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Commerzbank kündigt Betriebsrenten

Die Commerzbank hat rund 24.000 Mitarbeitern die Betriebsrenten gekündigt, um dadurch eine Summe in zweistelliger Millionenhöhe einzusparen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bezeichnete die Maßnahme als skandalös. Über die Kündigung seien weder Gesamtbetriebsrat noch Aufsichtsrat vorab informiert worden, sagte der Finanzdienstleistungs-Experte der Gewerkschaft, Foullong.

    Hans-Peter Probst: Bei der Gewerkschaft ver.di ist Uwe Foullong zuständig für den Bereich Finanzdienstleistungen, somit auch für die Banken. Ich habe ihn gefragt, wie er die rechtliche Lage nach der Kündigung der Betriebsrenten und die Möglichkeiten gerichtlicher Schritte sieht.

    Uwe Foullong: Wir warten jetzt erst mal das Prüfungsergebnis ab. Es ist richtig, dass der Gesamtbetriebsrat mit unserer Unterstützung einen solchen Überprüfauftrag vergeben hat, Renten- und Rechtsexperten werden jetzt überprüfen, ob die Kündigung überhaupt rechtlich Bestand hat, am 22. Januar liegt uns dieses Ergebnis vor. Dann werden wir gemeinsam im Gesamtbetriebsrat auf der Grundlage dieses Prüfungsergebnisses die nächsten Schritte beraten. Wir müssen den 22. Januar abwarten, weil Spekulationen uns im Augenblick nicht weiterhelfen.

    Probst: Die Betriebsrenten sind zum Jahresende gekündigt. Nun sind die ja bestimmt irgendwie geregelt. Gibt es da eine tarifrechtliche Absicherung?

    Foullong: Nein, Betriebsrenten werden gewöhnlich im Finanzdienstleistungsbereich in Betriebsvereinbarungen geregelt, das ist auch in der Commerzbank der Fall und diese Betriebsvereinbarungen zur Betriebsrente in der Commerzbank sind gekündigt worden in einer Nacht- und Nebelaktion, das heißt ohne vorherige Ankündigung oder ausführliche oder knappe Begründungen, ohne irgendwelche Hinweise hat es eine solche schriftliche Kündigung dieser Betriebsrentenvereinbarungen gegeben und das Verhalten des Vorstandes kann man nur als skandalös betrachten.

    Probst: Was man erwähnen sollte: Es sind alle Beschäftigten einschließlich leitende Angestellte betroffen, aber nicht die Vorstandsmitglieder.

    Foullong: Das ist auch meine Information. Es sind alle betroffen, aber der Vorstand hat für seine betriebliche Altersversorgung keine Veränderungen, Verschlechterungen oder irgendwelche Kündigungen vorgesehen und das wird Thema in der nächsten Aufsichtsratsitzung Anfang Februar sein.

    Probst: Sie sprachen von einer Nacht- und Nebelaktion, der Vorstand, so hört man, aus Frankfurt, argumentiert jetzt mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage, der Betriebsrat sagt, das operative Geschäft der Bank sei profitabel, das ganze hänge mit den milliardenschweren Abschreibungen zusammen. Könnte das in einer rechtlichen Auseinandersetzung, falls es dazu kommt, Bedeutung haben?

    Foullong: Das ist in der Tat ein sehr wichtiger Aspekt bei den rechtlichen Überprüfungen, weil die Voraussetzung für eine solche Kündigung ist, dass sich ein Unternehmen in wirtschaftlich schwieriger Situation befindet. Die Commerzbank, das kann man auch in der Wirtschaftspresse fast täglich nachlesen, steht heute besser da, als noch vor ein oder zwei Jahren. Insofern ist es schon bedenklich, dass eine solche Kündigung rechtlichen Bestand haben kann, aber wir werden das rechtliche Gutachten abwarten müssen.

    Probst: Nun sagen Bankfachleute, der wahre Grund bei der Commerzbank für diesen Schritt seien nicht so sehr die Finanzprobleme, sondern sie meinen, die Bank wolle sich fit machen, attraktiver machen als Übernahmeziel.

