Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


CO2 in Schach gehalten

Klima.- Seit Jahren warnen Klimaforscher, dass die Menschheit durch die Zerstörung der Moore einen Teil ihrer wichtigsten CO2-Speicher verliert. Deutsche Forscher haben jetzt bundesweit untersucht, wie Landwirte ihre Moornutzung verändern können, damit weniger Klimagase entweichen.

Von Maren Schibilsky | 28.06.2010
    Paulinenaue. Wenige Kilometer westlich vor Berlin. Morgengrauen im Havelländischen Luch. Leichter Nebel liegt über den feuchten Wiesen.

    Wissenschaftler des Zentrums für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung ZALF aus Müncheberg bahnen sich den Weg durch´s kniehohe Grünland. Im Gepäck haben sie große Plexiglashauben und Messgeräte.

    Sie wollen Klimagase einfangen: Lachgas, Methan und Kohlendioxid. Seit Jahrhunderten entweichen sie stetig dem Moor, erzählt Projektleiter Jürgen Augustin vom ZALF in Müncheberg.

    "Das Havelländische Luch gehört zu den größten Niedermoorflächen Nordostdeutschlands. Es ist seit rund 200 Jahren in landwirtschaftlicher Nutzung. Man hat zu Preußens Zeiten angefangen, das Moor zu entwässern, Kanäle zu graben und dann über die Zeit es immer intensiver als Grünland für eine intensive Futterproduktion zu nutzen."

    Bis heute gibt es auf dem 75 Hektar großen Moor Grünland und Maisanbau. Seit 60 Jahren steht das Havelländische Luch im Fokus der Moorforschung. Zu DDR-Zeiten ging es darum, wie man dem entwässerten Sumpfland maximale Erträge abringen kann. Jetzt geht es um Klimaschutz.

    "Moore gehören zu den größten Kohlenstoff- und Stickstoffspeichern auf dem Festland der Erde. Moore werden immer intensiver weltweit genutzt. Dazu werden sie entwässert und die Entwässerung der Moore führt dazu, dass CO2 oder partiell auch von Lachgas in die Atmosphäre gelangt."

    Doch wie viel Tonnen pro Hektar und Jahr es genau sind, wollen die Moorforscher herausfinden. Bundesweit. Bislang gibt es nur Schätzungen.

    Große Plexiglashauben stülpen die Wissenschaftler über ausgewählte Pflanzenquadrate. Ein CO2-Sensor im Innen misst die Gaskonzentration.
    Über Kabel werden die Messdaten zu den Computerdatenbanken der Forscher geleitet.

    Michael Giebels leitet die Messaktion in Paulinenaue.

    "Ich hab´ jetzt die CO2-Konzentration aufgenommen, die Temperatur und die Lichtstrahlung."

    Alle fünf Sekunden ermittelt der CO2-Sensor eine neue Gaskonzentration. Später wird das ganze mit Lachgas und Methan wiederholt.

    "In Paulinenaue messen wir an zehn verschiedenen landwirtschaftlich genutzten Moorflächen. Wir wollen eigentlich das ganze Spektrum von landwirtschaftlichen Nutzflächen abgreifen. Extensive Nutzung, intensive Nutzung, Acker- und Weidenutzung."

    Mit diesem Know how haben die Forscher in fünf nordostdeutschen Mooren Klimagase ermittelt. An mehr als 50 Messpunkten. Zwei Jahre lang. Auch in Waldmooren des Spreewaldes und wieder vernässten Flusstalmooren der Peene. Ihre Daten geben erstmals Aufschluss über die Klimarelevanz von natürlichen und genutzten Mooren in Deutschland – betont Projektleiter Jürgen Augustin.

    "Eine Wiesennutzung führt dazu, dass wir ungefähr vier Tonnen Kohlenstoff verlieren. Intensivieren wir die Wiesennutzung, kann der Kohlenstoffverlust bis zu zwölf Tonnen betragen pro Hektar und Jahr. Das ist schon enorm, was da jedes Jahr in die Luft geht. Ein wieder vernässter Moorstandort , der kann bis zu einer Tonne Kohlenstoff speichern."

    Außerdem haben die Forscher untersucht, wie Landwirte die Klimawirkung von Mooren verbessern können. Zum Beispiel durch Anbau von Rohrglanzgras. Eine Futterpflanze, die auch als Energiepflanze geeignet ist. Dafür muss das Moor weniger entwässert werden als für Maisanbau oder Intensivgrünland, meint Jürgen Augustin.

    "Es gibt generell gesagt die Möglichkeit, durch Wiederanhebung des Grundwasserstandes möglichst nah der Oberfläche, die Klimawirkung aller genutzter Moore in Deutschland zu verringern. Das gilt deutschlandweit auf allen Standorten, die untersucht worden sind. Das heißt, es hat Konsequenzen für die landwirtschaftliche Nutzung. Das geht in Richtung extensive Nutzung. Man kann dann Moore nicht mehr so intensiv nutzen. Das funktioniert nicht."

    Nutzungsalternativen und finanzielle Anreize für Moorschutz sind gefragt. Die Einbeziehung der Mooren als Kohlenstoffspeicher in den Handel mit CO2-Zertifikaten könnte vielleicht weiter helfen – meinen die Forscher.
    Ihre Messdaten sind eine wichtige Grundlage dafür.