Archiv


Clownerie gegen Rassismus

Michael Lévinas hat Jean Genets Theaterstück "Les Nègres" zur Oper vertont. Regisseur Nicholas Broadhurst setzt bei der Uraufführung in Freiburg weitgehend auf gekonnten Klamauk. Das ist angesichts der Schwächen des Stücks nicht das Allerschlechteste.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Überkomplex und assoziationsreich sind die Theaterstücke Jean Genets. Und wer seine Texte adäquat vertonen will, der sollte eine vielschichtige Partitur abliefern. Dass "vielschichtig" dabei keineswegs "komplexistisch" meinen muss, beweist Michael Levinas in seiner Veroperung, oder besser Ausschmückung von Genets "Les Nègres", einem Stück, das nicht nur bei der Uraufführung für heftigsten Wirbel sorgte.

    Genet lässt zwei Gruppen von Schauspielern aufeinandertreffen, die eine Gruppe gibt eine weißhäutige Nobelgesellschaft, bestehend aus Königin, Kammerdiener, Gouverneur, Missionar und sinistrem Minister. In Freiburg sitzt diese dekadent-gelangweilte Truppe unter einer Glitzerpalme, die stark an sommerlichen Eisbecherschmuck erinnert. Davor spielt die zweite, dunkelhäutige Gruppe ein böses, aber konfuses Stück: Es geht allgemein um Hass gegen die Kolonialherren und konkret um die geplante Ermordung einer weißen Frau. Genet spielt mit Klassen- und Rassenvorurteilen, zeigt etwa die hasserfüllt-ambivalente Sehnsucht der Weißen nach schwarzen, überpotent-animalischen Körpern. Am Ende wird ein schwarz-weißes Paar zusammenkommen und ganz kitschig von dannen eilen.

    Genet wäre aber nicht Genet, würde er nur eine Geschichte erzählen. Wie in keinem anderen seiner Stücke vermischt er in den "Nègres" ein politisch-kulturelles Anliegen mit grotesker Tragikomik und Motiven eines Theaters der Grausamkeit à la Antonin Artaud. Leider zerfasert dabei die Handlung immer weiter, so entpuppt sich die Königin als Geist, ihre Genossen werden erschossen und kommen in die Hölle. Und noch manch anderes Verrückte geschieht in Genets Spiegelkabinett, wodurch man sich leicht in den lose verflochtenen Motiven und Handlungssträngen verirrt. Wirklich problematisch ist Genets recht unverblümte Forderung, die Schwarzen mögen sich durch radikale Gewaltausübung gegen die Weißen erheben. Spalten statt Versöhnen ist also das Motto.

    Regisseur Nicholas Broadhurst entzieht sich elegant dem inneren wie äußeren Sprengstoff der "Nègres", er zieht sämtlichen Akteuren stilisiert-farbenfrohe Kleider an und versetzt sie in eine riesige Bananenkiste. In der Kiste sind mehrere kleine Spielflächen, eine große Afri-Cola-Flasche, eine riesige Schuhcremedose mit Inhalt sowie eine Pappschachtel Klosterfrau Melissengeist. Diese Schachtel dient ebenso als Sitzgelegenheit wie als Katafalk. Vom Bühnenhimmel senkt sich eine halb ausgepackte, leicht angegammelte Plastik-Banane herab. Broadhurst setzt weitgehend auf gekonnt gemachten, etwas hektischen Klamauk, wodurch der Abend ins Bunt-Burleske rutscht. Das ist angesichts der Schwächen des Stücks nicht das Allerschlechteste.

    Das bunte Treiben korrespondiert ideal mit der Musik von Michael Levinas, der Negro-Spirituals ebenso verarbeitet wie Offenbachsche Kantilenen. Die dreht Levinas gerne durch einen elektronischen Reißwolf, versampelt einzelne Teile oder grundiert Schöngesang mit heftigem Synthesizergewaber. Das Humorvoll-Leichte der Musik wird immer wieder konterkariert durch knallende Tutti-Stellen und teils zerhackte Chor-Einspielungen, virtous elektrifiziert von Gilbert Nouno, vom Pariser IRCAM. Zuweilen übertreibt es Levinas ein bisschen, ein Klangereignis jagt das nächste und es rappelt gewaltig im Schlagwerk.

    Gernot Sahler leitet das Freiburger Philharmonische Orchester mit großem Enthusiasmus, Bernhard Moncado sorgt für genau intonierende Chöre. Aus dem insgesamt guten Freiburger Opernensemble ragen Gary Boyce, Heidi Elisabeth Meier und Sara Eterno heraus.