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Cleverer Code für Gelbe Engel

Gerade jetzt zur Urlaubszeit sind sie auf Deutschlands Autobahnen gern gesehen: Die gelben Pannenhelfer des ADAC. Doch gerade jetzt kommen die Helfer auch ganz schön in Stress - ein Hilferuf folgt dem anderen und die Wartezeiten für die Liegengebliebenen werden immer länger. Doch der Automobilclub arbeitet dran - unterstützt von den Informatikern des Konrad Zuse Zentrums für Informationstechnik in Berlin. Mit cleveren Algorithmen soll der Pannenservice optimiert werden.

Pia Grund-Ludwig |
    Der Sommer ist da, und wie jedes Jahr verstopft der Ferienverkehr die Autobahnen. Das ist eine Zeit, in der die Pannendienste Hochkonjunktur haben. In solchen Stoßzeiten muss allein der ADAC in einer seiner fünf Regionen 600 Aufträge pro Stunde auf 1600 Fahrer und 5000 Partner verteilen. Das ist bislang der stressige Job von so genannten Dispatchern. Die versuchen, die Fahrzeuge so zu verplanen, dass diese möglichst effektive Touren fahren. Der Forscher Sven Krumke und seine Kollegen vom Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik in Berlin haben sich den Ist-Zustand angesehen:

    Bisher wird manuell oder, sagen wir, halbmanuell gearbeitet. Das heißt, die Aufträge laufen in einem Call Center ein und werden dort von einem 'Calltaker' in eine Datenbank eingetragen, mit Schadenstyp und Unfall- oder Pannenposition. Diese Information gelangt zu einem Dispatcher, der die offenen Aufträge und auch die Position der ADAC-eigenen Fahrzeuge sieht. Die sind alle mit GPS ausgestattet. Momentan ordnet der Dispatcher die Fahrzeuge manuell den Aufträgen zu.

    Damit ist der Wissenschaftler nicht zufrieden: Mathematische Verfahren, die er im Auftrag des ADAC erarbeitet, sollen den Dispatchern künftig das Leben erleichtern. Einen ersten Prototypen haben Krumke und seine Kollegen bereits fertig. Damit geben künftig die Call Center-Mitarbeiter zwar immer noch die Anfragen manuell ein, aber parallel dazu beginnt ein Rechner schon damit, die neuen Anfragen mit den Standorten der Fahrer und anderen Anfragen abzugleichen und eine optimale Route zu berechnen. Dabei müssen sehr viele Faktoren berücksichtigt werden, so Krumke:

    Das Planungssystem benutzt alle Eingangsdaten. Das heißt, wir schauen uns alle Standorte der Servicefahrer an, ihren aktuellen Status, das heißt, bearbeitet jemand Aufträge, dann natürlich, was es für offene Schadenstypen gibt, von welcher Klasse sie sind und aufgrund dieser Basis wird dann eine bestmögliche Planung oder Zuordnung der Aufträge auf die Servicefrachtfahrer plus eine Tourenplanung für die Servicefrachtfahrer vorgenommen. Es wird also eine Reihenfolgeplanung für die Servicefahrer durchgeführt, sodass die Servicefahrer eine Tour bekommen, die mehrere Aufträge bündelt und sie letztendlich auch am Ende des Tages wieder auf ihre Heimatposition zurückführt.

    Innerhalb von fünf Sekunden kann die optimale Tour mit einem ganz normalen Laptop berechnet werden, verspricht der Berliner Forscher. Dahinter stecken komplexe mathematische Verfahren, die so genannte ganzzahlige Optimierung. Diese Verfahren sind in der Lage, mit sehr vielen Variablen umzugehen. Krumke erklärt, was dahintersteckt:

    Ganzzahlige Optimierung heißt, dass sie Entscheidungsvariablen, das heißt 0 und 1 Variablen haben, die bestimmte Zustände entscheiden. Steht zum Beispiel die Variable auf 1, dann wird eine bestimmte Tour für das Fahrzeug gefahren. Die Mathematik dahinter sucht, aus den potenziell Billionen möglichen Variablen die richtigen heraus und berechnet die richtigen Belegungen.

    Die möglichen Kombinationen können schnell sehr groß werden: Bei 300 Aufträgen und 200 Fahrzeugen gehen sie schon in die Billionen. Daher sind solche Optimierungen unerlässlich. Im Moment sind die Forscher aber trotz allem noch dabei, der Realität hinterher zu hecheln. Das reicht Sven Krumke nicht. Er will dem System beibringen, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Wenn in Berlin morgen die Ferien anfangen, dann soll das System mögliche Unfallschwerpunkte kennen. Wenn im Münchner Olympiastadion ein Rockkonzert stattfindet, wird das System auch auf diese Situation vorbereitet sein und die Helfer rechtzeitig in Position bringen. Krumke:

    In längeren Planungen sollen Prognosefaktoren in die Planung mit einfließen, um die Planung noch besser zu machen. Da fließen statistische Daten aus bisherigen Ist-Daten des ADAC ein, die schon über die vergangenen Jahre erhoben worden sind. Aus diesen Daten werden dann hoffentlich systematisch typische Situationen erkannt und diesen aktuellen Situationen zugeordnet. Zu den Daten gehört natürlich die Tageszeit, denn es gibt sicherlich über den ganzen Tag eine unterschiedliche Lastkurve, die Jahreszeit, das Wetter, und auch solche Faktoren wie Ferienbeginn oder Großereignisse.

    Dabei könne man es zwar auch nicht immer schaffen, so der Forscher, die Wartezeiten für die Kunden zu verkürzen. Aber immerhin seien die Pannendienste dann in der Lage genauer zu sagen, wie lange es noch dauern wird, bis Hilfe kommt. Wenn also die Kinder quengeln und der Kühler kocht weiß man wenigstens, wie lange man das noch aushalten muss.