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Computer-Programme ohne Zwänge
Kampf um freie Software

Die Free Software Foundation Europa feiert in dieser Woche ihr 15. Jubiläum. Das Engagement der FSFE für die Belange von Open Source Software passt allerdings nicht jedem in der IT-Branche, denn bequem war die Organisation mit Sitz in Berlin in den vergangenen Jahren nicht unbedingt.

Von Jan Rähm | 27.08.2016
    Richard Stallman, Gründer der Free Software Foundation
    Richard Stallman, Gründer der Free Software Foundation (efe/Juan Francisco Moreno /dpa picture alliance)
    Dass man Software gänzlich offen gestaltet, so dass ein jeder in den Quellcode schauen, daraus lernen und selbst Hand anlegen kann, die Software sogar beliebig weiterverbreiten kann, das war lange keine Selbstverständlichkeit. Hersteller wie Entwickler schützten ihren Code mit allen Mitteln. Erst nach und nach konnte sich das Konzept der Offenheit behaupten, wenn auch gegen teils große Widerstände. So sagte beispielsweise der frühere Microsoft-Chef Steve Ballmer einmal über den Linux-Kernel:
    "Linux ist ein Krebsgeschwür, das in Bezug auf geistiges Eigentum alles befällt, was es berührt."
    Das war vor 15 Jahren. Heute dagegen sind Linux und Open Source Software feste Bestandteile der IT-Welt.
    Open Source heute weit verbreitet
    "Gerade in der heutigen IT-Welt hat Free and Open Source Software einen sehr, sehr hohen Stellenwert", sagt Frank Termer, Bereichsleiter Software beim Branchenverband Bitkom.
    "Und den kann man sogar auch auf drei verschiedenen Ebenen sehen. Das eine ist zunächst die technische Ebene. Wenn man sich heute IT-Infrastruktur einfach mal anschaut, dann kann man sagen, mit höchster Wahrscheinlichkeit gibt es kein Gerät, keinen Server, keinen Desktop-Rechner auf dem nicht irgendwo eine Komponente, eine Bibliothek oder ein Modul freie oder Open Source Software ist.
    Eine zweite Ebene, die sehr wichtig ist, ist die praktische Ebene. Das bedeutet in der Weiterentwicklung von Software, dass heutzutage sehr viele Entwickler privat wie aber auch unternehmenseitig auf Freie und Open Source Software zurückgreifen, weil es einfach schon eine sehr große Anzahl an Komponenten, an Bibliotheken gibt, die bestimmte Funktionalitäten bereitstellen, die mir das Leben einfach leichter machen, wenn es darum geht, neue Software zu entwickeln.
    Und die dritte Ebene ist ein eher gesellschaftlicher, ein ethischer Aspekt, dass man also durch die Nutzung von Freier und Open Source Software immer auch daran erinnert wird, Dinge von denen man profitiert hat, auch wieder entsprechend zurückzugeben."
    Ethisch-moralische Komponente von Open Source Software
    Die ethischen Standards für den Umgang mit Freier und Open Source Software hat maßgeblich die Free Software Foundation mitgeprägt. Deren Gründer Richard Stallmann wird nachgesagt, er trete mit fast religiösem Eifer für seine Sache ein. Die Free Software Foundation sei damit so etwas wie der Gralshüter der Werte und Ideale, die in freier Software enthalten sind. Frank Termer:
    "Die Free Software Foundation Europe trägt das natürlich aus den Staaten nach Europa herüber, hat sich den gleichen Idealen entsprechend verschrieben und hält diese Werte unangefochten hoch und ist deren Vertreter, achtet auch immer darauf, dass bei den zukünftigen Entwicklungen diese Werte halt nicht unter den Tisch fallen und insbesondere diese ethisch-moralische soziale Komponente, die Ihnen auch für die Gesellschaft so wichtig ist, liegt der FSFE besonders am Herzen. Und da kann man eigentlich ihre Bedeutung nicht hoch genug einschätzen."
    Kartellverfahren gegen Microsoft
    Das Microsoft Firmenlogo vor der Deutschlandzentrale des Unternehmens.
    Die Free Software Foundation war auch am europäischen Kartellverfahren gegen Microsoft im in den 2000er Jahren beteiligt. (Imago / Sven Simon)
    Es gehe der Free Software Foundation und ihrem europäischer Ableger der FSFE aber auch um ganz praktische Aspekte und um Chancengleichheit. So sei man sehr stolz darauf, in den 2000er-Jahren ganz maßgeblich an den europäischen Kartellverfahren gegen Microsoft beteiligt gewesen zu sein, erzählt der Präsident der Free Software Foundation Europe, Matthias Kirschner. Nur einer der Erfolge in 15 Jahren. Andere Kampagnen setzten sich für Freiheit ein, erklärt Kirschner:
    "Wir haben 'Freiheit auf Android-Geräten' da haben wir eine Kampagne zu gemacht, bei der sehr viel mehr Leute erfahren haben, wie man so ein Gerät ohne Google-Account laufen lassen kann. Wir haben die öffentliche Verwaltung dazu gebracht, dass sie Werbung für proprietäre Software auf ihren Seiten entfernen. Da haben über 1000 Webseiten der öffentlichen Verwaltung ihre Seiten geändert. Wir haben jetzt erst kürzlich Zwangsrouter in Deutschland mit abgeschafft."
    Jetzt wolle man prüfen, dass die nun gültigen Regelungen für den Einsatz von Routern seitens der Netzanbieter auch eingehalten würden. Seit letztem Jahr gibt es auch schon eine weitere Baustelle, was die Gerätefreiheit angeht.
    "Radio Lockdown Directive"
    Die EU will verhindern, dass Geräte mit einer Funkschnittstelle außerhalb ihrer Spezifikationen betrieben werden und so andere Geräte stören. Dazu sollen die Gerätehersteller verhindern, dass Nutzer Änderungen an der Software vornehmen können, führt Kirschner aus:
    "Radio Lockdown Directive nennen wir das. Bei dem verhindert wird, dass man freie Software oder andere Software auf Geräte aufspielt, die eine Funk-Funktionalität haben. Da gibt es eine EU-Richtlinie, die das dann erschweren könnte, dass man andere Software auf Mobiltelefone, WLAN-Router, Laptops und andere Geräte draufmacht. Da sind wir gerade dabei, wie man das noch ändern kann, dass das eben dadurch nicht verhindert wird."
    Das Engagement der FSFE passt mit Sicherheit nicht jedem in der IT-Branche. Denn bequem war die Organisation mit Sitz in Berlin in den vergangenen Jahren nicht unbedingt. Dennoch: Nach 15 Jahren ist die Free Software Foundation Europa heute eine feste Größe. Frank Termer vom Bitkom meint:
    "Es ist gut und es ist wichtig, dass es so Institutionen wie die FSFE gibt."