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Cool it

Nein, ein Klimaskeptiker ist Björn Lomborg nicht. Der dänische Politologe und Professor an der Copenhagen Business School schreibt explizit und immer wieder: "Es steht außer Frage, dass die Menschheit in den vergangenen Jahrhunderten für eine erhebliche Zunahme des Kohlendioxidanteils in der Luft gesorgt und zu einer weltweiten Klimaerwärmung beigetragen hat". So weit, so gut. Was Björn Lomborg jedoch negiert, ist der Ernst der Lage.

Von Dagmar Röhrlich | 15.06.2008
    In seinem neuen Buch "Cool it" rät er, einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Klimadebatte werde hysterisch geführt, vor allem vor dem Hintergrund, dass es rund um den Planeten weit wichtigere Probleme gebe: Hunger, Aids, Korruption, ein ungerechtes Welthandelssystem, die Bekämpfung von Krankheiten wie Malaria. Folgt man seiner Argumentation, hat die Klimaerwärmung sogar vieles für sich: etwa, dass die Zahl der Kältetoten sinkt. Er rechnet vor, dass die Hitze im Sommer 2003 35.000 Menschen getötet hat – mit großer medialer Begleitung. Andererseits sterben, so schreibt, Jahr für Jahr allein in England und Wales durchschnittlich 25.000 Menschen an Kälte – ohne jeden öffentlichen Aufschrei.

    Der große Feind Lomborgs ist das Kyoto-Protokoll. Zu teuer und ineffizient, sein Urteil. Minutiös rechnet er vor, dass die vielen Milliarden Dollar, die seine Umsetzung kostet, einen Aufschub einer Temperaturerhöhung von zweieinhalb Grad um fünf Jahre bewirken. Und dann senkt er die Kosten – in den Städten könnten die Temperaturen durch helle Hausdächer, heller Asphalt und Begrünung noch in 100 Jahren und trotz Klimawandels erträglich gehalten werden. Und so geht es in einem fort.

    Der Däne schlachtet genüsslich ganze Herden von Heiligen Klimakühen. Nicht weniger als 70 Seiten Anhang hat dieses 270 Seiten starke Buch – Lomborg ist penibel. Seine Kritiker mussten bereits einmal den Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit zurücknehmen. Er zweifelt die Horrorszenarien an, die seiner Meinung nach der Erpressung von Bürgern und Politikern durch die Klimaschützer dienten und der Presse die Kasse füllen. Die Anpassung an das, was kommt und die Bewältigung der gigantischen Missstände der Welt, beides schätzt Lomborg als wichtiger ein als das wie hypnotisierte Starren auf das Kohlendioxid. Die Emissionen müssen runter, aber nicht um jeden Preis.

    Lomborg ist ein Klimarebell, der das Heil in der Wirtschaft sucht. Er setzt auf
    ein erstaunlich hohes Wirtschaftswachstum zur Lösung aller unserer Probleme mit
    dem Klima. Die Ökonomie wird es schon richten. Aber auch wenn man die Auffassung des Autors nicht teilt, ist dieses Buch trotzdem lesenswert. Man sollte es nicht verteufeln, sondern sich offen damit auseinandersetzen. Lomborg fordert einen vernünftigen Dialog, der nicht von Panikmache, Furcht, Schrecken und Katastrophen geprägt ist. Lomborgs großes Verdienst ist es, uns zum Nachdenken aufzurufen, wie wir am effektivsten gegen den Klimawandel vorgehen. Er führt uns vor Augen, dass wir persönlich dafür verantwortlich sind, dass die Menschen in den Entwicklungsländern sich an den Klimawandeln anpassen können – und dass wir für mehr Gerechtigkeit und für einen Ausgleich zwischen Arm und Reich sorgen müssen.

    Björn Lomborg: Cool it. Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten
    ISBN 978-3-421-04353-5
    DVA, 270 Seiten, 16,95 Euro