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Clara Schumann-Ausstellung
Eine moderne Frau

Als gefeierte Pianistin tourte Clara Schumann durch ganz Europa. Daneben war sie seit 1878 „Erste Klavierlehrerin“ am Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt. Bis zu ihrem Tod wirkte Clara Schumann in der Mainmetropole. Das Frankfurter Institut für Stadtgeschichte beleuchtet diese Lebensphase jetzt in einer Ausstellung.

Von Ursula Böhmer | 22.04.2019
    Porträt von Clara Schumann
    Clara Schumann hatte ihrem Mann Robert als Pianistin den Rang abgelaufen (imago/United Archives )
    Ein pausbäckiges Gesicht zu blondem Haar - ernst, aber selbstbewusst schaut das Kind Clara direkt in die Augen des Betrachters. Die Miniatur wurde für die Frankfurter Schau "Clara Schumann - eine moderne Frau im Frankfurt des 19. Jahrhunderts" abfotografiert und vergrößert auf die Text- und Bilderstrecke kopiert, die rings um den Ausstellungsraum gehängt ist. Mit 12 war Clara Schumann, die damals noch Wieck hieß, das erste Mal in Frankfurt, während einer Konzertreise. Der Vater mochte das vermeintlich "seelenlose" Frankfurter Publikum nicht. Aber die Tochter bekam immerhin gute Kritiken, erläutert Ulrike Kienzle, Kuratorin der Schau.
    "Ein Zitat aus der Frankfurter Zeitung, die einfach schreibt: Eine wunderhafte Erscheinung und ein kindlich-unbefangenes Naturwesen hat in der 12-jährigen Clara Wieck alle kunstempfänglichen Gemüter überrascht!"
    "Madame Schumann darf ich hier wohl als Mann rechnen!"
    Auch als Erwachsene gab Clara Schumann immer wieder Konzerte in Frankfurt – bevor sie sich ab 1878 dauerhaft in der Mainmetropole niederließ. Nach dem psychischen Zusammenbruch Robert Schumanns, seiner Einweisung in die Nervenheilanstalt in Bonn-Endenich und seinem frühen Tod hatte Clara Schumann ihre kinderreiche Familie über Wasser halten müssen und war als Klaviervirtuosin quer durch Europa gereist. Nun suchte sie nach mehr Ruhe und nahm in Frankfurt die Stelle als "Erste Klavierlehrerin" am neu gegründeten Dr. Hoch’s Konservatorium an. Als Frau blieb sie allerdings vorerst eine Ausnahme. Als sich nach ihr noch eine Lehrerin bewarb, konterte der damalige Direktor Joachim Raff:
    "Er sagte, es wird keine Frau im Konservatorium angestellt und fügte hinzu: Madame Schumann darf ich hier wohl als Mann rechnen!"
    Clara Schumann wusste sich auch gut zu verkaufen und handelte mit Joachim Raff besondere Arbeitsbedingungen aus. Ulrike Kienzle:
    "Sie brauchte vier Monate Urlaub im Jahr. Sie wollte eineinhalb Stunden Unterricht am Tag geben und das in ihrem eigenen Haus, nicht im Konservatorium. Zusätzlich noch die Freiheit, sich die Schüler selbst auszusuchen und auch noch kürzere Reisen zwischendurch zu unternehmen, wenn Konzerte waren."
    Im Frankfurter Westend hatte Clara Schumann Quartier bezogen, in der Myliusstraße, die ihre Schüler schon bald als "Tränen- und Seufzerallee" bezeichneten. Denn, so Kuratorin Kienzle:
    "Wir wissen von vielen Schülerinnen auch, dass sie eine unglaublich strenge und manchmal auch vernichtende Kritikerin war. Sie selber hat das so begründet, dass sie sagt: Sie hätte an ihrem Vater ein sehr gutes Vorbild gehabt und es sei für eine junge Künstlerin das Schlimmste, was ihr passieren könnte, immer nur gelobt zu werden! Das heißt, sie hat auch ein bisschen Nerventraining durchgeführt!"
    Großartige Komponistin und begnadete Netzwerkerin
    An Medienboxen kann man in der Frankfurter Schau historische Aufnahmen von Clara Schumanns Schülern abrufen und zudem nachhören, was für eine großartige Komponistin sie war: Zu ihrem lang vergessenen Oeuvre zählt auch ein Klavierkonzert, das sie schon mit 14 Jahren schrieb.
