Stellen Sie sich einmal vor, Sie spielen ein Computerspiel ohne Ton, zum Beispiel einen Ego-Shooter oder eine Städtebausimulation. Das Ergebnis des Experiments ist leicht vorhersehbar: Sie werden das Spiel verlieren.
"Klang hat viele unterschiedliche Funktionen in einem Computerspiel. Er bindet den Spieler emotional an die Charaktere, weist ihnen bestimmte musikalische Leitmotive zu, informiert über wichtige Ereignisse oder verschafft Orientierung in der Spielwelt."
Schaltet man den Ton in einem Computerspiel ab, so verpasst man wichtige Informationen, die nur akustisch kommuniziert werden, sagt die Musikwissenschaftlerin Karen Collins. Die Spielsituation verändert sich dramatisch. Der Spieler verliert den Bezug zum Computerspiel. Klang und Musik ermöglichen das Eintauchen in das Spielgeschehen ähnlich wie Filmmusik den Zuschauer in die Handlung des Films eintauchen lässt.
Computerspiele werden immer wieder mit Kinofilmen verglichen. Zeitgenössische Spiele haben durchaus einen cineastischen Charakter. Man spricht nicht umsonst von Blockbuster-Titeln. Manch einer behauptet sogar, sie hätten das Kino schon längst abgehängt. Die Verkaufszahlen bestätigen das. Weiterführende Vergleiche hinken allerdings: Filme sind ein lineares Medium. Computerspiele sind interaktiv. Spieler interagieren mit Computerspielen. Sie schauen nicht einfach nur zu, sondern treffen Entscheidungen in Echtzeit, die den Verlauf des Spiels beeinflussen.
"Man vertont eine lebende, atmende Welt. Eigentlich kann man das nicht mehr vertonen nennen. Durch meine Musik taucht der Spieler in die Spielewelt ein."
Eine Musik, die sich dynamisch dem Spielgeschehen anpasst
Der in Amerika lebende Däne Jesper Kyd komponierte Game-Soundtracks für viele namhafte Big-Budget-Produktionen. Musik begleitet in Computerspielen die Handlungen des Spielers, die von Person zu Person ganz unterschiedlich ausfallen können. Dies stellt Komponisten wie Jesper Kyd vor interessante Herausforderungen. Die Schwierigkeit besteht darin, eine nahezu unvorhersehbare Abfolge von Ereignissen musikalisch zu reflektieren - eben eine Musik zu komponieren, die sich dynamisch dem Spielgeschehen anpasst.
"Eine Erkundungsmusik soll in Kampfmusik übergehen. Man kann beide Musiken im selben Tempo schreiben. Das hilft schon mal weiter. Wenn der Kampf beginnt, kann man das Tempo verdoppeln. Man kann sie in derselben Tonart schreiben. So geht man sicher, dass beiden Musiken auch zusammenpassen. Man kann auch mit dem Takt experimentieren, ihn plötzlich verändern."
Beeinflusst diese spezielle Musik auch unser Hörverhalten? Shuffle-MP3-Player sind nichts Ungewöhnliches mehr. Sie geben Musik in einer willkürlichen Reihenfolge wieder, so wie es die erfolgreiche GTA-Reihe mit ihrem Autoradio vorgemacht hat. Womöglich werden die Liedermacher der Zukunft dynamische Versionen ihrer Stücke produzieren, die Chorusse und Segmente eines Songs je nach Stimmung ihrer Hörer wiedergeben. Doch es ist nicht nur der Sound von Computerspielen, der einen Einfluss auf die Wahrnehmung und Produktion von Musik hat. Produzenten wie Aaron David Ross und Matthew Arkell von Gatekeeper inspiriert die visuelle Ästhetik von Games. Ihr Album "Exo" ist eine musikalische Hommage an die hochauflösenden Bilder digitaler Spieleparadiese.