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CO2-Speicherung ist "nicht unbedingt notwendig für Deutschland"

Der Bundestag berät heute über die unterirdische Speicherung von CO2 - dadurch würden Kohlekraftwerke praktisch emissionsfrei. Peter Viebahn hält eine Umsetzung erst bis 2025, 2030 für möglich, und argumentiert zudem: Es geht auch ohne.

Peter Viebahn im Gespräch mit Georg Ehring | 07.07.2011
    Georg Ehring: Eine Chance für die Kohle. Wenn das Treibhausgas Kohlendioxid unterirdisch auf Dauer gespeichert wird, dann kann selbst Braunkohle zum sauberen Energielieferanten werden. Der Bundestag debattiert heute über ein Gesetz zur CO2-Speicherung, doch der Widerstand ist groß. Schleswig-Holstein will sie auf seinem Gebiet ganz verbieten, sobald sie per Bundesgesetz erlaubt ist.
    Wie wichtig ist diese Klimaschutztechnologie für Deutschland? - Darüber möchte ich jetzt mit Dr. Peter Viebahn vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie sprechen. Guten Tag, Herr Dr. Viebahn!

    Peter Viebahn: Ja guten Tag, Herr Ehring!

    Ehring: Herr Viebahn, ist die Speicherung von CO2 denn überhaupt technisch ausgereift und sicher bisher?

    Viebahn: Da muss man im Prinzip unterscheiden zwischen den verschiedenen Stufen, die wir dort betrachten. Das ist einerseits die Abscheidung des CO2 selber, die im Kraftwerk passiert. Da gibt es bisher verschiedene Verfahren, die getestet werden. Das ist zum Teil noch Pilotmaßstab, das ist in anderen Ländern außerhalb von Deutschland auch schon Demonstrationsmaßstab bei Kraftwerken in Höhe von 100 oder 200 Megawatt.
    Der zweite Teil ist dann der Transport des CO2. Das wird verflüssigt und wird dann in Pipelines transportiert. Da kann man im Prinzip auf die Erfahrung vom Erdgastransport mittels Pipelines zurückgreifen.
    Und der dritte Punkt ist dann eigentlich der Knackpunkt in dem gesamten CCS-Bereich, eben die Speicherung beziehungsweise dauerhafte Lagerung. Und da gibt es bisher auch erste einzelne Versuchslagerstätten, wo getestet wird, wie das CO2 eingespeichert werden kann, wie es sich dort verhält, ob es sich unterhalb der Erde, unterhalb der Erdoberfläche ausbreitet. Da laufen verschiedene Monitoring-Verfahren. Das Ganze ist also eher auch im Pilotmaßstab im Augenblick nur verfügbar.

    Ehring: Ist es denn sinnvoll, das Ganze jetzt in Demonstrationsanlagen und Prototypen in kleinerem Maßstab zu testen?

    Viebahn: Im Prinzip geht jede Technologieentwicklung und auch jede Kraftwerksentwicklung so los, dass halt erst im Pilot- und dann im Demonstrationsmaßstab getestet wird. Das heißt, man muss halt erst mal sehen, wie funktioniert es, wie würde ein Upscaling auf große Anlagen funktionieren, was sind die Knackpunkte, zu welchen Kosten könnte es nachher großtechnisch überhaupt funktionieren.

    Ehring: Kann man denn abschätzen, wann das Ganze großtechnisch zur Verfügung steht und wie teuer das eventuell werden könnte?

    Viebahn: Bisherige Abschätzungen gingen eigentlich eher vom Jahr 2020 aus. Das heißt, dass es großtechnisch in 2020 verfügbar sein sollte. Das sind auch die Ziele der Europäischen Union unter anderem. Wir haben verschiedenste Studien analysiert und auch mit Unternehmen gesprochen, und da sieht es eigentlich eher so aus, dass es nicht nur hier, auch europa- oder auch weltweit eher Richtung 2025, 2030 geht. Das hängt damit zusammen, dass es eben nicht nur das Kraftwerk ist, was funktionieren muss mit der CO2-Abscheidung, sondern dass die ganze Kette ja zur Verfügung stehen muss. Es muss das Kraftwerk hochskaliert werden auf Großkraftwerk, 1000, 2000 Megawatt, es muss die Transportkette funktionieren, also die ganze Infrastruktur erst mal vorhanden sein, und eben auch der springende Punkt, die Lagerung nachher, die sichere, dauerhafte Lagerung, wo auch jeder einzelne Speicher beziehungsweise jede Lagerstätte einzeln untersucht werden muss. Da kann man nicht sagen, es funktioniert in einer Lagerstätte, es wird jetzt überall funktionieren, sondern jede geologische Formation ist anders. Das heißt, es muss jedes Mal speziell eine bestimmte Lagerstätte untersucht werden. Und das ganze zusammen muss ja funktionieren, vorher kann es nicht los gehen.

    Ehring: Die Kosten? Ist das schon irgendwie abzuschätzen, wie teuer das Ganze wird, ob sich das irgendwann mal lohnen wird?

    Viebahn: Da gibt es verschiedene Abschätzungen. Im Prinzip geht es um eine Erhöhung der Stromentstehungskosten, also die Herstellung des Stroms auf Kraftwerksseite um 50 Prozent bis 100 Prozent, je nachdem welche Technologie, welches Verfahren man sich vorstellt, wenn man durchrechnet, und dazu kommen dann auch noch der Transport und auch die Lagerung. Wie das sich nachher jetzt in Strompreise umsetzt, kann man daraus erst mal nicht ersehen. Allein die Herstellung des Stroms auf Kraftwerksseite wird entsprechend teurer werden.

    Ehring: Nun gibt es ja andere Entwicklungen, um die Energie umweltfreundlicher zu bekommen, die alternativen erneuerbaren Energien Windkraft zum Beispiel, oder Solarenergie. Wäre das eine Ergänzung, oder steht das gegen die Kohlendioxidspeicherung?

    Viebahn: Nach unserer Einschätzung ist umgekehrt eher CCS nicht unbedingt notwendig für Deutschland, weil wir eben die anderen Optionen haben, oder auch massiv ja ausbauen. Das sind im Wesentlichen die drei Säulen: Das ist einerseits der massive Ausbau der erneuerbaren Energien, wie er ja auch im Energiekonzept der Bundesregierung beschlossen wurde, dann das Einsparpotenzial umzusetzen, also die Einsparpotenziale auszuschöpfen, die sehr groß sind, und die dritte Säule ist die Kraft-Wärme-Kopplung, dass man also die Wärme, die bisher in Kraftwerken größtenteils nicht genutzt wird, eben auch nutzt und dementsprechend auch weniger fossile Brennstoffe braucht. Diese drei Bereiche zusammen genommen könnten im Prinzip die Reduktionsbemühungen jetzt im Stromsektor, speziell im Kraftwerksbereich, erfüllen. Das zeigen Studien unter anderem auch vom Bundesumweltministerium, die Leitstudie 2010, die eben auf Minus 80 Prozent CO2-Reduktion kommt in 2050 ohne CCS.

    Ehring: Eine skeptische Stimme zum Thema CCS. Das war Dr. Peter Viebahn vom Wuppertal-Institut. Herzlichen Dank.

    Viebahn: Ja, danke schön.

    Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.