Archiv


Clement spielt Beethoven

Ludwig van Beethovens Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 gilt heute als ein Höhepunkt seiner Gattung. Dabei war es nach seiner Uraufführung in Wien vor 200 Jahren zunächst für Jahrzehnte in der Versenkung verschwunden. Und das nicht nur, weil das für den Violinvirtuosen Franz Clement komponierte Werk hohe Anforderungen an den Solisten stellt.

Von Götz Bolten |
    Ähnlich wie bei einer hochbetagten Jubilarin, die mehrmals geliftet und chirurgisch-kosmetisch verarztet wurde, so steht es um Ludwig van Beethovens einziges Violinkonzert. Die ursprünglichen Zeichen der Jugendfrische sind auch hier nur schwer zu erkennen. Das Meisterwerk wurde mindestens dreimal verändert und wird heute in der Fassung letzter Hand gespielt, man hört also nicht, was anlässlich der Uraufführung gegeben wurde.

    Als am 23. Dezember 1806 das Konzert für Violine und Orchester im Theater an der Wien zum ersten Mal erklang, spielte der damals sehr prominente Geiger Franz Clement die äußerst spät abgelieferte Partitur - angeblich ohne Probe vom Blatt.

    "Man empfing besonders Klements bewährte Kunst und Anmut mit lärmendem Bravo. Der gebildeten Welt fiel allerdings auf, wie Klement sich zu manchen Schnacken und Possen herabwürdigen konnte."

    Zum Beispiel, dass er die Violine beim Spielen umdrehte. Trotzdem oder auch deswegen hatte er großen Anteil am Uraufführungserfolg des Werkes. Allerdings störte manches, das heute als Qualität der Komposition gilt, die Zeitgenossen.

    Beethoven arbeitete durchaus mit symphonischen Mitteln und schrieb kein reines Virtuosenstück. Er sorgte deshalb auch für die Gleichberechtigung von Soloinstrument und Orchester, das die elegisch ausschweifende oder übermütig tändelnde Violine immer wieder in eine strenge Formation zwingt. Zudem ließ der Reichtum musikalischer Ideen die Wiener allzu oft die klare Gliederung von Haupt- und Nebenthema vermissen. So bemängelte man:

    "Dass jeder, der nicht genau mit den Regeln der Kunst vertraut ist, schlechterdings gar keinen Genuss findet, sondern durch einen fortwährenden Tumult einiger Instrumente zu Boden gedrückt wird."

    Beethoven beherzigte die Kritik und änderte. Er konnte sich in dieser Zeit Exzentrik nicht leisten. Seine wirtschaftliche Lage war weder gesichert noch üppig. Das geht aus einem Brief hervor, verfasst an die "hochlöbliche Hof-Theatral-Direktion", in dem er erstens eine jährlich zu komponierende große Oper anbot und zweitens:

    "Macht sich derselbe anheischig, jährlich eine kleine Operette oder ein Divertissement, Chöre oder Gelegenheitsstücke nach Verlangen zu liefern."

    Das heute als ein Höhepunkt seiner Gattung gepriesene Werk versank für Jahrzehnte und gehörte nicht zum Repertoire. Erst der dreizehnjährige Joseph Joachim - unter dem Dirigat von Felix Mendelssohn 1844 in London - verhalf dem Violinkonzert zum Durchbruch, das heute, mit seinen französischen Anklängen und italienisch beeinflusster Streichertechnik, als ein Spiegel der unheroisch-empfindsamen Seite eines Komponisten fasziniert.

    Milder, sinnender Ernst, nachdenkliche Beschaulichkeit, lyrische Tiefe, verbunden mit Glanz und Heiterkeit - das alles fanden nachfolgende Generationen in diesem Werk. Sie hoben es auf eine Niveau, das Beethovens Zeitgenossen noch nicht wahrnehmen konnten.