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Comeback für die Xenotransplantation

Medizin. – Ersatzorgane sind Mangelware und nicht wenige Patienten sterben während des Wartens auf geeigneten Ersatz für das eigene zerstörte Organ. Weil die Lebenserwartung weiterhin steigt, rechnen Experten mit einer zunehmenden Verschärfung dieser Situation. Einen Ausweg könnten Tiere als Organspender darstellen, doch noch lassen sich die fremden Gewebe nicht ohne den Widerstand des Empfänger-Immunsystems verwenden. Besonders intensiv forschen Mediziner dabei an Schweinen, denn sie weisen große genetische und physiologische Ähnlichkeit mit dem Menschen auf. Eine Wissenschaftspressekonferenz in Bonn widmete sich an diesem Dienstag dem Thema der so genannten "Xenotransplantation" – der Verpflanzung von tierischen Organen auf den Menschen.

    Schweine stehen in biologischer Hinsicht dem Menschen verblüffend nahe und so entstand die Idee, die Tiere als Ersatzteillieferanten für den Menschen zu nutzen. Doch nach ernüchternden Forschungsvorhaben wurde es um dieses Konzept der Xenotransplantation – der Übertragung von fremdem Gewebe auf den Menschen – wieder sehr still. Möglicherweise vorschnell, wie Professor Heiner Niemann vom Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Mariensee meint: "Grund hierfür war einerseits die Gefahr, dass im Genom der Tiere verborgene Viren auf den Menschen übertreten könnten. Andererseits fiel diese Entdeckung zeitlich zusammen mit dem Aufkommen der Forschung an embryonalen Stammzellen, in denen viele Experten euphorisch die universale Reparaturlösung für geschädigte Organe sahen." Doch inzwischen sei auch in diesem Feld Ernüchterung eingekehrt. Andererseits habe die Xenotransplantation weitere Fortschritte gemacht und es zeige sich immer deutlicher, dass diese Technologie eine doch sehr wichtige Alternative sein könnte, um den Mangel an menschlichen Spenderorganen zu mindern.

    Ein Grundproblem bei der Verpflanzung eines Organs – sei es menschlichen oder tierischen Ursprungs – ist die Abstoßung durch den Empfänger. "Neue Untersuchungen zeigen, dass die binnen Sekunden einsetzende und extrem heftige Abwehrreaktion des Empfängers durch heute mögliche genetische Modifikationen am Erbgut von Schweinen vermieden werden kann", so Niemann. Dadurch ließen sich die durchschnittlichen Überlebensraten bei der Verpflanzung von tierischen Herzen und Nieren auf zwei bis drei Monate erhöhen. Zwar sei dies noch nicht ausreichend, doch die Fortschritte belegten trotzdem, dass zumindest die so genannte hyperakute Reaktion des Immunsystems auf ein Fremdorgan heute besser kontrolliert werden könne. Ein jetzt aufgelegtes Vorhaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG== baut auf diesen Erkenntnissen auf und sucht nach Wegen, durch weitere Veränderungen am Erbschatz der Schweine dauerhaftere Transplantationserfolge zu erzielen. Dazu werde es notwendig sein, die auf die hyperakute Abwehrreaktion nachfolgende, das Gefäßbett betreffende "vaskuläre Abstoßung" sowie die zelluläre Immunantwort auszuhebeln. Dazu sollen Schlüsselgene, deren Produkte der Identifizierung von Geweben dienen, so verändert werden, dass das menschliche Abwehrsystem die daraus hergestellten Bausteine nicht länger als "feindlich" erkennt. Dennoch werde nicht auf eine immununterdrückende Vorbehandlung der Empfänger verzichtet werden können.

    Als gute Kandidaten für solche so genannte "multitransgene" Tiere mit mehrfachen genetischen Manipulationen schätzt Professor Niemann bestimmte Minischweine ein. Wie schon bei dem legendären Klonschaf "Dolly" würden sie durch Klonung gezeugt werden, wobei die geklonte Zelle mit den notwendigen genetischen Veränderungen versehen würde. Alle weiteren Nachkommen dieser "Prototypen" würden dann ebenfalls die neuen Erbmerkmale tragen. Zwar sei der Ausgang dieser Studien heute noch völlig unklar und es sei unsicher, ob solche Spenderorgane über Jahre ihre Funktion erfüllen könnten. Vielmehr erwartet der Fachmann eine Entwicklung wie in der frühen Phase der Herztransplantation. Während die ersten übertragenen Organe kaum länger als einen Monat überstanden hätten, lägen die durchschnittlichen Überlebenserwartungen dabei heute bei bis zu 15 Jahren. Selbst eine zeitlich begrenzte Haltbarkeit eines tierischen Spenderorgans könnte die Wartezeit auf ein besser geeignetes menschliches Ersatzorgan verlängern und die Überlebenschancen der Patienten erhöhen. Sorge bereiteten Medizinern insbesondere so genannte endogene Retroviren, also Viren, die sich möglicherweise über Jahrtausende im Erbgut der Tiere quasi schlafend verborgen haben und die nach einer Transplantation aktiviert und auf den Menschen übergehen könnten. "Hierzu fanden bereits sehr intensive Untersuchungen beispielsweise am Affenmodell statt. Sie zeigen, dass dieses Risiko als sehr gering einzustufen ist. Virologen haben hier weitgehend Entwarnung gegeben", erklärt Heiner Niemann.

    [Quelle: Ralf Krauter]