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Colleges in den USA
Immer mehr Studierende hungern

Ein Studium ist für viele junge Menschen in den USA die Eintrittskarte in ein besseres Leben. Der Weg ist aber oft hart. Laut einer Studie hat die Hälfte aller College-Studierenden in den USA zu wenig zu essen. Private Organisationen und viele Hochschulen versuchen, den Studenten regelmäßige Mahlzeiten zu verschaffen.

Von Heike Wipperfürth | 08.02.2018
    College-Studenten in New York warten auf ihre Abschlussfeier im Madison Square Garden
    College-Studenten in New York warten auf ihre Abschlussfeier im Madison Square Garden (imago / Erik McGregor)
    "Wir haben Milch, Früchte, Bohnen, Erbsen..."
    Kürzlich unweit der Fifth Avenue in einem winzigen Raum im Keller des Guttman Community College in New York. Die Sozialarbeiterin Samantha Gregoire-James zeigt auf ein Regal voller Konservendosen und Fertiggerichte, die sie im Kampf gegen den Hunger kostenlos an bedürftige Studierende verteilt.
    Etwas Besseres gäbe es nicht, sagt Alexy Pineda, ein finanzschwacher Studierender im 4. Semester aus der South Bronx, der Psychiater werden will - und sehr dankbar für die Hilfe ist.
    "Wenn es mir schlecht geht und ich nicht mehr weiter weiß, komme ich hierher und mir wird geholfen. Ich nehme mir Saft, Milch, Müsli und Früchte."
    Hunger ist die neue Norm
    Laut der Bildungsexpertin Sara Goldrick-Rab von der Temple University in Philadelphia hat fast die Hälfte aller College-Studierenden in den USA zu wenig zu essen. Und alleine 60.000 Studierende am staatlichen und städtischen Hochschulverband von New York leiden unter Hunger. Deshalb will der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo kostenlose Lebensmittelausgaben an 78 öffentlichen Colleges einrichten – für eine Million Dollar.
    Das sei viel zu wenig, warnt Nick Freudenberg, Professor für Gesundheitswesen an der City University of New York.
    "Es ist ein winziger Schritt in die richtige Richtung, aber wir schätzen, dass wir 30 bis 40 Millionen Dollar brauchen, um die 60.000 hungrigen Studierenden zu ernähren."
    Hunger sei die neue Norm, seit die Studiengebühren steigen, die Löhne aber sinken und immer mehr finanzschwache Studierende in die Unis drängen, sagt Nick Freudenberg.
    Vom Einkommen bleibt nicht viel übrig
    Viele unserer Studierenden leiden unter Hunger, weil von ihrem geringen Einkommen nicht mehr viel übrig bleibt, wenn sie die Studiengebühren und Textbücher bezahlt haben. Es ist unzumutbar, dass sie sich zwischen Nahrung und Studium entscheiden müssen."
    Das findet auch Rachel Sumekh. Die 26-Jährige gründete Swipe Out Hunger, eine gemeinnützige Organisation in Los Angeles, die will, dass alle satt werden.
    Ihr Konzept ist einfach: Sozial bessergestellte Studierende spenden Essensgutscheine, die sie bereits bezahlt haben, aber nicht brauchen und geben sie an Kommilitonen weiter, die sparen müssen.
    "Unis davon zu überzeugen, das Programm zu übernehmen, ist nicht leicht, aber wenn sie ein paar tausend Dollar mehr für das Essen in der Mensa ausgeben, weil dort mehr Studierende essen, dann wirkt sich das positiv auf die Gesundheit und Lernfähigkeit auf dem Campus aus."
    Der Erfolg ihres Konzeptes lässt aufhorchen: 37 Hochschulen, darunter die Universität von Pennsylvania und die Universität von Berkeley, sind ihrer Organisation beigetreten. Im vorigen Jahr hat sie es geschafft, 28.000 Studierenden kostenlose Mahlzeiten auf dem Campus zu verschaffen. Doch Rachel Sumekh will mehr.
    Zertifikat "Hungerfreies College"
    "Alle Universitäten sollten es als ihre Aufgabe betrachten, den Grundbedürfnissen ihrer Studierenden gerecht zu werden. Tun sie das nicht, ist es egal, wie toll die Professoren und wie großartig die Gebäude sind."
    Sumekh freut sich darüber, dass der US-Bundesstaat Kalifornien jetzt alle staatlichen Colleges beim Eintritt in ihre Organisation und beim Aufbau kostenloser Lebensmittelausgaben mit 7,5 Millionen Dollar unterstützt. Außerdem sollen sie mit einem "hungerfreies College"- Zertifikat ausgezeichnet werden. Und das sei erst der Anfang.
    "Wenn wir über den mangelnden Zugang der Studierenden zu Nahrungsmitteln sprechen, müssen wir uns fragen: Haben sie ein Dach über dem Kopf? Eine Krankenversicherung? Es gibt noch ganz andere Herausforderungen, die wir angehen müssen."
    Alleine in diesem Monat finden sieben Veranstaltungen und Konferenzen statt, in denen Experten darüber nachdenken, wie sie Hunger vom Campus verbannen können.