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Comic-Con in San Diego
Was die weiblichen Nerds umtreibt

Das Verhältnis von Frauen- und Männerfiguren in Comics und Comic-Verfilmungen ist unausgeglichen. Das Superhelden-Kino holt allerdings langsam auf, die Comics sind aber schon weiter. Bereits 1940 gab es ein Heft mit einer weiblichen Superheldin. Auf der Comic-Con International in San Diego, einem der weltweit größten Comic-Treffen, wird sich eigens ein Panel mit dem Thema beschäftigen.

Von Wolfgang Stuflesser | 21.07.2016
    Verkleidete Fans auf der Comic-Con International in San Diego
    Verkleidete Fans auf der Comic-Con International in San Diego (dpa / David Maung)
    Im Kino sind die "Avengers" das Nonplusultra des Blockbusters: maximales Budget, maximale Starpower - maximaler Profit. Diese Superheldengruppe, zu der Iron Man, Thor, Hulk und Captain America gehören, hat der Comic-Schmiede Marvel und damit dem Disney-Konzern als Mutterfirma bereits Milliarden eingebracht. Janina Scarlett ist Psychologin und selbst Comic-Fan. Sie wird auf der Comic-Con bei einem der Panel über Frauen in Comics und Comic-Verfilmungen diskutieren. Denn da gibt es ein Problem:
    "Wir sehen immer noch weit weniger weibliche als männliche Charaktere. Selbst bei den ‘Avengers’ gibt es im Moment nur zwei Superheldinnen: Black Widow und Scarlet Witch, neben einer Fülle von Männern. Dabei stellen Frauen 51 Prozent der Menschheit - also sollte auch im Film das Verhältnis von Frauen- und Männerfiguren ungefähr gleich sein."
    Black Widow zum Beispiel ist mit Scarlett Johansson hochkarätig besetzt. Noch traut ihr Marvel aber offenbar nicht zu, mit einem eigenen Film das nötige Publikum zu ziehen, während bei Thor bereits der dritte Solo-Film in Arbeit ist.
    Nach den Comic-Verlagen zieht die Filmindustrie langsam nach
    Doch es gibt Hoffnung: Der zweite große Comic-Verlag neben Marvel ist DC-Comics, mit Batman und Superman als wohl bekanntesten Helden. Und DC bringt nächsten Juni Wonder Woman auf die Leinwand, besetzt mit der Israelin Gal Gadot. Sie hatte schon im März bei "Batman vs. Superman" einen Gastauftritt - und musste den männlichen Titelhelden erst mal beweisen, dass auch sie kämpfen kann.
    Patty Jenkins hat beim bereits abgedrehten "Wonder Woman"-Film Regie geführt. Ihrer Ansicht nach fügt die Figur dem Superhelden-Kanon ein neues Element hinzu: Sie sei gütig, freundlich und liebevoll - ohne dass das ihrer Stärke Abbruch tut.
    Während das Superhelden-Kino also langsam aufholt, sind die Comics schon weiter: 1940, zwei Jahren nach dem ersten Superman-Heft, gab es schon eine weibliche Superheldin. Und gerade Marvel hat in jüngster Zeit einiges gewagt: Seit zwei Jahren gibt es die Figur der Kamala Khan, eine pakistanisch-stämmige Amerikanerin und die erste Superheldin muslimischen Glaubens. Ihre Schöpferin ist Sana Amanat:
    "Die Figur entstand aus dem unterbewussten Wunsch von Frauen auf der ganzen Welt, dass sie in Comics angemessen repräsentiert werden: von kleinen, muslimischen, nerdigen Frauen wie mir - und allen anderen, die sich als Außenseiter fühlen."
    Reale Beziehungsverhältnisse - auch im Comic
    Und im Gegensatz zum Aufschrei der Fans beim rein weiblichen neuen Ghostbuster-Film, war Kamala Khan ein voller Erfolg, ebenso wie die Figur der Jane Foster, in den Thor-Filmen gespielt von Natalie Portman, die in der jüngsten Comic-Reihe ein weiblicher Thor ist, oder die Figur der Afroamerikanerin Riri Williams, die demnächst von Tony Stark die Iron-Mann-Rüstung übernimmt - Marvel spielt also bewusst mit den Geschlechterkonventionen, weit mehr als in den Filmen, bei denen womöglich das enorme Budget manch mutige Idee und Risikobereitschaft im Keim erstickt. Nun sagen manche Kritiker: Superhelden an sich sind ja schon total unrealistisch - warum müssen die Comics und Filme dann in anderen Punkten wie Geschlechterverhältnis oder der Vielfalt von Rassen und Religionen realistisch sein? Sie müssen, sagt Mike Rugnetta, Comic-Experte beim US-Fernsehsender PBS:
    "Wir lernen nämlich schon von klein auf, unrealistische Figuren zu erkennen und von ihnen zu abstrahieren. Aber die persönlichen Beziehungen in den Geschichten oder die gesellschaftlichen Verhältnisse, die nehmen wir immer für bare Münze. Kurz gesagt: Man bringt uns bei, dass Superhelden unrealistisch sind - aber man bringt uns nicht bei, dass es genauso unrealistisch ist, jeden Muslim aus dem Nahen Osten als Terroristen darzustellen."
    Superhelden spielen in der amerikanischen Popkultur wie im Alltag eine große Rolle: Schon Kindergartenkinder tragen Captain-America-T-Shirts und gehen an Halloween als Batman. Die Jungs zumindest. Wäre ja nicht schlecht, wenn die Mädchen demnächst auch eine größere Auswahl haben, als nur eine der vielen Disney-Prinzessinnen zu sein.