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Climate Engineering
Keine Option für die Klimapolitik

Industrie und Technik können das Klima schädigen - aber kann Technologie es auch retten? 14 Forschungsorganisationen haben im Auftrag der EU untersucht, welches Potenzial im sogenannten Climate Engineering steckt. Ihr Fazit: Gezielte Eingriffe in das Klima sind kein Ersatz für die Verminderung von CO2-Ausstoß.

Von Daniela Siebert | 15.07.2015
    Ein Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde (Brandenburg)
    Die Vermeidung von Emissionen bleibt nach Ansicht der Forscher das wirksamste Mittel gegen den Klimawandel (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Auf 170 Seiten liefert der Bericht einen beeindruckenden Überblick über Methoden zum Climate Engineering, die Menschen bislang erdacht und erprobt haben: von A wie Aerosole in der Stratosphäre versprühen, um das Sonnenlicht zurück ins Weltall zu reflektieren über M wie marine Wolkenaufhellung zum selben Zweck bis W wie erhöhte Witterung durch ausgebrachtes Kalksteinpulver, das auf dem Boden CO2 bindet. Die Kernfrage, ob die Menschheit Climate Engineering - sei es in der Variante als Reflexion von Sonnenstrahlen, sei es in der Variante Einfangen und Speichern schon vorhandenen Kohlendioxids - gegen den Klimawandel einsetzen könnte, beantwortet das Forscherteam mit: Ja, vielleicht, aber nicht so bald. Nicht in dieser Dekade, wahrscheinlich erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts wären einzelne Methoden anwendungsreif.
    Eisendüngung fällt raus
    Oder wie es Professor Mark Lawrence vom Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies formuliert, als Projektkoordinator maßgeblich an dem Bericht beteiligt:
    "Wir sind so weit, dass ich persönlich als Forscher, der sich jahrelang mit dem Thema beschäftigt hat, zumindest eine Technik gleich ausscheiden würde, und zwar die Eisendüngung der Ozeane, aber von den meisten anderen Techniken ist einfach zu wenig Wissen vorhanden, um vernünftigerweise entweder zu sagen: 'Ja, wir machen das' oder zu sagen: 'Nein, wir nehmen das vom Tisch', weil vielleicht dann nehmen wir etwas, das tatsächlich später eine Option sein könnte von uns weg."
    Im Auftrag der EU haben Wissenschaftler aus 14 Forschungsorganisationen den Bericht erarbeitet. Darunter nicht nur einschlägige Naturwissenschaftler, sondern auch Politologen, Juristen, Philosophen und Wirtschaftswissenschaftler. Sie kamen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Großbritannien und Norwegen. Dass keine weiteren EU-Länder bei der groß angelegten Meta-Analyse involviert waren - etwa die Niederlande, die als Flachland mit besonders breiter Küste vom Klimawandel voraussichtlich besonders betroffen sein werden - das beeinflusse das Ergebnis der Untersuchung keineswegs, versichert Mark Lawrence:
    "Weil wir nicht nur die Forschung aus diesen fünf Ländern berücksichtigt haben, sondern die internationale Forschung. Wir haben das ganze Forschungsspektrum, die ganze Literatur, die uns zur Verfügung stand berücksichtigt."
    Einige Methoden zum Climate Engineering nimmt der Bericht besonders genau unter die Lupe. Etwa die Düngung der Ozeane mit Eisen, um so das Wachstum von Phytoplankton zu fördern, damit dieses mehr Kohlendioxid abbaut. Da habe die Forschung gezeigt, dass der Wirkungsgrad zu klein sei und die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen zu hoch etwa auf die Futterkette der Meeresbewohner bilanziert Lawrence.
    CO2-Speichermethode BECCS umstritten
    Eine weitere Methode im Fokus nennt sich abgekürzt "BECCS". Dahinter verbirgt sich das Abfangen und Speichern von Kohlendioxid, das beim Verbrennen von Biomasse entsteht. Der Weltklimarat habe das zwar als vielversprechende Technik eingestuft, andere Wissenschaftler betonten aber, dass sie noch nicht ausgereift sei, und verwiesen unter anderem "auf die fehlende Speicherkapazität für so viel CO2 unterirdisch und natürlich auf die Konkurrenz zwischen Biomasse für solche Maßnahmen und Biomasse, die wir für Essen und andere Zwecke brauchen."
    Auch die Aerosolinjektion in die Stratosphäre sei nicht unbedenklich, weil noch nicht klar sei, wo genau welche Partikel in welcher Größe und Menge am besten ausgebracht würden.
    Risiken und Nebenwirkungen nicht komplett überschaubar
    Jede Climate Engineering Methode habe ihre eigenen Risiken und Nebenwirkungen betont Lawrence. Doch formuliert der Bericht auch ein paar allgemeingültige Probleme: Von keiner einzigen Methode ist sicher, dass sie auch im großen Stil funktionieren würde. Außerdem sind Klima und Wetter so komplexe Systeme, dass derzeit niemand sämtliche Wirkungen und Nebenwirkungen vorhersagen könnte. Dazu kommen noch Probleme anderer Art wie die fehlende gesellschaftliche Diskussion über solche Maßnahmen, internationale Regulierungen dafür und Konfliktpotenziale:
    "Konflikte zwischen Nationen, die unterschiedlicher Auffassung sind, welche Maßnahmen man einsetzen sollte, zu welchem Grad, wie das dann das Klima von den Nationen und von anderen Nationen beeinflussen sollte."
    Reduktion von Treibhausgasen bleibt vordringliche Aufgabe
    An ihren Auftraggeber, die EU, haben die Wissenschaftler klare Empfehlungen gerichtet. An erster Stelle steht weitere Forschung zum Thema:
    "Nicht nur, weil wir Forscher sind, sondern weil wir sehen, dass eine gute Informationsbasis unerlässlich ist zur Entscheidungsfindung."
    Und diese Forschung müsse öffentlich sein, raten die Forscher, das ganze Thema sollte transparent behandelt werden, weil es dazu auch eine gesellschaftliche Diskussion brauche. Auf der politischen Bühne könne sich die EU positionieren, indem sie zu dem Thema eine einheitliche Position erarbeite und sich dafür einsetze, die fragmentarischen Regulierungen und Übereinkommen, die es zu dem Thema schon gibt zusammenzuführen. Etwa das London Protocol, das Einträge in die Weltmeere regelt, die UN Rahmenkonvention zum Klimawandel und die Konvention zur biologischen Vielfalt. Auf keinen Fall dürfe Climate Engineering zu weniger Bemühungen führen, den CO2-Ausstoß zu verringern, warnt der Bericht.