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CO2-Einlagerung oder Wiederverwertung
Auf dem Weg zur Marktreife

CO2-Emissionen aus der Atmosphäre einfangen und in der Tiefe einlagern oder als Kohlenstoff wiederverwenden soll in der Zukunft ein wichtiger Beitrag in der Klimapolitik sein. Beides ist technisch erprobt. Aber wann wird es im großen Stil eingesetzt? Eine Anlage in Island zeigt, wie es geht.

Von Jessica Sturmberg | 07.01.2021
Bohrlöcher beim Geothermiekraftwerk Hellisheiði in Island
Bohrlöcher beim Geothermiekraftwerk Hellisheiði in Island (DLF/Sturmberg)
Im Geothermalgebiet Hellisheiði rund 40 km von Reykjavík, gehört das Zischen aus den Bohrlöchern inmitten von Lavafeldern zu den typischen Geräuschen. Das dortige Geothermiekraftwerk mit seinen insgesamt sieben Turbinen versorgt die Hauptstadt mit Energie und Wärme. Dabei entstehen in vergeichsweise geringem Umfang auch klimaschädliche Gase. Ein Teil davon wird direkt eingefangen und im Basaltgestein eingelagert, erklärt Ingenieur Bergur Sigfusson von Carbfix, dem Anlagenbetreiber und Tochterunternehmen des Energieversorgers Orkuveita Reykjavíkur:
"Wir pressen das in ein Bohrloch, wo wir das CO2 und Schwefelwasserstoff in Wasser auflösen, dass dann in die Tiefe gepumpt wird. Das flüssige Gemisch ist säurehaltig und reagiert mit dem Gestein und daraus wird festes Carbonat, ein Mineral."

CO2 nach zwei Jahren mineralisiert

Das Besondere in Island ist, dass diese unter der Erde stattfindende chemische Reaktion sofort passiert und dafür sorgt, dass bereits nach zwei Jahren 95 Prozent des CO2 mineralisiert und damit fest gebunden ist, also nicht mehr entweichen kann. Dies sind bestmögliche Bedingungen für eine Industrie, die gerade im Aufbau ist und das Ziel hat, in wenigen Jahren im großen Stil CO2 einzufangen.
In Hellisheiði wird jetzt die erste Anlage erstellt, die zusätzlich zu dem CO2, das bei der Energieproduktion direkt am Kraftwerk abgespalten und verpresst wird, auch noch CO2 einfängt, dass bereits in die Atmosphäre emittiert wurde. Es ist ein gemeinsames Projekt von Carbfix und dem Schweizer Unternehmen Climeworks."Diese Anlage kann 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft entfernen. Das entspricht den Emissionen von ungefähr 200 oder 300 Schweizer Personen", und das pro Jahr wie Unternehmensmanager Daniel Egger erklärt.

Filteranlagen für Klimaziel 2050 notwendig

Das ist zwar jetzt noch ein überschaubarer Umfang an CO2, das aus der Atmosphäre verschwindet. Doch werden solche Filteranlagen schon in den nächsten Jahren benötigt werden, wenn es darum geht, in der EU bis 2050 auf null Emissionen zu kommen, sagt der Klimapolitik-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Oliver Geden:
"Es wird einen sehr großen Beitrag leisten müssen, weil in der Debatte unterschätzt wird, wie viel CO2 und andere Treibhausgase sich vermeiden lassen werden und wie viel wir wirklich an dicken Brettern wir dann übrig haben Richtung 2050, für die wir dann andere Lösungen finden müssen." - wie diese CO2-Kollektoren von Climeworks, mit denen Wirtschaftszweige wie die Zement- oder die Luftfahrtindustrie, die Stand heute nicht ohne Emissionen auskommen, ihren CO2-Ausstoß dann aus der Atmosphäre entfernen können.
Kastenförmige Filteranlagen entfernen das CO2 aus der Atmosphäre und verbringen es in die Tiefe
CO2 Filteranlagen auf den Lavafeldern in der Nähe des Geothermiekraftwerks Hellisheiði in Island (Climeworks)
Carbfix und Climeworks ergänzen sich hierbei gut, weil für das Herausfiltern des CO2 aus der Luft wiederum Energie benötigt wird, die sinnvollerweise selbst keine Emissionen produziert, erklärt Bergur Sigfusson. "Wir sind ein Partner, der Energie liefern kann entweder in Form von Hitze oder Elektrizität und es funktioniert so, dass Climeworks das CO2 in seinen Kollektoren sammelt, bis die Filter angereichert sind. Dann schließen die sich und mit dem heißen Wasser wird das CO2 herausgelöst und dann in unser System nach unten gepresst."

Weltweit gibt es ausreichend Speicherkapazität

In Island ließen sich auf diese Weise noch gute 50 Millionen Tonnen CO2 einlagern. Weltweite Speicherkapazitäten an geeigneten Standorten sind laut Geologen mehr als ausreichend vorhanden, wenngleich die Bedingungen nicht so gut sind wie auf der Vulkaninsel im Nordatlantik und der Mineralisierungsprozess - je nachdem - eher hunderte von Jahren dauert.
Climeworks fängt das CO2 aus der Luft nicht nur ein, um es in der Tiefe einzulagern, sondern auch um es wieder zu verwerten. Insbesondere für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, so "dass wir die Luft als CO2-Quelle nutzen können und für den Kohlenstoff, also für das C-Atom im CO2, dass wir da nicht fossile Energieträger brauchen. Also wir brauchen kein Erdöl mehr als Grundstoff. Wir können das CO2 aus der Luft nehmen", erklärt Wirtschaftsingenieur Daniel Egger von Climeworks, und somit eine Kreislaufwirtschaft erzeugen.

Wer zahlt die Einlagerung?

Die Klimabilanz wird dadurch deutlich aufgebessert. Das Problem der Emission aber nicht aus der Welt geschafft. Und: noch sind die Kosten für die Herstellung synthetischer Kraftsstoffe deutlich höher als die Produktion aus fossilen Quellen.
Deshalb sollten alle Branchen, die technisch in der Lage sind auf CO2-Ausstoß zu verzichten, dies in den nächsten Jahren auch tun, betont auch Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Was der schnellen Umsetzung derzeit ebenso noch im Weg steht, ist die Frage, wer zahlt dafür?
"Es nützt nichts Technologie zu entwickeln und viel in Forschung zu investieren und dann kauft es niemand und muss eben niemand es kaufen, sondern ich kreiere den Markt und ich kreiere auch Regeln, dass es genutzt werden muss", sagt Oliver Geden.
Zum Beispiel dadurch, dass ein fester Anteil an synthetischen Kraftstoffen festgeschrieben wird, der dann Jahr für Jahr erhöht wird. Und Industrien, die weiter CO2 emittieren dafür sorgen müssen, das im gleichen Umfang CO2 aus der Atmosphäre verschwindet. Zusammen mit Fördermitteln könnte es dann irgendwann so sein wie mit der Photovoltaik – die Nutzung nimmt zu und die Kosten dafür sinken.