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Ciao Festa dell'Unità

Bis in die 80er Jahre hinein wurde die kommunistische Partei Italiens noch von einem Viertel der Bevölkerung gewählt. In dieser Zeit waren zumindest in den "roten" Regionen Toskana, Marche und Emilia Romagna die "Feste dell'Unita", die Sommerfeste der italienischen Linken, politische und kulturelle Veranstaltungen in einem. Doch die Zeiten haben sich geändert. Peter Meisenberg hat ein Sommerfest im toskanischen Dorf Lamporecchio besucht.

03.09.2008
    Das Sommerfest im toskanischen Dorf Lamporecchio heißt in diesem wie in den letzten 60 Jahren und immerhin mehr als 15 Jahre nach dem Ende der Kommunistischen Partei PCI: "Festa dell'Unita", - Fest der kommunistischen Parteizeitung "Unità".

    Es gebe jetzt den Vorschlag, das Fest "Festa Democratica" zu nennen, sagt Annina Bertorelli, Büroangestellte und früheres PCI-Mitglied. Aber die Erinnerung an die "Festa dell'Unità" bleibe und dass damit einmal die Parteizeitung unterstützt wurde. Dieses Jahr wolle man den Namen noch nicht ändern, um noch einmal an die Herkunft zu erinnern.

    Es ist allerdings das letzte Mal, dass das Sommerfest in Lamporecchio "Festa dell'Unità" heißt. Vom nächsten Jahr an wird es, nachdem die meisten Überreste der Kommunistischen Partei in den "Partito Democratico" aufgegangen sind, auch landesweit in "Festa Democratica" umbenannt.

    Damit geht ein Kapitel politischer Kultur nicht nur in Lamporecchio, sondern in ganz Italien zu Ende. Bis in die 80er Jahre hinein, als der PCI noch von einem Viertel der italienischen Bevölkerung gewählt wurde, waren zumindest in den "roten" Regionen Toskana, Marche und Emilia Romagna die "Feste dell'Unita" politische und kulturelle Veranstaltungen in einem. Da erschienen auf jeder Festa neben der nationalen politische Prominenz auch berühmte Schauspieler, Schriftsteller, Filmregisseure, kletterten mit aufs Podium diskutierte mit den Genossen. Immerhin verstand sich bis in die späten 70er Jahre fast die gesamte nationale Kultur Italiens als Teil des kommunistischen Milieus.

    Heute sind aus diesen "Feste dell'Unità" ganz normale Volkfeste geworden, bei denen selbst die Bücherstände ein Kümmerdasein führen.

    Die politische Ideologie habe sich radikal geändert, sagt Alberto Gardella. Heutzutage gelte bloß noch das eigene Interesse - die kommunistische, solidarische Auffassung sei verschwunden.

    Auch Alberto Gardella war früher in der Kommunistischen Partei. Jetzt steht er wie die meisten Genossen in Lamporecchio dem "Partito Democratico" - PD - nahe und sitzt für ihn im Stadtrat.

    Der PD war 2007 vom früheren römischen Bürgermeister Walter Veltroni als Auffangbecken für die linken Parteien gegründet worden. Eine wirklich starke Kraft, mit der sich ihre linken Anhänger identifizierten, ist jedoch nicht daraus geworden:

    In Italien ist nicht nur der "Berlusconismo" entstanden, meint Alberto Gardella. Auch die Linke habe sich verändert. Er sei kein Veltroni-Anhänger. Denn er verstehe Veltronis Polemik nicht, wenn er sage, er habe sich für die Linke geschämt. Die Kommunisten hätten doch mitgewirkt, dem Land zu einem gewissen Wohlstand zu verhelfen - oder hätten sie hier etwa russische Verhältnisse geschaffen?

    So zerrissen wie Alberto Gardella sind heute viele frühere Anhänger des italienischen Kommunismus - wie der Linken überhaupt. Und so resigniert. Denn mit dem politischen Kommunismus scheint auch eine der Quellen linken Denkens, die kommunistische Subkultur zu verschwinden, die im katholischen Italien 30, 40 Jahre lang eine echte Gegenwelt darstellte. Immerhin war die Partei Antonio Gramscis die einzige, die je versucht hat, eine Gesellschaft vom "Überbau" her, also auch durch die Kultur, umzuwälzen.

    Zu dieser Subkultur gehörten nicht nur die "Feste dell'Unità". Das Fundament der linken Gegenwelt stellten die "case del popolo" - die "Volkshäuser", dar. Das waren zehntausende übers ganze Land verstreute gemeinschaftlich betriebene Cafés, in denen sich die Genossen zu Vorträgen und anderen kulturellen Veranstaltungen trafen, um zu diskutieren ihre Freizeit zu verbringen oder manchmal auch nur, um Karten zu spielen. - Heute wird hier nur noch Karten gespielt.

    Die "case del popolo" verschwinden, sagt Alberto Gardella, weil es immer weniger Leute gibt, die das freiwillig machen. Die Jungen gehen lieber in Pubs oder Discos. Die Kundschaft hier sind fast nur alte Leute. - Es war eine Kultur. Wo die jetzt zu Ende geht, geht auch der Kommunismus zu Ende.