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Computer vor Gericht

IT.- Schlichtungsportale im Internet, elektronische Akten im Gerichtssaal... Der Wissenschaftsjournalist Maximilian Schönherr erläutert im Interview mit Manfred Kloiber, wie Computeranwendungen auch das deutsche Rechtssystem verändern könnten.

26.11.2011
    Manfred Kloiber: Richard Susskind war das, der Vorsitzende der britischen Gesellschaft für Computer und Recht. Maximilian Schönherr, Sie haben Susskind interviewt und er ist ja ein Jurist im angelsächsischen Raum. Ist denn das dort geltende Rechtssystem mit dem deutschen vergleichbar, wenn es um Recht und Internet geht?

    Maximilian Schönherr: Schon die britische ist ja nicht mit der amerikanischen Rechtelage vergleichbar. Die amerikanischen Schlichtungsportale – die gibt es übrigens auch für Ehescheidungen – sind eben typisch amerikanisch und vielen Europäern suspekt. Warum meine zutiefst privaten Streitereien einem kommerziellen Internetportal anbieten? Natürlich kann ich auch dort von hier aus – ähnlich wie bei Ebay – mich offiziell anmelden und versuchen, einen Streit mit einem Ehepartner oder dem bösen Nachbarn in Esslingen zu schlichten. Besser wären deutsche Portale dieser Art, meinte der Sprecher des Landgerichts Köln, Dirk Esser. Er sagte mir, da spräche gar nichts dagegen, weil es ja um außergerichtliche Einigungen ginge. Und Anwaltsvereine bieten seit längerem schon etwas ähnliches an, nämlich Mediationen – allerdings nicht online. Die sind genauso bindend wie die im Internet. Und die Videokonferenzen, die Richard Susskind ansprach – zwischen Richtern und Festgenommenen – gibt es bei uns wegen der kurzen Wege vermutlich nicht. Wohl aber finden Videokonferenzen bei internationalen Rechtshilfeverfahren statt. Das läuft dann über die Verbindung in den Botschaften.

    Kloiber: Und wo finden sich denn Computeranwendungen in deutschen Gerichten?

    Schönherr: Im ganz Kleinen seit längerem in Mahnverfahren. Das ist vollautomatisch systematisiert. Laptops sind natürlich in Gerichtssälen zugelassen, aber man sieht immer wieder: Laptop-Computer sparen Papier. Das ist ganz gut, wenn man mit den Akten in der Verhandlung umgeht.

    Kloiber: Aber ich sehe eigentlich bei Gerichtsverfahren – zumindest wenn ich Berichte im Fernsehen darüber sehe – immer noch Leute, die da mit Stapeln von Papier rumlaufen.

    Schönherr: Genau. Und das wird auch noch länger so bleiben. Das hängt mit der juristischen Verbindlichkeit von Papier, Unterschrift und Stempel zusammen. Und damit, dass der Anwalt eben mal einen Zettel mit einem neuen Beweisstück rübergeschoben bekommt. Im Grunde ist hier ein großer Schritt demnächst fällig. Und Jürgen Kunze, der IT-Beauftragte des Bundesjustizministeriums, erzählte mir gestern, dass am 5. Dezember ein System im deutschen Patentgericht in München vorgestellt wird – und zwar hat man da zwei Gerichtssäle vorbereitet, um komplett digital Gerichtsverfahren zu führen, die elektronische Akte.