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Clubszene
Vor dem Club ist nach dem Club

Mit der "Pratersauna" verliert das Wiener Nachtleben einen ihrer Fixsterne. Im März wechselt der Club erstmals den Betreiber. Damit endet eine Ära. Gute Clubs kommen und gehen in jeder Stadt - doch manche hinterlassen etwas mehr Eindruck als andere.

Von Paul Lohberger | 23.02.2016
    Ein DJ an einem Mischpult in einem Club.
    DJ: Was macht einen guten Club aus? (picture alliance / dpa / Franco Bianco)
    "Ich war bei der Pratersauna von Anfang an dabei, schon bei der Vor-Eröffnung und dann auch bei der Eröffnung. Ich habe dann auch die letzten Jahre, so von 2009 bis 2012 oder so, habe ich auch sehr viele Nächte dort verbracht."
    Erinnerungen wie die von Katharina Seidler gehören zum Clubbetrieb wie Musik und Getränke: Damals gab es diesen Club - und ich war dabei ... Die Musikjournalistin wurde in der besagten Zeitspanne auch Partyreporterin für die Wiener Stadtzeitung "Falter", sie kann also auf viele Erfahrungen und Vergleiche zurückgreifen, wenn sie die Pratersauna in den Clubhimmel hebt. Anfang der 2000er gab es in Wien einen anderen Club, die Meierei im Stadtpark: Sie ist mittlerweile ein feines Restaurant.
    "Ich war nie dort, ich höre aber seit zehn Jahren die Geschichten von der legendären Meierei – das stimmt sicher, das nervt mich in gewisser Weise auch – und das ist gar nicht einmal so, weil es mir leidtut, dass ich das verpasst hab, da war ich noch zu jung, da war ich einfach nicht in dieser Musik so drin. Es ist einfach so, ich sehe das auch bei der Pratersauna so, es ist schade, dass sie zusperrt, aber das ist nun einmal so."
    "Das Essenzielle und der einzige Vergleich, der mit der Meierei zulässig ist, ist, dass von Anfang an programmatisch gearbeitet worden ist."
    Kristian Davidek beobachtet seit Mitte der 90er die Wiener Clubkultur. Als DJ und Radiomacher wirkt er seit den frühen Nullerjahren aktiv mit.
    "Und das war auch in der Meierei fast erstmals so, dass mehrere Szenen aufeinandergetroffen sind. Und ansonsten haben die Meierei und die Pratersauna nicht so viel gemeinsam, außer, dass beides Orte waren, denen man diese Bespielung ursprünglich nicht zugetraut hätte."
    Pratersauna war bis 2008 eine Sauna
    Tatsächlich war die Pratersauna bis 2008 eine große Sauna, sogar mit Garten. Auch Davidek bestätigt den besonderen Status der Pratersauna, er wurde dort nie müde und blieb öfter als gewohnt die ganze Nacht.
    "Die Umgebung hat dich in Ruhe gelassen und in den Morgen durchgetragen, auf einmal war es hell."
    Gutes Licht, guter Sound und Authentizität machen den guten Club aus, meint Davidek. Nicht nur die Pratersauna war ein authentischer Ort.
    "Zum Beispiel eben der Kater Holzig oder der Golden Pudel Club in Hamburg, der ein freistehendes Häuschen ist, wo man über Stiegen irgendwie durchkriecht. Ich bin das erste Mal vorbeigegangen und hab es nicht erkannt - ein gelackter Club, oder ein von Menschen in Anzügen auf iPads erdachtes Raumkonzept hat es viel schwerer als ein meinetwegen 60 Jahre alter Raum, wo der Verputz abbröckelt."
    "Ein Raum, der schäbig ist, und eigentlich kann man sich nachher gar nicht erinnern, wie es ausgesehen hat. Und das hat nichts mit Illuminierung zu tun, sondern man geht raus und hat ein Gesamterlebnis gehabt – es ist was passiert."
    Wurzeln in der New Yorker Schwulenszene
    Was wir heute unter dem Gesamterlebnis Club verstehen, hat seine Wurzeln im Underground der New Yorker Schwulenszene. Daraus entwickelte sich im Lauf der 70er die kommerzielle Disco, von der sich coole Clubs absetzen wollen.
    "Ich möchte nicht in einen rechteckigen Raum ohne Nischen gehen und Mainstream Scheiße hören, die mich nichts entdecken lässt. Ich will auch nicht sieben Stunden deepeste Housetunes hören, die sich nicht unterscheiden, ohne Vocals. Ich will auch auf meiner musikalischen Reise unterhalten werden. Ich fühle mich wie ein Kind, das Dinge entdeckt. Und ich möchte unterhalten werden."
    Dem kindlichen Spieltrieb kam ein Wiener Techno Lokal einst mit einer Rutsche entgegen, in Berlin findet sich ein Lokal mit Hof und Spielplatz. Katharina Seidler verweist auf den Gimmick, der ewig mit der Pratersauna verbunden sein wird.
    "Ein kleiner Fotoautomat in der Pratersauna ist einer der wichtigsten Faktoren dort gewesen. Das war auch eine der Attraktionen zum Abschluss. Und alle haben für Facebook diese schwarz-weißen Fotostreifen gemacht."
    Im weltweiten Vergleich freilich ist alles relativ, meint Kristian Davidek: In Japan hat er Clubs ohne Licht erlebt, damit sich niemand genieren muss beim Tanzen. Demnächst will Davidek in Chicago ein paar Clubs besuchen, wo Leute nur zum Tanzen hingehen – in Jogginganzügen. Und wenn sich die Leute in Berlin vor einem bestimmten Club kilometerweit anstellen, muss es ja gut sein. Oder man ist nur für eine Nacht da und will unbedingt rein? Vielleicht ist es ja genau die lange Schlange, bei der dann man dabei gewesen sein muss in ein paar Jahren.
    "Alles richtig machen heißt mitunter auch, einfach aufhören."
    "Es gibt Zyklen von Clubs. Und die wenigsten Lokale halten sich so lang. Ich kann jeden Betreiber verstehen, denen das zu anstrengend wird. Eine Szene wird älter, es ändern sich die Orte, es ändern sich die Leute - das finde ich traurig, aber auch normal, sogar schön, eigentlich."