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Computerspiel "Outer Wilds"
Zwischen Supernova und Zeitschleife

Der Weltraum: unendliche Weiten! Viele Games versprechen, in Galaxien vorzudringen, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Das Indie-Spiel "Outer Wilds" hält dieses Versprechen mit viel surrealer Melancholie und Einsamkeit - schrumpft dafür Planeten und Sonnensysteme auf Liliput-Größe zusammen.

Von Christian Schiffer | 06.06.2019
Ein Mann spielt im Dunkeln ein Computerspiel.
Eintauchen ins Weltall: Das ging wohl nie so atmosphärisch wie im Computerspiel "Outer Wilds" (Unsplash / Alexander Andrews)
Der Planet, auf dem wir gerade gelandet sind, ist klein. Also nicht ganz so klein, wie ein Planet in "Der kleine Prinz", aber schon recht klein. So klein, dass man für einen Spaziergang zum Nordpol nur ein paar Minuten benötigt. Mit unserem klapprigen Raumschiff sind wir gerade gelandet, ziemlich holprig allerdings, wir müssen deswegen das Landegestell reparieren und schlüpfen schon mal in unseren Raumanzug. Und dann soll es hier irgendwo auch noch Überreste einer alten Alien-Zivilisation geben. Wir hüpfen durch die Luke, versuchen ein Gefühl zu gewinnen für die Schwerkraft, blicken auf den Nachthimmel. Und dann? Und dann explodiert die Sonne. Eine Supernova. Und das klapprige Raumschiff, der Raumanzug, der kleine Planet und wir selbst werden atomisiert.
Wie kommen wir aus dieser Zeitschleife heraus?
Das passiert jedes Mal nach etwa 20 Minuten. Wir sehen dann in wenigen Sekunden unsere Erinnerungen an uns vorbeiziehen und stehen kurz darauf wieder quicklebendig auf unserem Heimatplaneten, der natürlich auch nur Liliput-Format hat. Alles wieder auf Start - "Und täglich grüßt das Murmeltier" im Weltraum also. Ganz von vorne müssen wir aber nicht anfangen: Was wir auf unseren interplanetaren Exkursionen herausfinden, etwa indem wir akustischen Signalen folgen, Hieroglyphen entziffern und Rätsel lösen, speichert der Bordcomputer ab. Und so kommen wir nach und nach der Antwort auf die eine entscheidende Frage immer näher: Wie zu Henker kommen wir aus dieser Zeitschleife wieder heraus?
Einige Zeit später landen wir wieder auf einem Planeten, diesmal einer, der die Form einer Sanduhr hat. Landen können wir mittlerweile, vorsichtig lugen wir aus unserem Raumschiffer nach draußen. In "Outer Wilds" gibt es keine Schießereien, keine Weltraumkämpfe, keine Beute, stattessen surreale Melancholie und Einsamkeit. "Outer Wilds" ist ein Spiel, bei dem man am liebsten freimachen und die Vorhänge zuziehen möchte. Ein Spiel, dass beim Spieler das Gefühl hervorlockt, wirklich Terra Incognita zu betreten. Ein Spiel, dass das mit den Abenteuern in den unendlichen Weiten wirklich mal ernst nimmt.
Wir sind verliebt
"Outer Wilds" wurde von Annapurna Interactive herausgebracht, dem Computerspiel-Ableger von Annapurna Pictures, einer Produktionsfirma, die sich dem Independent-Film verschieben hat und 2013 zum Beispiel mit "Her" einen Hit bei Kritikern und Publikum landen konnte. "Outer Wilds" hat mit "Her" oberflächlich gesehen gar nicht so viel zu tun. Außer eines, das aber umso wichtiger ist: Wenn wir in diesem Spiel in den Himmel schauen, auf einem der kleinen Planeten am Lagerfeuer sitzen, uns einen Marshmallow braten und der Sonne beim explodieren zusehen, dann fühlen wir uns bestimmt ein klein wenig wie Joaqin Phoenix, wenn er mit seinem Betriebssystem spricht: Wir sind verliebt.