    Foullong: Das ist nicht auszuschließen, wobei ich mich an solchen Spekulationen nicht beteiligen möchte. Es wird schon seit Jahren darüber spekuliert, dass die Commerzbank mit anderen Instituten zusammengehen, fusionieren könnte, gar ist manchmal von feindlicher Übernahme die Rede. Man kann nicht jede Entscheidung des Vorstandes in dieses Licht stellen, das läuft unabhängig. Solche Prüfungsprozesse laufen unabhängig von solchen aktuellen Handlungen, insofern will mich an weiteren Spekulationen um Fusionen nicht beteiligen.

    Probst: Sie sagten eben, dass Sie als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitzen und der war nicht informiert?

    Foullong: Nein, weder sind die Gesamtbetriebsräte informiert worden, noch ist im Aufsichtsrat auch nur irgendetwas angedacht oder angekündigt worden, auch nicht zwischen den Zeilen. Insofern ist das wirklich eine Überraschungsaktion gewesen, die einen Kulturbruch darstellt. Das muss man so deutlich sagen. Auf ganz brutalem Wege will der Vorstand hier Personalkosten einsparen und begeht damit einen Kulturbruch. Betriebsrenten werden heutzutage immer wichtiger, wenn man die Situation der gesetzlichen Renten betrachtet. Es ist völlig üblich, dass bei Großunternehmen im Finanzdienstleistungsbereich, Banken und Versicherungen, gute Betriebsvereinbarungen zur Betriebsrente existieren. Auch die Commerzbank kann sich diese nach wie vor leisten und so ist es ein Skandal und Kulturbruch, was sie begeht.

    Probst: Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Commerzbank, wenn sie mit ihrem Vorhaben durchkommt, ein Einzelfall bleiben wird oder ob das Beispiel Schule machen wird, denn es gibt auch andere Geschäftsbanken, die finanzielle Probleme mit sich herumtragen.

    Foullong: Wir haben die ersten optimistischen Anzeichen, was Wirtschaftsentwicklung angeht, das wird sich auch auf die Banken positiv niederschlagen, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Daher gehen wir davon aus, dass die schwierigen drei Jahre im Bankgewerbe zu Ende gehen, dass es bessere Ergebnisse geben wird und ich gehe davon aus, dass dieses Beispiel nicht Schule machen wird. Die anderen Banken sollten sich das sehr gut überlegen, weil wir jetzt schon in der kurzen Zeit der Bekanntgabe dieser Maßnahme durch den Vorstand, dass es doch Empörung dun Wut bei den Beschäftigten gibt und gewaltige Demotivationen in der Belegschaft. Da ist dann tatsächlich die Frage, ob die Ertragsziele, die sich die Bank gesteckt hat mit einer demotivierten und demoralisierten Belegschaft schaffen kann. Das bezweifeln wir sehr.

    Probst: Was wiederum negative Auswirkungen auf den Finanzplatz haben könnte.

    Foullong: Das hat alles Wechselwirkungen und deshalb werden wir als ver.di alles dafür tun, mit den Gesamtbetriebsräten zusammen, dass die betriebliche Altersversorgung in der Commerzbank erhalten bleibt. Sie gilt noch für dieses Jahr, da es eine einjährige Kündigungsfrist gibt. Wir haben also ein Jahr Zeit, um möglicherweise mit Unterstützung der Belegschaft durch ihren Unmut zu Ergebnissen zu kommen, die die betriebliche Altersversorgung auch in der Commerzbank rettet.

    Probst: Bis Ende Januar müssen Sie warten – sind dann Aktionen geplant, können Sie sich das vorstellen?

    Foullong: Das wollen wir jetzt nicht ausschließen, aber ich will auch darüber nicht spekulieren, weil wir erst mal das Rechtsgutachten abwarten wollen. Aber klar ist natürlich, dass wenn die Kündigung rechtmäßig sein sollte, wir mit der Belegschaft gemeinsam in Betriebsversammlungen dann die neue Situation beraten werden und wir mit ihr zusammen darüber sprechen werden, wie wir am besten die Betriebsrenten in der Commerzbank sichern und retten können. Das wird einen Diskussionsprozess geben, der möglicherweise das ganze Jahr über Unruhe in der Bank bringen wird. Das ist nicht unser Anliegen, das hat der Vorstand zu verantworten, insofern liegt es an ihm, die Situation möglichst schnell zu bereinigen.

    Probst: Soweit das Gespräch mit Uwe Foullong von der Gewerkschaft ver.di.