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Cookson löst McQuaid ab

Viele Florenz-Touristen mussten am Freitag den Palazzo Vecchio aus ihrem Besuchsprogramm streichen. Drinnen, im prachtvollen Saal der Fünfhundert, tagte der Kongress des Radsportweltverbandes. 42 Delegierte entschieden darüber, wer die UCI in den nächsten vier Jahren als Präsident führen wird.

Von Wolfgang Hettfleisch |
    Die Wahl fiel mit 24 Stimmen auf Brian Cookson. Amtsinhaber Pat McQuaid war geschlagen. Der Ire hatte zuvor alle Register gezogen, um zur Wahl überhaupt zugelassen zu werden. Der irische Verband hatte ihn nicht aufgestellt, Swiss Cycling, die Föderation seiner Wahlheimat, nominierte ihn erst und widerrief dann. Damit war McQuaid nach den Statuten aus dem Rennen. Also setzten seine Helfer in Florenz alles daran, die Regeln zu ändern. Phasenweise glich der Kongress deshalb einem juristischen Proseminar. Ein unwürdiges Schauspiel, wie auch Wahlsieger Cookson fand.

    "Dieser Tag war eine ziemliche Katastrophe für den Ruf des Radsports und der UCI. Das wurde in fast jeder Hinsicht schlecht gehandhabt. Ich denke, da sind wir uns alle einig."

    Es war das passende Finale eines schmutzigen Wahlkampfs. Zuletzt war McQuaid in einem Bericht vorgeworfen worden, er sei bestechlich. Verfasst wurde das Papier im Auftrag von Igor Makarov. Der steinreiche Chef des russischen Verbandes und Inhaber des 2012 mit etlichen Dopingsündern aufgefallenen Radteams Katjuscha ist eine zentrale Figur des Cookson-Lagers.
    Pat McQuaid wiederum, der lange seine schützende Hand über Lance Armstrong gehalten hatte, scheute für den Machterhalt vor keiner Peinlichkeit zurück. Er ließ sich kurzfristig von den Verbänden aus Marokko und Thailand aufstellen. Der Kongress sollte die dafür notwendige Änderung des UCI-Regelwerks absegnen. Als das bei Stimmengleichheit misslungen war, schickte der Ire die Verbandsjuristen ans Rednerpult und stellte sich trotzdem zur Wahl. Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, sieht den Sittenverfall mit Sorge.

    "Ich glaube, das ist alles für den Radsport nicht so besonders gut, wie da bestimmte Auseinandersetzungen geführt werden. Mir wär’s lieber, die würden sich auf das konzentrieren, was eigentlich Sport sein sollte. Und das hat was mit Fairness, Respekt und solchen Themen zu tun. Und das konnte man in diesen Kampagnen mindestens auf der einen Seite nicht immer wirklich erkennen. Ich glaube auch nicht, dass man mit irgendwelchen – sagen wir mal: rechtlichen – Auseinandersetzungen eine sportpolitische Frage beantworten sollte."

    Für Pat McQuaid war freilich alles in bester Ordnung, als er die Delegierten am Freitag zu seiner Wiederwahl ermunterte:

    "Unsere Zukunft ist wirklich glänzend. Und ich bin wirklich dankbar für den Beitrag, den Sie alle für unseren anhaltenden Erfolg geleistet haben und leisten."

    Der Ire, der dem Internationalen Olympischen Komitee angehört, vergaß auch nicht, auf seine guten Beziehungen zum neuen IOC-Präsidenten Thomas Bach hinzuweisen.

    "Thomas war in der Tat ein enthusiastischer Unterstützer bei meiner Arbeit, im Radsport aufzuräumen."

    Als Brian Cookson dem Kongress seine Ziele darlegte, hatte er die Rolle des Widersachers während der vergangenen Jahre ein bisschen anders in Erinnerung.

    "Zu viele Menschen bringen unseren schönen Sport mit hässlichen Dingen in Verbindung: mit Doping, mit Entscheidungen hinter verschlossenen Türen, mit der Manipulation der Regeln und dem Streit mit den Leuten, mit denen wir eigentlich arbeiten sollten – etwa bei der Weltantidoping-Agentur. Wir müssen nicht nur vorwärts gehen, wir müssen das auch der Radsportfamilie und der Welt da draußen vermitteln. Die Menschen müssen glauben können, dass sich die UCI wirklich verändert hat."

    Von heute auf morgen wird das nicht klappen. Der Präsident von British Cycling tritt ein schweres Erbe an. Vertrauen muss er sich erst verdienen. Die Mehrzahl der Delegierten aber überzeugte Cookson mit seiner Vision von einem geläuterten Radsport.

    "Ich will unseren Sport so weit bringen, dass die Leute ihre Helden bewundern können ohne zu zweifeln. Dass Fahrer den Wettbewerb suchen und eine Profikarriere anstreben, dass sie sogar die Tour oder eine olympische Medaille gewinnen können und wissen: Ihre Freunde misstrauen ihnen nicht sondern respektieren sie."

    Das Abstimmungsergebnis legt nahe, dass der deutsche Delegierte Toni Kirsch, wie alle Europäer, sein Kreuz bei Cookson gemacht hat. Auch BDR-Chef Scharping kann sich mit der Wachablösung beim Weltverband anfreunden.

    "Für uns sind drei Kriterien maßgeblich. Nämlich, erstens, dass die UCI die gesamte Breite des Radsports im Auge behält. Das Zweite war, dass wir gesagt haben: Die UCI soll nicht fortwährend den Sport kommerzialisieren auf dem Rücken der nationalen Föderationen und der Veranstalter. Und das dritte Kriterium war, dass die gesamten Dopingsachen einer unabhängigen Instanz übertragen werden sollen, so, wie wir das in Deutschland ja schon vor Jahren gemacht haben. Wenn man diese drei Kriterien anwendet, dann liegt nah, dass Brian Cookson diesen Kriterien deutlich näher ist als Pat McQuaid."

    Der neue UCI-Präsident mag dafür nicht so nah an Thomas Bach sein wie sein Vorgänger. Doch das lässt sich ja ändern. Der Kontakt zum mächtigsten Mann im Weltsport steht auf seiner To-do-Liste jedenfalls weit oben:

    "Ich hoffe, den neuen IOC-Präsidenten Thomas Bach so bald wie möglich zu treffen. Er wird zu den Ersten gehören, die ich anrufe. Ich bin sicher, dass wir gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten werden."

    Viel wichtiger aber sind die Aufgaben, die im eigenen Verband auf den neuen UCI-Präsidenten warten. Er muss sich um einen Patienten mit Hang zur Selbstzerstörung kümmern.

    "Ich bin zuversichtlich, dem Radsport dabei helfen zu können, die Wunden zu heilen, die er sich selbst geschlagen hat."