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CO2 unter die Erde pumpen

Die Angst vor dem Klimawandel macht erfinderisch. Warum das schädliche CO2 nicht einfach unter die Erde pumpen? Dazu hat das Geophysikalische Institut Potsdam eine Versuchsbohrung in Brandenburg gestartet.

Von Gerhard Richter |
    Hildegard und Werner Schilling sind 80 Jahre alt, vom Fenster ihres Wohnblocks in Ketzin haben die beiden rüstigen Rentner freie Sicht auf die Landschaft. Zwischen den sanften Hügeln im Nordosten lag einmal ihr Dorf Knoblauch. In einem kleinen Herrenhaus haben sie vor 40 Jahren gewohnt, bis DDR-Geologen neben dem Dorf den ersten unterirdischen Gasspeicher der DDR errichtet haben. Misstrauisch war man schon, sagt Hildegard Schilling:

    "Das war schon böse, aber es hat sich auch keiner getraut, was zu sagen, damals in der Zeit."

    1965 war das, als zum ersten Mal das Stadtgas in 300 Meter Tiefe unter eine Lehmschicht gepumpt wurde. Aber die Technik versagte, mit Getöse explodierten Gassonden auf den Äckern, langsam und schleichend drang giftiges Kohlenmonoxid an die Oberfläche. Walter Schilling erinnert sich.

    "Das erste Mal passierte es bei Erwin Marzehna, der Gasaustritt kommt in die Wohnung. Er ist aufgestanden morgens und fühlt, Mensch, mir ist schlecht, mir ist schlecht, mir ist schlecht. Und dann haben sie gemessen und haben festgestellt, dass da Gaskonzentration in der Wohnung war."

    Das war das Ende von Knoblauch. Der Ministerrat der DDR ließ die 300 Einwohner umsiedeln und ganze Dorf samt Kirche abreißen. Schillings wurden entschädigt, bekamen eine der begehrten Wohnungen im Neubaublock und erlebten fast 30 Jahre störungsfreien Betrieb des Untergrundspeichers bis zum Jahre 2000. Dann wurde der Speicher leer gepumpt und aufgegeben. Aber jetzt wird bei Ketzin wieder gebohrt: Das Geophysikalische Institut Potsdam will diesmal Kohlendioxid unter die Erde pumpen. Das Gas ist mitverantwortlich für den Treibhauseffekt in der Atmosphäre, für Menschen aber ungefährlich, sagt Professor Dr. Frank Schilling vom geophysikalischen Institut:

    "Ja das CO2, das in Ketzin verwendet wird, ist dasselbe CO2, dass in Lebensmitteln verwendet wird, ob das Bier ist, Selters. CO2 ist weitestgehend ungefährlich, ungiftig, nicht brennbar. Die einzige Gefahr, ist die, dass sich in einer Senke ein CO2-See bildet, in dem man dann keinen Sauerstoff mehr hat, aber das CO2 selber ist ungefährlich."

    Da ist sich Professor Schilling sicher, so sicher, dass das Gebäude der früheren Gaswehr zum Besucherzentrum umfunktioniert wird. Dort können sich Gäste aus aller Welt genauso wie die Ketziner über das CO2-Experiment informieren. Bereits im Juni werden 60.000 Tonnen des klimaschädlichen Gases 700 Meter tief unter eine Lehmschicht gepresst. Die Forscher wollen wissen, wie schnell und in welche Richtungen sich das Gas verteilt, und wie das poröse Gestein reagiert.

    Kraftwerksbetreiber und Energiekonzerne warten gespannt auf Ergebnisse. Sollte der Ketziner Versuch gelingen, könnten Millionen Tonnen von Kohlendioxid aus den Abgasen gefiltert und in die Sedimente der norddeutschen Tiefebene gepresst werden. Das Modell Ketzin als Vorbild für den Klimaschutz? Die Ketziner selbst sind optimistisch:

    " Das Gas wurde doch schon gelagert hier, da haben wir auch keine Angst gehabt. Dann werden wir jetzt auch keine Angst haben."

    "Es geht um die Lehmhaltigkeit, dann kann so eine Blase ohne weiteres existieren, meiner Meinung nach."

    "Ich vertraue da wirklich den Fachleuten und den Politikern, die sagen, machen wir vernünftig. Warum sollen wir das nicht nutzen?"

    "Könnte Arbeitsplätze bringen."

    "Ich finde das gut, kommt Geld in die Stadt herein. Na, ich hoffe, dass da Steuergelder einfließen und dass so ein kleines Örtchen wie Ketzin hier davon profitiert."

    Nur die alten Knoblaucher wie die Schillings, deren Dorf vor 40 Jahren dem Fortschritt zum Opfer fiel, werden ihre Skepsis nicht mehr los.

    "Tatsache ist, man müsste sich eventuell schon Sorgen machen. Damals haben sie auch gesagt, es passiert nichts. Vielleicht ist es wieder so. Das weiß man nicht. Das kann man nicht sagen."