"Kati" ist und bleibt fern. In die Heirat willigt sie ein, doch dann entzieht sie sich dem Mann, wie es so vielsagend heißt. Eine milde Verrückte, wie eine Holly Golitely im "Frühstück für Tiffany", bereit in jedem Moment, die Launen der Jugend zu leben, sofort auszugehen, sofort zurückzugehen, sofort sich zu verlieben usw. Von all dem kostet "Kati" reichlich, schließlich soll ihrer Heirat mit einem älteren Herrn ja nicht ihre Jugend zum Opfer fallen. Sie nimmt im wohlgeregelten Leben Tibors ihren Platz ein, und nacheinander jagt sie die Traditionen aus dem Haus. Es verschwinden: zunächst die treue Seele Ema, Tibors portugiesische Haushälterin, die ihm 20 Jahre lang alle Wünsche von den Augen abgelesen hat; dann kommt Marie-Helene dran, Tibors Sekretärin, bis schließlich auch Kater Benz das Weite suchen muss. Die junge Ehefrau erträgt so recht keinen anderen um sie herum. Keinen anderen, mit dem sie Tibor teilen müsste, so sagt er sich, doch als Leser ist man sich da nicht so sicher. Ob hier ein alternder Liebender bloß träumt, ob er sich eine Welt vorgaukelt, weil er die Realität nicht erkennen kann oder will? "Kati" bezieht ihr eigenes Zimmer in der Wohnung, das sie auch nachts nicht mit Tibor zu teilen bereit ist, kurz gesagt: Es kommt zu keinem sexuellen Akt, "Kati" entzieht sich, und Tibor leidet und denkt nach. Denkt an seinen Künstlerkollegen, einen Dirigenten, dem die Frauen nur so hinterher fliegen, Kati wohl auch, so meint er, und der Argwohn beginnt. An der rasenden Eifersucht des Mannes zerbricht schließlich diese Liason, die so rasend angefangen hatte wie sie nun aufhört. "Kati" verschwindet, am Ende bleibt Leere. Eine verrückte Liebe eben.
Brina Svit erzählt diesen Stoff mit leichter Hand und doch voller Tiefe. Auf 186 Seiten laufen andauernd Fragen im Untergrund mit. Warum lässt sich der alte Tibor bloß so drangsalieren? Ob er auf der Suche ist nach einer neuen, vielleicht letzten Inspiration für sein Schreiben? Warum erträgt er all die Launen der jungen Frau ohne zu murren - man fragt es sich andauernd und es bleibt doch ein Rätsel. Genau wie die junge Frau selbst. Die nicht umsonst andauernd "Kati" ist, ein Bild, und nicht Grusenjka, sie selbst. Ob die beiden Menschen nicht zueinander finden können, weil sie ihre Einsamkeiten nicht miteinander teilen können? Ob es das ist? Brina Svit lässt uns, je genauer sie alles beschreibt, um so stärker im Dunkeln. Sie beobachtet zwar genau, lässt alle Details und Stimmungen sprechen, vom Vorhangstoff bis zur Fluse am Pullover, und doch kommt man dem Rätsel der Anziehung nicht näher. Das ist gekonnt gemacht, aber nur ein Vorzug dieses äußerst lesenswerten Buchs. Denn Brina Svit, die in ihrer Heimat Slowenien keine Unbekannte ist, schreibt/las, was man einen weisen Stil nennen könnte. Als eine gepflegte und elegante Sprache voller Lebensweisheit und Klugheit. So dass man sie einen "weiblichen Kundera" nennen möchte. Mit ihm, dem exilierten Tschechen in Paris, teilt sie die seltene Mischung von großer Beobachtungsgabe, hohem Reflexionsniveau und sinnlich-ansprechendem Stil. Und das alles zum Thema Liebe und Sex, da wundert es nicht, dass genau dieser Roman , der dritte der Autorin, ihr den internationalen Durchbruch verschaffte.