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CO2 aus der Luft holen
Globale Bestandsaufnahme zeigt Handlungsbedarf

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss nicht nur viel CO2 eingespart, sondern auch eine ganze Menge davon aus der Atmosphäre entnommen werden. Die Technologie dafür ist laut einem neuen Bericht aber bisher kaum vorhanden und kaum erprobt.

Von Tomma Schröder |
Anlagen wie diese auf dem Dach einer Müllverbrennungsanlage können CO2 aus der Luft filtern
Anlagen wie diese auf dem Dach einer Müllverbrennungsanlage können CO2 aus der Luft filtern (picture alliance / KEYSTONE / WALTER BIERI)
Wenn es darum geht, wie wir Kohlendioxid aus der Atmosphäre wieder herausbekommen könnten, hört man so allerlei: Hier wird ein bisschen aufgeforstet, dort vielleicht sogar schon CO2 direkt aus der Luft herausgefiltert. Aber wie viel Kohlendioxid wir tatsächlich bereits jetzt aus der Atmosphäre entnehmen, war bisher noch nicht genau bekannt, sagt Jan Minx, Forscher am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und Mitautor des Berichts zum Stand der CO2-Entnahme.
„Und wir haben jetzt mal einen ersten Schätzwert vorgelegt und sagen, dass insgesamt etwa zwei Milliarden Tonnen pro Jahr CO2 der Atmosphäre entnommen werden. Fast alles ist CO2-Entnahme von der Aufforstung.“
Dabei gibt es natürlich längst viel mehr Ideen, als Bäume zu pflanzen: Man kann das CO2 aus der Atmosphäre quasi zurückverwandeln in Kohle, indem man Pflanzenmaterial unter hohen Drücken und Temperaturen umwandelt. Man kann auch Pflanzen anbauen, zur Energieerzeugung verwenden und das entstehende Kohlendioxid unterirdisch speichern. Man kann CO2 direkt aus der Atmosphäre herausfiltern, man kann den Ozeanen mit Hilfe von Gesteinsmehl CO2 entziehen oder ihn düngen und damit das Algenwachstum anregen. All das und noch einiges mehr könnte man tun. Tut man bisher aber kaum. 
„Neuartige CO2-Entnahme-Methoden wie zum Beispiel Bioenergie mit der CO2-Abscheidung und Verbrennung, Pflanzenkohle, aber auch chemische Luftfilter, also Direct Air Capture, die ja eigentlich die Diskussion dominieren, die gibt es noch fast gar nicht. Wir stehen fast noch bei Null.“

„Technologien werden nicht vom Himmel fallen“ 

Stand heute kommt man mit diesen Methoden gerade einmal auf ein Tausendstel der Menge, die durch Aufforstung erreicht wird – nämlich 2 Million Tonnen CO2. Bis 2030 – also in sieben Jahren – müsste diese Menge etwa um das 30-Fache steigen, bis 2050 gar um das 1300-Fache, wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens in Reichweite bleiben sollen. Auch die CO2-Entnahme durch Aufforstung müsste sich nochmal etwa verdoppeln. Dabei, das betonen die Autoren des Reports immer wieder, gehe es nicht darum, mit Hilfe der Technologien die Emissionsziele zu verwässern. 
„Es ist kein Entweder-Oder. Wenn wir uns das zeitlich angucken in einer dieser bekannten Szenarien-Abbildungen, dann sehen wir: Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, da geht es vor allem um die Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – und das ist etwas, was häufig von Leuten ein wenig übersehen wird – da dominieren dann CO2-Entnahmen den Klimaschutz.“ 

Klare Strategie der Bundesregierung gefordert

Denn es wird immer Rest-Emissionen geben, die sich nicht vermeiden lassen. Deshalb müsste man jetzt beginnen, die verschiedenen Technologien genauer zu erforschen, zu verbessern und in Demonstrationsprojekten auszuprobieren. Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik:
„Die wichtigste Botschaft an die Bundesregierung, die sie aus diesem Report ziehen kann, ist, dass sie in der Tat eine klare Strategie entwickeln muss: Wie soll der Anteil von CO2-Entnahme zum Erreichen der deutschen Klimaziele sein? Die Bundesregierung muss auf EU-Ebene dafür eintreten, dass diese Dinge geklärt werden: Spielt das eine Rolle im Emissionshandel? Wie viel investiert man jetzt in Innovation? Welche Technologien oder welche Ansätze favorisieren wir hier eigentlich?“
Gerade letztere Frage ist nicht leicht zu beantworten. Denn es gibt rund ein Dutzend mögliche Technologien, deren Potentiale, Risiken und Kosten oft nur vage bekannt sind. Präzisere Einschätzungen wären aber sehr wichtig, wenn es später um einen großskaligen, industriellen Einsatz geht. Der Statusbericht zur Kohlendioxid-Entnahme aus der Atmosphäre soll künftig regelmäßig aktualisiert werden, um Entscheidungsträgern Hinweise zu liefern, welche Ansätze besonders effizient und erfolgversprechend sind.