Bettina Klein: Viele schöne Worte und ein konkretes Ergebnis, so charakterisierte gestern ein Beobachter die in der Hauptstadt verabschiedete "Berliner Erklärung". Man einigte sich schließlich auf das Ziel, bis 2009 einen neuen Grundlagenvertrag auf die Beine zu stellen. Schöne Worte zum Geburtstag sind in Ordnung. Wie verhält es sich aber mit dem eigentlichen Wert der Erklärung, nämlich 27 Staaten legen sich mehr oder weniger auf einen Termin fest?
Daniel Cohn-Bendit ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Europaparlament und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Cohn-Bendit.
Daniel Cohn-Bendit: Guten Morgen!
Klein: Wie realistisch ist dieser Fahrplan aus Ihrer Sicht?
Cohn-Bendit: Na ja, erst mal kann man von dieser Erklärung einfach sagen: Das Beste was man ihr abgewinnen kann ist, dass sie nichts verhindert. Ansonsten ist der Fahrplan deswegen unsicher, weil wir auch nicht wissen, welche Auseinandersetzungen im Grunde genommen jetzt auf dem Beichtstuhl geführt werden. Diese Geheimdiplomatie-Strategie der Bundesregierung hat einen Nachteil, dass sie als Ratsvorsitzende alle Fäden in der Hand hat, aber ansonsten wir nicht wissen im Grunde genommen, was die einzelnen Staaten jetzt für Ansprüche haben. Deswegen glaube ich, dass wir noch viele, viele unangenehme Überraschungen erleben werden in den nächsten Monaten.
Klein: Wir wissen nicht genau, was die Staaten für Ansprüche haben, sagen Sie, aber es ist ja mitunter doch auch ein Vorteil der Diplomatie, nicht auf öffentlichen Plätzen zu verhandeln, sondern hinter verschlossenen Türen oder nicht?
Cohn-Bendit: Das halte ich eben für das Problem. Wissen Sie, das hat man beim Nizza-Vertrag vor einigen Jahren auch gemeint. Da wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt. Da kam etwas Grausames heraus. Das war so grausam, dass gleich ein Konvent eingesetzt wurde, um das ganze wieder aufzulösen und dann eben dieser erste Entwurf des Verfassungsvertrages heraus kam. Ich traue dem Frieden nicht, weil, wissen Sie, in der Geheimdiplomatie wird ganz furchtbar geschachert. Gibst du mir das, gebe ich dir das. Am Ende ist niemand dem Gemeinwohl verpflichtet, sondern nur den eigenen Interessen, während in der öffentlichen Auseinandersetzung muss man das Gemeinwohl Europas definieren und das, glaube ich, da hakt es. Da sind die ersten Erklärungen da wie etwa von Vaclav Klaus, mit uns ist da gar nichts abgesprochen, dieser Termin ist ein möglicher Termin. Die Polen haben das gleiche gesagt. Also ich glaube, dieses Gottvertrauen in die Geheimdiplomatie, das finde ich das Merkwürdigste, was es gibt.
Klein: Aber ist an dem was die Kanzlerin gestern sagte nicht viel dran, dass solche Interessenskonflikte, die ja nun mal einfach vorhanden sind bei 27 Staaten, viel stärker eine Gefahr sind zu eskalieren, wenn man sie öffentlich austrägt und am Ende dann so viel Porzellan zerschlagen wird, dass am Ende wirklich kein Vertrag mehr stehen kann?
Cohn-Bendit: Man kann ja alles so oder so sehen. Die Gefahr der Geheimdiplomatie ist, dass jeder auf seinen Standpunkt pocht und dann überrascht wird, was aus seinem Standpunkt am Ende gemacht wird, weil er ja bei den Verhandlungen mit den anderen nicht dabei ist. Die einen wollen unbedingt den Gottesbezug, die anderen wollen den unbedingt nicht. Das wissen sie jetzt, und wie machen sie das? Sie müssen ja zwischen denen, die wollen und nicht wollen, eine Diskussion organisieren, und im Beichtstuhl geheimen Verfahren haben sie dann keine Diskussion. Sie unterschätzen einfach die verheerende Dynamik, die solche Verhandlungen hinter verschlossenen Türen hat. Erinnern Sie sich doch an Nizza. Die sind alle rausgekommen nach dem Gipfel von Nizza und haben gesagt, jetzt ist Europa fit für die Erweiterung, und nicht mal 14 Tage später haben sie die Hände über den Kopf geschlagen und gesagt, oh Gott, was haben wir da gemacht. Wir haben in diesen geheimen Nächten einfach alle diese Nächte verpennt.
