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Claus Leggewie
"Die Aufstiege der Populisten haben in Europa den Zenit erreicht"

Bei Vielen in den USA und in Europa sei Vertrauen in die Politik enttäuscht worden, wodurch Ressentiments wachsen würden, so der Politologe Claus Leggewie im Dlf. Diese emotionale Komponente in der Politik sei nur schwer einzufangen und berge weltweit ein Risiko. Für den scheidenden Direktor des Kulturwissenschaftliches Instituts Essen habe allerdings der Aufstieg der Populisten in Europa den Zenit erreicht.

Claus Leggewie im Gespräch mit Karin Fischer | 04.06.2017
    Der Essener Politikwissenschaftler Claus Leggewie am 25. Februar 2015
    Der Essener Politikwissenschaftler Claus Leggewie am 25. Februar 2015 (dpa / picture alliance / Marcel Kusch)
    Derzeit zeige sich nicht nur in Amerika, sondern weltweit, "dass sich die Versprechen des Wohlfahrtstaates, der Sicherheit, überhaupt der Nationen, dass die nicht mehr eingelöst gelten bei vielen". Es sei Vertrauen durch die Politik enttäuscht worden und dadurch würden Ressentiments, Hass, Zorn und Wut wachsen. "Das bringt eine emotionale Komponente in die Politik, die ganz, ganz schwer durch eine Affektkontrolle des Politischen noch einzufangen ist." Darin bestehe nicht nur in den USA, sondern weltweit ein Risiko.
    Des Weiteren zeigte sich Leggewie überzeugt, dass der Aufstieg der Populisten nicht nur aufgehalten werden könnte, sondern zumindest in Europa den Zenit erreicht habe. Das habe sich im vergangenen Jahr in Österreich, aber auch in Frankreich und sogar in der Türkei gezeigt. So habe der neue französische Präsident Emmanuel Macron einen für den Politologen wichtigen Satz geäußert: "Ich möchte Lust auf Zukunft machen." So etwas habe in den letzten Jahren in Deutschland gefehlt. Die Politik der Bundesrepublik Deutschland müsse sich ändern, so Leggewie. "Die Art und Weise wie wir die Eurokrise gemanaged haben, wie wir auch im Blick auf Europa die Stimmung der Alternativlosigkeit erzeugt haben, die ist zuletzt natürlich mitschuldig an dieser Enttäuschungsreaktion in Gestalt des Populismus."
    Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, aus dem Klimaabkommen auszusteigen, gebe es nun "vollmundige Erklärungen", wonach sich Europa mit neuen Partnern unabhängig machen werde, so Leggewie. Das sei zwar wünschenswert, "das möchte ich aber auch erst einmal noch sehen, weil auch die Bundesrepublik Deutschland mit ihren Verpflichtungen der Emissionsreduzierung weit hinter dem Plan zurückliegt", so der scheidende Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen (KWI).
    Abschied ohne Ende
    Zehn Jahre lang leitete der Politikwissenschaftler Claus Leggewie das Kulturwissenschaftliche Institut in Essen, nun nimmt er seinen Abschied. Gegründet wurde das Institut 1989 auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau. Dort laufen soziologische, kulturwissenschaftliche und politikwissenschaftliche Forschungen zusammen, gebündelt in Arbeitsschwerpunkten wie Erinnerungskultur, Interkultur oder Klimakultur. Leggewie habe dort sehr gute Erfahrungen gemacht, ein sehr gutes Betriebsklima erlebt und "fröhliche Wissenschaft betrieben", sagte er. Nach seinem Abschied könne er auch gut ohne die Institution weitermachen. Er übernimmt an der Universität Gießen eine Senior-Professur.
    Aus Anlass des Abschieds von Institutsdirektor Claus Leggewie fragte jetzt ein kulturwissenschaftliches Symposium: "Zurück zur Wirklichkeit? Wahrheitssuche im postfaktischen Zeitalter". Dabei ging es auch ums Klima. Im Gespräch mit Karin Fischer zieht Claus Leggewie Bilanz, über seine Zeit am KWI in Essen und über die Tagung.