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Cleopatra im Herrgottswinkel

Zurzeit löst Cleopatra Jesus auf der Bühne des Oberammergauer Passionstheaters ab. Statt biblischen Themen gibt es dort zum ersten Mal ein Shakespeare-Stück zu sehen. "Antonius und Cleopatra" liefert Christian Stückl, Regisseur der Passionsspiele, Steilvorlagen für sehr beeindruckende Bühneninszenierungen.

Von Sven Ricklefs | 14.07.2012
    "Einen schönen guten Abend, ich freue mich, dass wieder so zahlreich die Leut kömma sind, zu unserer Premiere von Antonius und Cleopatra. 300 Oberammergauer. 300 Oberammergauer, junge Leut, ältere Leut, Chor, Orchester haben jetzt sechs Wochen lang geprobt, und jetzt san ma gespannt, wie es euch gefallt."

    Es ist diese unverstellte und fast naiv, auf jeden Fall aber berückend wirkende Unmittelbarkeit, diese Begeisterungsfähigkeit, mit der Christian Stückl, das was er tut immer wieder seinem Publikum zu vermitteln sucht. Sei es in seinem Volkstheater, sei es bei seinem Festival "Radikal jung" oder sei es in "seinem" Oberammergau. Dass man nun hier neben den Passionsspielen auch im Jahresrhythmus Aufführungen zeigt und dafür sogar im letzten Jahr eine Passionstheater GmbH gegründet hat, die sich nach einer ersten Anschubfinanzierung nun wohl selbst tragen wird, auch für diese Idee ist Stückl sicherlich verantwortlich. Und wohl auch dafür, sich nach den biblischen Stoffen mal etwas anderem zuzuwenden. Und so gibt es nun Cleopatra im Herrgottswinkel. Natürlich kommt auch die im historischen Kostüm daher, doch sprechen tut sie nicht so, als wäre sie von gestern, zumindest nicht, wenn sie zickig wird:

    "Ich habe Migräne und bin schlecht drauf","

    sagt Cleopatra zu ihrem römischen Antonius, der ihr so ganz verfallen ist, wie etwa schon sein berühmter Vorgänger Julius Cäsar. Natürlich ist das nur Strategie, hat doch dieses ägyptische Glamourgirl neben ihren amourösen auch durchaus machtpolitische Interessen. Die ihr aber letztlich nichts nützen, verliert doch ihr Latinlover nicht nur seinen Machtkampf im heimischen Rom sondern auch den Kampf auf den Schlachtfeldern dieser Welt, am Schluss steht der Doppelselbstmord.

    ""Ich glaube der Tod stimuliert sie genauso wie Sex. Stets zum Sterben bereit."

    "Antonius und Cleopatra" ist nun wahrlich nicht Shakespeares bestes Stück, eher im Gegenteil, viel Staatsaktion steht dagegen wenig Liebe, doch liefert die Vorlage für die Oberammergauer Breitwandbühne zumindest Steilvorlagen für das, was Regisseur Christian Stückl wirklich gut kann: Arrangement und Bewegung von Massen. Dabei entstehen immer wieder beeindruckende Bilder, die fast wie Gemälde wirken oder Szenen, in denen mit wenigen Mitteln ganze Schlachten geschlagen werden. Ein geschwungener Säbel auf der einen Seite der Bühne, mäht ganze Horden auf der anderen Seite um, und ein Schwertstich in den Boden, lässt die Modellschiffe des Gegners mit lautem Knall in dekorativem Feuer aufgehen.

    Es ist dieses Talent fürs große Ganze, das Stückls Arbeiten in Oberammergau auszeichnet, und auch wenn man von den Laiendarstellern auch weiterhin nicht ein vollkommen ausdifferenziertes Rollenporträt oder eine spezifische Rolleninterpretation erwarten kann, so zeigt doch diese Shakespeareproduktion, wie professionell dieses Laientheater inzwischen geworden ist. Das liegt sicherlich daran, dass Stückl das Historiendrama in der Hauptsache mit altbewährten Passionsspielern besetzt hat. Aber auch bei vielen anderen ist der sonst unvermeidliche etwas hilflose Laiengestus nun aus diesem Theater völlig verschwunden.

    Auch sonst hat Christian Stückl wieder auf sein bewährtes Team zurückgegriffen. Komponist und Chorleiter Markus Zwink versucht, die aufeinander prallenden Welten und Kulturen mit seiner für diese Produktion komponierten Musik zu unterscheiden. So singt man in Rom mit heroischem Gestus lateinische Textzeilen von Horaz, während man bei Cleopatra das Arabische zum Besten gibt und die Streicher mit einem iranischen Trommler aufmischt. Und im roten gestuften Rundhorizontgemäuer von Bühnenbildner Stefan Hageneier gehören der rechte und linke Teil den Römern, während in der Mitte Cleopatras schwarze Pyramide steht, aus der schwarzer Lavasand dekorativ zum ebenfalls schwarzen Brunnen hinabquillt. In Oberammergau also spielt man wieder Theater, auf die Oberammergauer-Stückl-Art. Und das ist gut so.