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Comic-Talente
Zeichnerin Olivia Vieweg blättert vor

Olivia Vieweg gehört zu den talentiertesten Comic-Zeichnerinnen Deutschlands – spätestens seit ihrer Zombie-Geschichte "Endzeit". Gerade hat sich die Frau aus Weimar mit "Antigone" einen antiken Klassiker vorgenommen. Mit Comic-Kritikerin Andrea Heinze blickt sie auf schaurige Neuveröffentlichungen.

Von Andrea Heinze | 27.12.2019
Das Cover von "Die Unheimlichen: Antigone" zeigt die junge Heldin auf schwarzem Hintergrund
Das Cover von "Die Unheimlichen: Antigone" (Carlsen Verlag)
Olivia Vieweg: "Ich konnte mich da an so Bilder erinnern von dieser Leiche, die in der Wüste liegt und nicht beerdigt wird; und die Vögel kommen und diese junge Frau, die das nicht hinnehmen kann, und am Ende eskaliert alles."
Genau diese Bilder setzt Olivia Vieweg an den Anfang ihrer "Antigone"-Adaption: Der Bruder von Antigone liegt tot in der Wüste und sieht ganz friedlich aus – wären da nicht diese Vögel, die ihm in Auge und Mund hacken. Knallrot fließt sein Blut über die ansonsten schwarz-weiße Zeichnung. Die Figuren sind mit wenigen Strichen so lebensnah gezeichnet, dass es besonders gruselig ist.
"Die Horrorfilme, die sind so eine Verlängerung von Märchen, die man früher toll fand, wo Hexen in den Ofen geschoben wurden und Leuten die Augen ausgestochen wurden. Das, was an Märchen so unheimlich ist, woran man sich aber noch 20 Jahre später erinnert, wo einem ein wohliger Schauer über den Rücken läuft. Ich mag Horror, also fiktiver Horror – bei realem Horror bin ich dann etwas weniger kompatibel, das verdaue ich nicht so einfach."
Genregrenzen verlassen
Trotzdem ist Olivia Vieweg neugierig auf den Comic "Nils", der im kommenden Herbst erscheinen soll. Die Kinderbuchzeichnerin Melanie Garanin verarbeitet darin den Tod ihres kleinen Sohnes. Olivia Vieweg ist selbst Mutter.
"Sie hat ja ein sehr persönliches und sehr hartes Thema, ihr jüngster Sohn ist 2015 verstorben. Und für manche Sachen, die einem passieren, hat man vielleicht gar nicht so viele Worte und man hat dann nur Bilder."
Olivia Vieweg: Entschuldigung Ö Wozu braucht Gott ein Raumschiff? Die Philosophie in Star Trek bei der 13. Frühlingslese 2019 des Erfurter Herbstlese e.V. , Erfurt Thüringen Deutschland
Comic-Autorin Olivia Vieweg (www.imago-images.de)
Ein anderer Comic, den Olivia Vieweg mit Spannung erwartet: "Unfollow" von Lukas Jüliger. Darin geht es um eine Art Öko-Messias, der eine App entwickelt, die Userinnen und Usern ein ökologisches Bewusstsein einpflanzt. Jüliger, für unkonventionelle, rätselhaft und geistreiche Geschichten bekannt, sorgt mit seiner Ankündigung jedenfalls für Spannung.
"Ich denke mal, dass es wieder eine eher fantastische Geschichte ist, die nicht ganz in der Realität angesiedelt ist, und dass es mit der Klimaproblematik irgendwie zusammenhängt. Ich glaube, dass es eine ziemliche Überraschung wird, was er da gemacht hat, man kann auf alles vorbereitet sein."
Zombies, die die Welt retten
Olivia Vieweg dagegen siedelt ihre eigenen Comics in Regionen an, die sie gut kennt. Ganz egal, ob "Huck Finn" nach Mark Twain oder ihr Zombie-Comic "Endzeit" – die Handlung spielt immer in Thüringen, wo die Autorin geboren wurde und jetzt mit ihrer Familie lebt. Nachdem "Endzeit" schon fürs Kino verfilmt wurde, arbeitet die Comiczeichnerin nun daran, den Stoff als Serie zu entwickeln. Im März stellt sie das Projekt bei einem französischen Serienfestival vor – soviel ist klar, es soll keine reine Wiederverwertung sein:
"Ich glaube, der Unterschied ist, dass es diesmal mehr Charaktere geben soll. Und wir werden da noch tiefer in diesen neuen Zombie-Mythos einsteigen, in der Kombination Zombie und Pflanze. Und sind wir bereit, uns zu ändern, um die Welt zu retten?"
Diese Frage könnte mehr denn je der Leitspruch 2020 sein – im Comic und der ganz realen Welt.
Olivia Vieweg: "Die Unheimlichen: Antigone"
Carlsen Verlag Hamburg, 2019. 64 Seiten, 12 Euro.

Melanie Garanin: "Nils: Von Tod und Wut. Und von Mut"
Carlsen Verlag Hamburg, 2020. 192 Seiten, 22 Euro.

Lukas Jüliger: "Unfollow"
Reprodukt Verlag Berlin, 2020. 160 Seiten, 18 Euro.