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Comeback der Sense

Tote Schnecken, Benzingestank und Lagerprobleme: Wem der elektrische Rasenmäher für seine kleine Wiese zu unpraktisch erscheint, der kann mit einer Sense Schwung in die Gartenarbeit bringen. Sensenworkshops lehren Schleif- und Schwingtechnik.

Von Jörn Haarmann | 20.08.2013
    Jeder hat selbst in der Hand, sich umweltverträglicher zu verhalten - was dem Spaß an manchen Dingen durchaus keinen Abbruch tut. Zum Beispiel beim Wiesemähen. Jahrhundertelang ging das ohne Strom und Benzin, mit Sensen nämlich. Aber wer kann das schon noch? Im Freilichtmuseum im lippischen Detmold gibt es zum Beispiel solche Leute, und die geben ihr Wissen gerne weiter. Gewusst wie also – der richtige Schwung fürs Mähen mit der Sense – die Reportage von Jörn Haarmann.

    "Ich fass mal mit an, den rechten Fuß vor. Das Blatt immer auf dem Boden lassen und jetzt einen Halbkreis beschreiben. Und Ratsch! Und Ratsch! Man muss sich zwingen, am Anfang das Blatt immer flach aufn Boden! Ja, das sieht doch schon gut aus dort drüben."

    Landschaftsökologin Susanne Kurz schaut ganz genau hin, wie sich die Teilnehmer ihres Sensenworkshops machen. Acht Männer und zwei Frauen haben sich daran gemacht, eine große Wildblumenwiese im Detmolder Freilichtmuseum per Hand zu mähen. Schritt für Schritt schneiden die Sensenblätter durch das Gras wie heiße Messer durch Butter. Auch bei Kursteilnehmer Lutz Carta klappt es schon ganz gut:

    "Es macht sehr viel Spaß, und es ist jetzt auch körperlich nicht so anstrengend, wie man das vermutet. Es geht relativ leicht, man muss sich aber sehr konzentrieren auf das, was man alles gleichzeitig machen muss. Sensenblatt auf dem Boden halten, Oberkörper drehen, das ist schon Koordinationsarbeit."

    Wichtig ist auch, bei der Sensenbewegung nicht zu schnell zu laufen. Susanne Kurz:

    "Dass die Leute immer meinen, jetzt muss ich aber richtig viel schaffen und zu schnell nach vorne wandern. Und dann bleibt dazwischen immer was stehen. Also man muss wirklich an einer Stelle stehen bleiben und von da aus erst mal zwei, dreimal Schwung machen und dann auch nicht so einen Riesenschritt, sondern sich Zentimeter um Zentimeter vorarbeiten."

    Fast über zwei Jahrtausende wurden Wiesen und Getreidefelder gesenst. Doch die fortschreitende Technisierung verdrängte das alte Handwerk aus Landwirtschaft und Gärten. Inzwischen aber nimmt die Nachfrage wieder deutlich zu, ohne Lärm und Benzinverbrauch mähen zu können, beobachtet Dirk Tornede. Der gelernte Landwirt koordiniert die Umweltbildung beim Naturschutzbund in Detmold.

    "Wenn man so an Kleinflächen denkt, da ist eine Sense von Hand einfacher und schneller als eine Motorsense. Für den Artenschutz, für die Tiere, die auf der Wiese leben wie Heuschrecken oder Schnecken ist es schon schonender mit der Hand zu sensen, weil sie dann doch eine Möglichkeit haben zu flüchten und nicht durch die rotierenden Messer der Motorsense erwischt zu werden. Im privaten Bereich wird das seine Nische finden, und das begrüßen wir auch."

    Sensenkurse gibt es bundesweit, oft veranstaltet von Freilichtmuseen, Vereinen oder Naturschutzverbänden. Durchschnittlich kostet so ein Kurs zwischen 20 und 40 Euro. Die meisten Teilnehmer haben selten oder noch nie vorher mit der Sense gemäht. So wie Horst Hanke aus Lemgo.

    "Das ist jetzt so das erste Mal, und deshalb auch jetzt so einen Kurs. Weil in dem Dorf, wo ich herkomme, da gibt es nur noch alte Leute, aber die wenigsten können noch sensen oder haben so viele Gebrechen, dass sie einem das nicht mehr wirklich zeigen können. Ich möchte unsere Wildblumenwiese naturgerecht mähen, um auch die Natürlichkeit zu erhalten. Und das geht nicht mit Motorgeräten."

    Vor dem eigentlichen Mähen lernen die angehenden "Sensenmänner und -frauen" zu dengeln; also, das stählerne Sensenblatt zu schärfen. Dazu bekommt jeder Hammer und Amboss, auf den die Sensenblätter aufgelegt werden. Die Hammerschläge wandern anschließend die gesamte Länge des Blattes ab, erklärt Kursleiterin Susanne Kurz.

    "Ohne Dengeln hat man auf Dauer keine scharfe Sense, ohne scharfe Sense kann man nicht gescheit mähen. Das Dengeln ist einfach ein Vorgang, bei dem der Stahl dünner geklopft wird und dadurch einmal gehärtet wird. Und zum anderen durch das Dünnere so eine Grundschärfe schon in das Sensenblatt kommt."

    Abschließend erhalten die vorgeschärften Sensenblätter noch ihren letzten Schliff durchs Wetzen. Dazu reiben die Sensenkursteilnehmer einen nassen, rauen und etwa zollstockgroßen Wetzstein kreuzweise an den Sensenblättern entlang. Und dann geht es endlich auf die Wiese.

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