Klein: Herr Cohn-Bendit, was sind denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten Widerstände von Staaten, die jetzt auf offener Bühne ausgetragen und ausgeräumt gehören?
Cohn-Bendit: Ich glaube, es muss endlich mal gesagt werden, ob wir eine handlungsfähige Europäische Union wollen, die nach außen und nach innen Entscheidungen gemeinsam auch austragen kann. Das heißt, wir müssen eine Europäische Union haben, die die Einstimmigkeit der Entscheidungen im Rat abschafft. Wir müssen eine Europäische Union haben, die die demokratische Kontrolle über die Gesetzgebung auch den Parlamenten wieder zurückgibt, also das Mitentscheidungsverfahren entwickelt. Wir müssen eine Europäische Union haben, die einen Außenminister hat mit einem diplomatischen Dienst. Wir müssen eine Europäische Union haben, die nicht nur verbindliche Ziele gegen die Klimakatastrophe definiert, sondern auch einen Klimastabilitätspakt, damit wir auch Sanktionsmöglichkeiten durch die Kommission haben wie zum Beispiel beim Euro-Stabilitätspakt. Wir müssen eine Europäische Union haben, die in der Lage ist, zivile Konfliktprävention voranzutreiben, das heißt den Aufbau von ziviler Konfliktprävention und, wenn es sein muss, den Aufbau auch einer gemeinsamen militärischen Prävention.
Klein: Ich hatte aber nach den Widerständen gefragt, mit denen Sie rechnen und die von der EU-Ratspräsidentschaft jetzt auszuräumen wären.
Cohn-Bendit: … weil die Völker mit davon betroffen sind. Man tut so, wenn die Regierungen sich geeinigt haben, dann sind die Völker dabei und das stimmt einfach nicht.
Klein: Ich hatte nach den Widerständen gefragt, Herr Cohn-Bendit, mit denen Sie rechnen und die jetzt von der EU-Ratspräsidentschaft ausgeräumt werden müssen. - Jetzt scheint unsere Leitung nach Frankfurt am Main nicht mehr zu stehen. Da ist leider die Leitung nach Frankfurt offenbar zusammengebrochen. Das war Daniel Cohn-Bendit, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament.
Daniel Cohn-Bendit ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Europaparlament und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Cohn-Bendit.
Daniel Cohn-Bendit: Guten Morgen!
Klein: Wie realistisch ist dieser Fahrplan aus Ihrer Sicht?
Cohn-Bendit: Na ja, erst mal kann man von dieser Erklärung einfach sagen: Das Beste was man ihr abgewinnen kann ist, dass sie nichts verhindert. Ansonsten ist der Fahrplan deswegen unsicher, weil wir auch nicht wissen, welche Auseinandersetzungen im Grunde genommen jetzt auf dem Beichtstuhl geführt werden. Diese Geheimdiplomatie-Strategie der Bundesregierung hat einen Nachteil, dass sie als Ratsvorsitzende alle Fäden in der Hand hat, aber ansonsten wir nicht wissen im Grunde genommen, was die einzelnen Staaten jetzt für Ansprüche haben. Deswegen glaube ich, dass wir noch viele, viele unangenehme Überraschungen erleben werden in den nächsten Monaten.
Klein: Wir wissen nicht genau, was die Staaten für Ansprüche haben, sagen Sie, aber es ist ja mitunter doch auch ein Vorteil der Diplomatie, nicht auf öffentlichen Plätzen zu verhandeln, sondern hinter verschlossenen Türen oder nicht?
Cohn-Bendit: Das halte ich eben für das Problem. Wissen Sie, das hat man beim Nizza-Vertrag vor einigen Jahren auch gemeint. Da wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt. Da kam etwas Grausames heraus. Das war so grausam, dass gleich ein Konvent eingesetzt wurde, um das ganze wieder aufzulösen und dann eben dieser erste Entwurf des Verfassungsvertrages heraus kam. Ich traue dem Frieden nicht, weil, wissen Sie, in der Geheimdiplomatie wird ganz furchtbar geschachert. Gibst du mir das, gebe ich dir das. Am Ende ist niemand dem Gemeinwohl verpflichtet, sondern nur den eigenen Interessen, während in der öffentlichen Auseinandersetzung muss man das Gemeinwohl Europas definieren und das, glaube ich, da hakt es. Da sind die ersten Erklärungen da wie etwa von Vaclav Klaus, mit uns ist da gar nichts abgesprochen, dieser Termin ist ein möglicher Termin. Die Polen haben das gleiche gesagt. Also ich glaube, dieses Gottvertrauen in die Geheimdiplomatie, das finde ich das Merkwürdigste, was es gibt.
