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CIA-Agenten wegen Entführung verurteilt

Sie waren an der Verschleppung des radikalislamischen Imams von Mailand Abu Omar beteiligt: CIA-Agenten und Mitarbeiter des italienischen Geheimdienstes. Nun wurden sie zu Haftstrafen zwischen drei und acht Jahren verurteilt.

Von Kirstin Hausen |
    Der Ägypter Abu Omar wurde am 17. Februar 2003 von Männern auf der Straße gepackt und in einen Lieferwagen gezerrt. Abu Omar hatte in Italien politisches Asyl erhalten, weil er nach eigenen Angaben als Mitglied der radikal islamischen Moslembruderschaft in seinem Heimatland verfolgt wurde. Der amerikanische Geheimdienst CIA verdächtigte den Ägypter der Zusammenarbeit mit dem Terrornetz El Kaida.

    Die Männer, die ihn entführten, waren CIA-Agenten, wie sich im Laufe der gerichtlichen Untersuchungen in Mailand herausstellte. Der ehemalige italienische Europaabgeordnete und Rechtsexperte Claudio Fava hat den Prozess mitverfolgt.

    "Die Geschichte von Abu Omar ist die Geschichte eines Mannes, der von den Amerikanern verdächtigt wird, den internationalen Terrorismus zu unterstützen, und der deshalb der italienischen Justiz entzogen wird, um in Ägypten verhört zu werden. Das ist das Gegenteil von dem, was in einem Rechtsstaat passieren darf."

    Die Wellen schlugen hoch. Die italienische Öffentlichkeit reagierte empört, als dann auch noch die Teilnahme italienischer Geheimdienstagenten an der Entführung bekannt wurde. Im Juni 2007 erhob die Mailänder Staatsanwaltschaft Anklage gegen den damals amtierenden Chef des italienischen Militärgeheimdienstes Sismi, Nicolo Pòllari, und dessen Stellvertreter.

    "Bei der Terrorismusbekämpfung sind in den vergangenen Jahren die Grundrechte viel zu oft umgangen worden. Dieser Prozess bestätigt, dass die Entführung eines Menschen immer eine Straftat ist, auch wenn sie von Agenten der CIA oder von Geheimdiensten eines europäischen Landes durchgeführt wird."

    Zwei Jahre dauerte der Prozess, aber mehr als einmal war seine Fortführung fraglich. Die Staatsanwaltschaft geriet bereits bei den Vorermittlungen zum Prozess unter politischen Druck. Die Regierung von Silvio Berlusconi dementierte schon im Sommer 2004, als der Fall bekannt wurde, dass sie etwas von den illegalen Aktionen der CIA in Mailand gewusst habe.

    "Dieser Prozess war möglich, weil wir in Italien eine unabhängige Justiz haben. Wenn der Staatsanwalt von der Exekutive abhinge, wäre es niemals zu einem Prozess gekommen, weil die Regierungen, egal welcher politischen Richtung, alles getan haben, um den Prozess zu behindern."

    Um das Gerichtsverfahren ohne Urteil zu beenden, beriefen sich sowohl Regierungschef Silvio Berlusconi als auch der von 2006 bis 2008 amtierende Ministerpräsident Romano Prodi, Chef einer Mitte-Links-Koalition, auf das Staatsgeheimnis. Damit durften die Staatsanwälte einen Teil der brisanten Informationen im Strafverfahren nicht mehr verwenden. Doch zwischenzeitlich war der Europarat auf den Fall Abu Omar aufmerksam geworden und verlangte eine Untersuchung. Als Sonderermittler wurde der Schweizer Jurist Dick Marty eingesetzt. Er hat sich die Beweise, die die Staatsanwaltschaft in Mailand gesammelt hat, angesehen.

    "Ich habe diese Akten angeschaut und da habe ich plötzlich die vollendete Überzeugung gehabt, das ist keine Einzeltat, es gibt eine Technik, Logistik, eine perfekte Organisation."

    Das System der illegalen Verschleppung von Terrorismusverdächtigen nach Osteuropa oder Nordafrika kam durch den Marty-Bericht des Europarates in seiner ganzen Tragweite ans Licht der Öffentlichkeit.

    "Diese ganzen Operationen wurden gleich nach den Attentaten von 11. September entschieden. Jedenfalls wurde entschieden, dass die CIA diese Aktion führte, dass die Länder zusammengearbeitet mit dem militärischen Geheimdienst hätten. Und das Ganze sollte auf die höchste Stufe der Geheimhaltung gesetzt werden. Das heißt, die Regierungen insgesamt waren nicht informiert, nur wenige Leute, nur das Notwendige."

    Heute sind die fragwürdigen Praktiken des US-Geheimdienstes im Kampf gegen den Terror, wie sie die Regierung Bush guthieß, hinlänglich bekannt und mit Barack Obama sitzt ein neuer Präsident im Weißen Haus. Trotzdem hat der Fall Abu Omar die Beziehungen zwischen Italien und den USA belastet. Der Historiker und Geheimdienstexperte Giuseppe de Lutiis sieht den Ball jetzt bei den Amerikanern.

    "Die USA sind es, die einen klaren Strategiewechsel kommunizieren müssen. Die Geheimdienste haben natürlich kein Interesse daran, ihr Wissen preiszugeben."

    Bisher scheint jedoch auch unter Obama der politische Wille zu fehlen, der eine lückenlose Offenlegung des CIA-Geheimprogramms ermöglichen würde. Die amerikanischen Medien berichten ausführlich über das Urteil, das alle angeklagten CIA-Agenten schuldig spricht. Nur zwei Botschaftsmitarbeiter entgehen wegen ihres Diplomatenstatus einer Verurteilung. Staatsanwalt Armando Spatàro ist zufrieden mit dem Ausgang des Prozesses, obwohl die italienischen Geheimdienstler wegen des geltenden Staatsgeheimnisses nicht verurteilt werden konnten.

    "Die italienischen Angeklagten sind nicht freigesprochen worden. Das heißt, wir konnten auch gegen sie genug Beweise vorlegen."