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Computergrafik für Sehbehinderte

Hardware.- Auf der Nürnberger Erfindermesse werden mehr als 800 Dinge der Öffentlichkeit präsentiert, die noch nicht auf dem Markt zu haben sind. Eine Entwicklung aus Israel könnte die von Blinden und Sehbehinderten genutzte Computertechnik revolutionieren, denn sie verbindet Maus und Braille-Zeile.

Von Wolfgang Noelke | 30.10.2010
    Auf den ersten Blick sieht die silberfarbene Maus grob und klobig aus. Dort, wo sich bei konventionellen Mäusen die linke und rechte Maustaste befindet, sind zwei quadratische Buchten eingelassen. In jeder, der beiden Buchten verbergen sich die Stifte, die blinde Computernutzer bereits von den nebeneinander angeordneten Buchstaben-Feldern ihrer Braillezeile kennen. Felder konventioneller Braillezeilen bestehen aus zwei zusammenliegenden Reihen von jeweils vier übereinander angeordneten Stiften. Die Braille-Maus besitzt jedoch 16 Stifte, also vier dicht zusammengelegte Reihen dieser vier Stifte.

    In die beiden Buchten mit den jeweils 16 Stiften legt man Zeigefinger und Mittelfinger, die Maustasten bedient man an der linken und rechten Seite der Braille-Maus mit Daumen und Ringfinger. Den Unterschied zur konventionellen Braille-Zeile, die von Blinden immer wieder neu ertastet werden muss, erklärt Dr. Igor Karasin, wissenschaftlicher Leiter des israelischen Herstelles Tactile World LTD:

    "Wenn blinde Computernutzer am Bildschirm navigieren, spüren sie keine echte Rückwirkung. Mit dieser Maus können sie so arbeiten, wie alle anderen Computernutzer mit ihrer Maus. Wenn man die Maus zum Beispiel über die Textzeilen bewegt, hat man in den Braille-Buchten die Übersetzung in Braille-Schrift."

    Man braucht den Text nicht mehr von der Braille-Zeile abzutasten, sondern kann die Finger in den beiden Buchten lassen. Die sonst übliche Bewegung von links nach rechts übernimmt die Maus. Deswegen sitzen in den beiden Feldern jeweils 16 Stifte statt üblicherweise acht. Sie ermöglichen den virtuellen Eindruck, dass die Braillestifte wie ein Laufband von rechts nach links über beide Fingerkuppen streichen. Das ist sogar sichtbar. Der Vorteil, den blinde Nutzer gegenüber Sehenden haben, bleibt erhalten:

    "Sie sehen, dass die Geschwindigkeit sehr hoch ist. Wir können mit unseren Augen niemals so schnell sein, wie mit dem Tastsinn."

    Wenn Blinde ihre Hand auf der Maus lassen, könnte sich deren Lesegeschwindigkeit sogar noch steigern. Die israelischen Entwickler dachten auch an die Lernsoftware, die für den Onlinekurs im Internet geeignet ist:

    "Jedes Mal, wenn Nutzer ihren Cursor auf dem Bildschirm bewegen und auf ihren taktilen Mauselementen eine Rückmeldung bekommen, sieht das auch der Lehrer. Alles ist synchronisiert und deswegen kann man auch lernen, sehr komplexe Bilder zu erkennen."

    Die Maus kann man umschalten in einen reinen Grafikmodus. Fährt der Cursor beispielsweise über die Linie einer Zeichnung, erkennt man an den Braille-Stiften, an welcher Stelle und in welchem Winkel sich der Cursor über der Linie bewegt. Selbst ungeübte Nutzer fühlen im Zeige- und Mittelfinger die Linien einer Grafik und sind so in der Lage, den Cursor exakt zu positionieren. Die Stifte in den beiden taktilen Mausbuchten ermöglichen auch, Bewegungen in Echtzeit zu erfühlen. Gesten-Erkennung sei auf jeden Fall mit dieser Maus möglich, sagt Dr. Karasin und damit sei das Tor zu modernen Bewegungsspielen auch für Blinde geöffnet:

    "Ich meine, dass es nicht normal ist, wenn blinde Computernutzer keine Computerspiele spielen können. Jetzt können auch sie solche Spiele spielen. Auch dieses erste Computerspiel für Blinde, auf Basis der Gesten Kontrolltechnologie."

    Gesten-Kontrolltechnik nutzt man heute auf mobilen Geräten, Handys iPods, iPhones und so weiter. Ab jetzt sind auch Blinde dazu in der Lage, Gesten-Kontrolltechnik auf ihrem Computer zu nutzen. Dies öffnet eine neue Welt für blinde Menschen.