Klein: Aber ist an dem was die Kanzlerin gestern sagte nicht viel dran, dass solche Interessenskonflikte, die ja nun mal einfach vorhanden sind bei 27 Staaten, viel stärker eine Gefahr sind zu eskalieren, wenn man sie öffentlich austrägt und am Ende dann so viel Porzellan zerschlagen wird, dass am Ende wirklich kein Vertrag mehr stehen kann?
Cohn-Bendit: Man kann ja alles so oder so sehen. Die Gefahr der Geheimdiplomatie ist, dass jeder auf seinen Standpunkt pocht und dann überrascht wird, was aus seinem Standpunkt am Ende gemacht wird, weil er ja bei den Verhandlungen mit den anderen nicht dabei ist. Die einen wollen unbedingt den Gottesbezug, die anderen wollen den unbedingt nicht. Das wissen sie jetzt, und wie machen sie das? Sie müssen ja zwischen denen, die wollen und nicht wollen, eine Diskussion organisieren, und im Beichtstuhl geheimen Verfahren haben sie dann keine Diskussion. Sie unterschätzen einfach die verheerende Dynamik, die solche Verhandlungen hinter verschlossenen Türen hat. Erinnern Sie sich doch an Nizza. Die sind alle rausgekommen nach dem Gipfel von Nizza und haben gesagt, jetzt ist Europa fit für die Erweiterung, und nicht mal 14 Tage später haben sie die Hände über den Kopf geschlagen und gesagt, oh Gott, was haben wir da gemacht. Wir haben in diesen geheimen Nächten einfach alle diese Nächte verpennt.
Klein: Herr Cohn-Bendit, was sind denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten Widerstände von Staaten, die jetzt auf offener Bühne ausgetragen und ausgeräumt gehören?
Cohn-Bendit: Ich glaube, es muss endlich mal gesagt werden, ob wir eine handlungsfähige Europäische Union wollen, die nach außen und nach innen Entscheidungen gemeinsam auch austragen kann. Das heißt, wir müssen eine Europäische Union haben, die die Einstimmigkeit der Entscheidungen im Rat abschafft. Wir müssen eine Europäische Union haben, die die demokratische Kontrolle über die Gesetzgebung auch den Parlamenten wieder zurückgibt, also das Mitentscheidungsverfahren entwickelt. Wir müssen eine Europäische Union haben, die einen Außenminister hat mit einem diplomatischen Dienst. Wir müssen eine Europäische Union haben, die nicht nur verbindliche Ziele gegen die Klimakatastrophe definiert, sondern auch einen Klimastabilitätspakt, damit wir auch Sanktionsmöglichkeiten durch die Kommission haben wie zum Beispiel beim Euro-Stabilitätspakt. Wir müssen eine Europäische Union haben, die in der Lage ist, zivile Konfliktprävention voranzutreiben, das heißt den Aufbau von ziviler Konfliktprävention und, wenn es sein muss, den Aufbau auch einer gemeinsamen militärischen Prävention.
Klein: Ich hatte aber nach den Widerständen gefragt, mit denen Sie rechnen und die von der EU-Ratspräsidentschaft jetzt auszuräumen wären.
Cohn-Bendit: … weil die Völker mit davon betroffen sind. Man tut so, wenn die Regierungen sich geeinigt haben, dann sind die Völker dabei und das stimmt einfach nicht.
Klein: Ich hatte nach den Widerständen gefragt, Herr Cohn-Bendit, mit denen Sie rechnen und die jetzt von der EU-Ratspräsidentschaft ausgeräumt werden müssen. - Jetzt scheint unsere Leitung nach Frankfurt am Main nicht mehr zu stehen. Da ist leider die Leitung nach Frankfurt offenbar zusammengebrochen. Das war Daniel Cohn-Bendit, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament.