    Auch für ihre Schüler knüpfte Clara Schumann wichtige Netzwerke bei musikalischen Abendgesellschaften, zu denen sie die einflussreichsten Bürger und Mäzene Frankfurts einlud. In einer Zeit, in der der Antisemitismus auch in Musikerkreisen salonfähig war, hatte Clara Schumann viele jüdische Freunde und war zudem in anderer Hinsicht tolerant. Denn in der Myliusstraße lebte auch die Lebensgefährtin ihrer Tochter Eugenie.
    "Clara Schumann war in dieser Hinsicht offenbar auch gar nicht prüde", meint Kuatorin Ulrike Kienzle. "Eugenie und Marie Fillunger, eine wunderbare Sopranistin, haben sich ineinander verliebt und das war selbstverständlich, dass Marie Fillunger mit in das Frankfurter Haus in der Myliusstraße zog!"
    Die Schicksale von Clara Schumanns insgesamt acht Kindern bilden einen Schwerpunkt in der Frankfurter Ausstellung. Darunter das ihres zweiten Sohnes Ludwig, der wie sein Vater offenbar an Schizophrenie litt. In Frankfurt holte sich Clara Schumann Rat bei dem renommierten Psychiater Heinrich Hoffmann.
    "Heinrich Hoffmann, der Autor des "Struwwelpeter", war damals ja Leiter der Anstalt für Irre und Epileptische hier in Frankfurt! Das war ein Vorzeige-Institut, ein ganz neu gebautes Haus, was im Volksmund als "Irrenschloss" bekannt war, aber mit wunderbaren Gartenanlagen und einer sehr humanen Leitung. Und Heinrich Hoffmann hat sehr klar gesehen, dass an diesem jungen Mann eigentlich nichts zu retten ist!"
    Clara Schumann ließ ihren Sohn schließlich nicht in Hoffmanns Institut einweisen, sondern weit von Frankfurt entfernt. Im sächsischen Colditz starb Ludwig 1899. Tragisch auch das Schicksal von Clara Schumanns jüngstem Sohn Felix. Der begabte Geiger zog sich eine Tuberkulose zu und starb mit nur 24 Jahren in Frankfurt. Felix Patenonkel war Johannes Brahms. Der langjährige Familienfreund war immer ein gern gesehener Gast bei Clara Schumann. Ulrike Kienzle:
    "Sie war seine beste Ratgeberin und seine kompetenteste Ratgeberin. Er hat auch Claras Schülerinnen beim Üben über die Schulter geschaut, hat zum Beispiel Claras Lieblingsschülerin Ilona Eibenschutz sehr gefördert und Ilona Eibenschutz wurde ja auch eine der begnadetsten Interpretinnen von Brahms Klavierschaffen."
    Der Regenschirm von Franz Liszt
    Auch Franz Liszt soll Clara Schumann in Frankfurt über den Weg gelaufen sein. Ob sie sogar mal vierhändig gespielt haben, wie behauptet wird, ist allerdings nicht erwiesen. Unterschiedlicher hätten die beiden Klaviervirtuosen ohnehin nicht sein können, erläutert die Kuratorin der Frankfurter Ausstellung.
    "Während Liszt meistens mehrere Saiten durchschlug beim Konzertieren, ist das Clara Schumann eher selten passiert. Von ihr weiß man, dass sie das Instrument gestreichelt hat, liebevoll gekost hat. Und diese Ästhetik hat sie auch an ihre Schüler weitergegeben!"
    Ein Regenschirm von Franz Liszt liegt in einer der Glasvitrinen der Frankfurter Schau. Eine der eher skurrilen Beigaben, die aus der musikhistorischen Sammlung eines Frankfurter Weinhändlers stammen. Historische Stadtkarten und Bilder vermitteln zudem viel von der Atmosphäre in der kulturell aufgeschlossenen Bürgerstadt Frankfurt. Insgesamt 18 Jahre lang genoss Clara Schumann ihr Leben in Frankfurt. Am 20. Mai 1896 starb sie, an den Folgen eines Schlaganfalls.
    "Am übernächsten Tag versammelte sich die Honoratiorenschaft, Oberbürgermeister Adickes und alles, was Rang und Namen hatte, zu einer Trauerfeier. Und der Einzige, der nicht da war, war Brahms", erzählt Ulrike Kienzle. "Denn er hatte sich im Fahrplan geirrt und saß im falschen Zug! Aber wiederum zwei Tage später, als Clara Schumann dann in Bonn an der Seite ihres Mannes beerdigt wurde, da warf Brahms eben seine drei Schaufeln Erde ins Grab und neun Monate später starb auch er. Es war schon eine symbiotische und sehr intensive Beziehung zwischen den beiden."
    Clara Schumann: Eine moderne Frau im Frankfurt des 19. Jahrhunderts
    Ausstellung im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main. Noch bis 26. Januar 2020, Mo–Fr 10–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr