    enttäuschend