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Computerspiel "Kingdom Come Deliverance"
Der interaktive Historien-Schinken

Keine Drachen, keine Elfen und kein Fantasy: "Kingdom Come Deliverance" soll stattdessen das Mittelalter so zeigen, wie es wirklich war. Auf dem Weg durch das medievale Böhmen merkt man schnell: Das Mittelalter war eine harte Zeit – auch im Computerspiel.

Von Christian Schiffer | 14.02.2018
    "Schlosskampf" - Screenshot aus dem Computerspiel "Kingdom Come Deliverance".
    "Schlosskampf" - Screenshot aus dem Computerspiel "Kingdom Come Deliverance". (Warhorse Studios)
    "Karl IV., König von Böhmen und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, herrschte lange und erfolgreich. Das Reich, das er von Prag aus regierte, dehnte sich aus und erlebte Frieden und Wohlstand."
    Schon im Vorspann von Kingdom Come Deliverance wird deutlich: Das hier ist kein gewöhnliches Computerrollenspiel. Denn hier ist nicht etwa die Rede von Dämonen, Magiern oder und von Fantasiereichen, sondern von Königen, die wirklich gelebt haben und zwar in spätmittelalterlichen Böhmen um das Jahr 1400 herum. Im Spiel selbst tragen die Menschen dann eher altmodisch anmutende Namen wie Matthäus oder Willibald und in der örtlichen Schenke streiten die Menschen über Mittelalter-Politik.
    "Irgendjemand muss für Ordnung sorgen und das Reich wieder vereinen!"
    "Was kümmert mich denn die Österreicher! Und heute kommt nicht mal der Teufel bei all den Päpsten mit! Wer ist denn der Rechtmäßige? Der in Rom oder der in Avignon?"
    "Hör auf mit der Blasphemie!"
    "Ist doch wahr! Wenzel ist schließlich der König von Böhmen und der böhmische Adel hält zu ihm!"
    Die schönen und hässlichen Seiten des Mittelalters
    Kingdom Come Deliverance will das Mittelalter so zeigen, wie es wirklich war: Ohne Fantasy-Klimbim, ohne Feuerbälle und bitteschön natürlich auch ohne Drachen, dafür mit umso mehr Mischwald und katholischer Kirche. Und so fühlt es sich das Spiel zunächst ein wenig an, wie ein Besuch auf einem Mittelalter-Markt, nur ohne Esoterik Verkaufsstand. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Heinrich, dem Sohn eines Schmieds, der in dem beschaulichen böhmischen Dorf Skalitz aufwächst und dort seinem Vater zur Hand geht:
    "Zumindest bist Du wach, das ist ein Anfang. Wir haben viel zu tun. Ich stelle das Schwert für Herrn Ratzig fertig und brauche Deine Hilfe. Mir geht die Holzkohle aus und ich brauche einen Sack vom Köhler."
    Auch Aktivitäten wie Essen und Trinken gehören zum Spiel dazu. Screenshot aus dem Computerspiel "Kingdom Come Deliverance".
    Auch Aktivitäten wie Essen und Trinken gehören zum Spiel dazu. Screenshot aus dem Computerspiel "Kingdom Come Deliverance". (Warhorse Studios)
    Erst einkaufen, dann mit den Jungs im Wirtshaus abhängen, ein wenig Reigen-Tanzen am Abend: Das Leben im Mittelalter hatte seine schönen Seiten, aber bekanntermaßen auch seine hässlichen. Und beide Seiten werden in Kingdom-Come Deliverance eindringlich, aber ohne Bombast inszeniert. Die Grafik ist schön und detailliert, Böhmen sieht aus wie Böhmen, ein Wassertrog sieht aus wie ein Wassertrog, Menschen sehen aus wie Menschen und Wildschweine sehen aus wie Wildschweine, keine Schnörkel, sondern schlichte, urige, medievale Schönheit. In Skalitz wiederum ist es bald vorbei mit der Beschaulichkeit, der Ort gerät in die Wirren eines Bürgerkriegs und wird niedergebrannt. Heinrich muss fliehen:
    "Sag mir Junge... Wer bist Du?"
    "Ich komme aus Skalitz. Sie haben es nieder gebrannt und alle abgeschlachtet!"
    Macher bemühen sich um historische Korrektheit
    Den Ort Skalitz hat es wirklich gegeben und auch seine Zerstörung durch Sigismund von Luxemburg ist historisch belegt. Zu beidem bietet das Spiel vertiefende Informationen an und mutiert so ein wenig auch zu einem begehbaren Wikipedia-Artikel. Und auch beim Rest haben sich die Macher bemüht historisch korrekt und realistisch zu sein: Die Häuser wurden Original-Bauplänen nachempfunden, Heinrich muss regelmäßig schlafen, essen und wenn er zu oft ins Glas schaut, kann er sogar zum Alkoholiker werden. Vieles, was in anderen Computerspielen auf Knopfdruck geschieht, ist hier kompliziert und schwierig, zum Knacken von Schlössern braucht mal viel Übung und wer einen einfachen Heil-Trank brauen möchte, der muss nicht nur akkurat einhalten, was in dem Rezept steht, sondern vorher erst einmal mal lesen lernen, um den Buchstabensalat überhaupt dechiffrieren zu können. Und so ist Kingdom Come Deliverance wie das Mittelalter selbst: manchmal sperrig, sehr oft mühsam, aber immer faszinierend.