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CO2 unter Tage

Umwelt. - Eine Strategie im Kampf gegen den Klimawandel ist es, das Treibhausgas CO2 aus Kraftwerks- und Industrieschloten aufzufangen und langfristig zu deponieren. Seit Jahren in der Erprobung ist die Einlagerung in ausgebeutete Gaslagerstätten oder in poröse Sandsteinschichten tief in der Erde. In Schottland soll im kommenden Jahr erstmals das Abgas eines Kohlekraftwerks in Kohleflöze verpresst werden, deren Abbau nicht lohnt. Auf der Konferenz Nanotech 2008 in Boston wurde das Projekt vorgestellt.

Von Volker Mrasek |
    Den Namen Longannet wird man in Zukunft vermutlich öfter hören. Dort steht das zweitgrößte Kohle-Kraftwerk Großbritanniens, mitten im zentralen schottischen Kohlerevier. Heute bläst die Anlage ihr kohlendioxidhaltiges Abgas noch einfach in die Luft. Doch schon im nächsten Jahr soll ein Teil davon ganz woanders landen: tief unter Tage, in einem unberührten Steinkohle-Flöz.

    Stephen Jewell, Experte für Öl- und Gasexploration, beschreibt das Szenario:


    " Wir werden das Abgas in einen Kohleflöz am Kraftwerks-Standort injizieren. Das machen wir, indem wir Bohrungen abteufen, wie man sie aus der Öl- und Gasförderung kennt. Allerdings werden wir horizontal bohren, bis zu einen Kilometer in die Kohleadern hinein. Und es werden mehrere Flöze auf einmal sein. "

    Ingenieur Jewell arbeitet für die schottische Firma Composite Energy. Deren Geschäft ist es, sogenanntes Flözgas aus Kohle-Lagerstätten zu gewinnen, die niemand abbaut. Weil sie zu mickrig sind und zu tief in der Erdkruste stecken.

    Genauso verhält es sich mit den Flözen in Longannet: Sie sind nur wenige Meter dick und liegen fast tausend Meter unter der Oberfläche. Aber sie speichern jede Menge Flözgas. Es füllt die feinen Poren der Kohle aus und enthält Methan, einen nutzbaren Energieträger. Wenn man Kraftwerksabgas komprimiert und in die Flöze presst, kann man der Kohle förmlich das Methan austreiben ...

    " Das Projekt verfolgt zwei Ziele. Zum einen wollen wir das Flözgas gewinnen. Zum anderen bietet sich eine neue Speichermöglichkeit für das Treibhausgas Kohlendioxid. Das hat mit den Eigenschaften der Kohle zu tun. Sie hat eine höhere Affinität zu CO2 als zu Methan. Also verdrängt Kohlendioxid das Flözgas aus seinen Bindungen. Außerdem ist die Speicherkapazität für CO2 höher: In der Regel fasst Kohle zwei- bis viermal so viel Kohlendioxid wie Methan. Das bedeutet: Die Flöze können mehr CO2 einlagern, als bei der Nutzung des geförderten Methans entsteht. Damit könnten sie der Atmosphäre sogar Kohlendioxid entziehen. "

    Im Moment laufen noch Vorstudien im Labor. Ganz so einfach ist das nämlich nicht mit der Einleitung des Kraftwerksabgases. In Polen, Kanada und den USA gab es bereits Versuche mit reinem CO2. Dabei tauchten Probleme auf.

    Henk Pagnier, Geologe bei der niederländischen Forschungsorganisation TNO in Utrecht:

    " Wenn man CO2 in die Kohle einführt, dann verändert sich ihre Durchlässigkeit. Bei unseren Versuchen im Rahmen eines EU-Projektes in Polen haben wir gesehen, dass die Kohle mit zunehmenden Eintrag von CO2 aufquillt, wie wir sagen. Die Porenräume verengen sich. Die Frage ist also: Kriegt man es hin, dass sich das Kohlendioxid im ganzen Flöz verteilt? "

    Stephen Jewell ist da ziemlich optimistisch. Denn mit dem Kraftwerksabgas hat er andere Erfahrungen gemacht. Es besteht überwiegend aus Stickstoff und nur zu 15 Prozent aus CO2. Wie sich im Labor zeigte, wirkt der Stickstoff dem Aufquellen der Kohle entgegen ...

    " Die meisten Kohlen haben das Potential, große Methan-Mengen abzugeben und dafür Kohlendioxid einzulagern. Es geht jetzt darum zu zeigen, dass diese Technologie funktioniert. Genau das haben wir in Schottland vor. Wenn es klappt, dann kann man sich das Ganze auch an jedem anderen Ort auf der Erde vorstellen. "

    Im nächsten Jahr soll der Pilotbetrieb in Longennet losgehen. 2012 können sich die Schotten die erste kommerzielle Anlage vorstellen.

    Der Niederländer Henk Pagnier wird dann vermutlich nicht mehr in Polen forschen, sondern in China, wo es von Kohleflözen nur so wimmelt:

    " Wir arbeiten schon heute im Labor mit chinesischen Experten zusammen. Und in zwei, drei Jahren wollen wir einen größeren Feldversuch im Land selbst starten, mit Unterstützung der EU. "