Dienstag, 23. April 2024

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Computerspiel "Rempire"
Ein Game als neue digitale Bühne

Das Schauspielhaus Bochum experimentiert mit einer App als digitale Bühne: Im Smartphone-Game „Rempire“ bewegen sich die Spieler durch verschiedene Traumszenarien - auf der Suche nach einer verschwundenen Traumforscherin und dem Schlüssel zu einem rätselhaften Archiv.

Von Achim Hahn | 08.05.2018
    Ein Blick auf die Oberfläche des Games "Rempire" mit Portraitfotos, Reißzwecken und Textkarten
    Ein Blick auf die Oberfläche des Games "Rempire" (Stefan Scheer)
    Zu Beginn: ein verspieltes Muster, eine Art Pinnwand im oldschool Tapentendesign. Wirkt wilhelminisch, dem Klischee nach. Kein Hinweis darauf, wie man beginnen soll. Ein Pin animiert zu klicken und einen roten Faden mit einem nach rechts weiterführendem Pfeil zu verbinden. Das ist das Spielprinzip. Die Seite verschiebt sich: Das uralte Portrait einer Frau wird sichtbar, darauf ein mit Klebeband angehefteter, vergilbter Notizzettel:
    "Vor vielen Jahren verschwand die Traumforscherin Nathalie Stern unter nie geklärten Umständen. Sie hinterließ eine rätselhafte Sammlung von 56 wiederkehrenden Träumen."
    Stefan Scheer: "Der Spieler wandert auf den Spuren einer vor vielen Jahren verschwundenen Traumforscherin und begibt sich in so eine Zwischenwelt zwischen Traum und Wirklichkeit, die im Laufe des Spiels immer seltsamer wird. Ist ein bisschen mysteriös."
    "Es heißt, die Sammlung berge den Schlüssel zu Sterns geheimen Traumlabor."
    Der Einstieg in eine mysteriöse Welt voller Anspielungen, Andeutungen, Hinweisen und Irrwegen - inspiriert von einem wissenschaftlichen Traumexperiment.
    Stefan Scheer: "Im Prinzip haben wir versucht eine allegorische Umschreibung für das zu finden, was in unserem Gehirn vorgeht, das eigentlich wie so eine riesige Pinnwand ist, an der so Erinnerungen dran kleben."
    "Rempire" - das erste Smartphone-Game des Schauspielhauses Bochum. Eine Mysterygeschichte, erzählt mit Sounds und Visons auf digitaler Bühne.
    Stefan Scheer: "Also der Spieler ist im Prinzip wie so ein Profiler, der an so einer gigantischen Pinnwand unterschiedlichste Elemente miteinander verbindet. Das sind Bilder, Töne oder auch animierte Elemente."
    "Angeblich besteht der Schlüssel aus einem einfachen Satz mit sieben Wörtern."
    "Und so entsteht ein riesiges, chaotisches und auch mysteriöses Gebilde, durch das er sich im Laufe des Spiels immer weiter in die Tiefe oder Untiefe dieser Erzählung hineinarbeitet", erklärt Stefan Scheer, seit Jahren schon für das digitale, öffentliche Design des Schauspielhauses zuständig, und nun erstmals auch selbst auf abenteuerlich neuen App-Entwicklerpfaden.
    Das Theater und die digitale Welt
    Stefan Scheer: "Eine der Schwierigkeiten oder eine der Herausforderungen bei dem Spiel war es, etwas herzustellen, das sowohl für Casual Gamer interessant ist, als eben auch für Leute, die sich für Kultur interessieren, und das war ein Bereich, wo wir sehr viel ausprobiert haben und wo einzelne Teilaspekte des Spiels häufig getestet werden mussten, um da einen guten Weg zu finden, der für beide Zielgruppen - sag ich jetzt mal - spielbar ist."
    Das Theater und die digitale Welt. Auf der Bühne stets ein zeitgemäß wirkender Ansatz, sich mit neuen medialen Techniken auseinanderzusetzen. Auch das Schauspielhaus Bochum befasst sich in dieser Spielzeit mit der Verbindung von Theater und Games, zum Beispiel in einer Koproduktion mit dem Medientheaterkollektiv machina eX.
    "Die sind bekannt dafür, Spielstrukturen, die wir vor allem aus Point-and-click-Adventuregames kennen, in den analogen Raum übersetzen", so die Dramaturgin Miriam Wendschoff. Die digitale Bühne des Games geht den umgekehrten Weg und will das Erzählen auf spielerische Art erweitern, "als eine Art vierte Spielstätte, eine eigene Bühne auf dem Handydisplay", um sich damit - im Nebeneffekt - auch bei neuen Besucherzielgruppen attraktiv zu machen.
    Stefan Scheer: "Das Ensemble einer App besteht im Prinzip aus Algorithmen. Wir haben aber auch das leibhaftige Ensemble des Schauspielhauses mit eingebaut."
    Nicht mit Theaterszenen, sondern avatarartig oder als Animationen.
    "Düstere Vorahnungen gemahnen dich, deine Eindrücke sinnvoll zu ordnen."
    So begegnet der Spieler einer Kreatur, die halb Mensch, halb Tier ist. Er erfährt vom Tod eines Filmregisseurs, wird von einer Hampelmann-Animation verfolgt, der er die Arme und Beine amputieren muss, bekommt die Information, eine Prüfung nicht bestanden zu haben, beginnt wieder von vorn, versucht sich durch die Vielzahl von kunstvoll bis seltsamen Abbildungen zu lavieren und Aufgaben unter Zeitdruck zu bewältigen. Steht plötzlich wieder am Anfang.
    Stefan Scheer: "Die Spieldauer richtet sich so ein bisschen nach den Skills des Spielers. Also das ist so, wenn man ein besonders guter Spieler ist, kommt man natürlich schneller voran als wenn man das nicht so häufig spielt. Wir ham versucht ne Länge anzupeilen, die ein bisschen ner Theatervorstellung entspricht."
    Als Nicht-Gamer ist es nicht leicht, den Schlüsselsatz gleich zu finden. So ist man zwischendurch immer mal wieder entnervt, fühlt sich hoffnungslos verirrt in einem Sammelsurium, - dieser Wunderkammer voller ästhetisch anregender Artefakte. Bilder von Schädeln, tanzenden Buchstaben, seltenen Landkarten, die man auf dieser imaginären Pinnwand mit roten Fäden verbinden muss - ohne sie je im Ganzen gesehen zu haben. Vieles bleibt also noch ein Rätsel - auch, wie lange der Spieler dranbleibt.