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Cool ohne Cash

Die deutsch-türkische Rapperin Ebow mag Hip Hop genauso wie türkische Musik und R'n'B. Ihre Themen drehen sich um Liebe, soziale Ungerechtigkeit oder falschen Patriotismus. Das Ganze packt sie in eine lockere Mischung aus Hip Hop, Baile Funk, Dancehall und arabischen Melodien.

Von Andi Hörmann | 24.08.2013
    Prachtvolle Sterne-Hotels mit Glas- und Marmor-Fassaden neben ranzigen Kaschemmen. Hier Bling Bling, Gold und Silber. Dort babylonisches Sprachengewirr. Auf den Straßen um den Hauptbahnhof in München verschwimmen die Kontraste: Die einen fürchten das Fremde im Herzen der Stadt, die anderen schätzen die kulturelle Vielfalt.

    "Das Hauptbahnhofsviertel ist das wahre Leben: Hier haben wir vor uns Beate Uhse und ein paar Straßen weiter hast du um die Ecke eine Moschee stehen. Hier hast du deine Touristen, dann hast du da hinten deine Scheichs in den Hotels. Dann hast du hier Armut und diese reichen Banker oder die Leute, die gerade aus den Kasinos raus kommen. Ich finde, das ist hier so echt. Deswegen mag ich das ganz gerne."

    In Seidenbluse mit orientalischem Muster, am Knie aufgerissener Jeans und matt schimmernder, übergroßer Sonnenbrille steht die 1990 geborene Ebru Düzgün in der Schillerstraße am Hauptbahnhof München vor dem Ali Baba, einem türkischen Imbiss.

    "Von meiner Mama sowie von meinem Vater sind die Väter als Gastarbeiter hergekommen. Wobei mein Opa väterlicherseits wieder zurückgewandert ist - da ist der Nik! Nik! (ruft)... Wir sind schon mitten im Interview..."

    Der Musiker und Produzent Nik leClap hat für das Debüt-Album von Ebru Düzgün alias Ebow die Beats gebastelt. DJ und MC, ein Team. Er begleitet uns durch das Hauptbahnhofsviertel, hört zu und beobachtet Ebow, die ihre Geschichten gerne mit Hip-Hop-Gesten untermalt.

    "Wo war ich gerade? Genau. Mein Opa mütterlicherseits ist dann auch als Gastarbeiter hergekommen. Meine Mama ist seit 1981 hier..."

    Musikalischer Stilmix, Migrationshintergrund, die Texte voller sozialer Kontroversen - den Vergleich mit dem aus Sri Lanka stammenden Shootingstar M.I.A. braucht Ebow nicht fürchten.

    "Ich bin mit R´n`B groß geworden. Ich bin mit türkischer Musik groß geworden - von Ibrahim Tatlises bis Sezen Aksu. Ich höre Nil Karaibrahimgil - auch eine unglaublich tolle türkische Musikerin. Und deswegen lasse ich mich sehr ungern darauf reduzieren, zu hören: Hey, du bist die Münchner M.I.A."

    "Als Frau im Hip Hop ist es eh immer schwierig. Aber ich hab Glück, ich hatte nie männliche Rapper um mich herum, die mich niedergemacht haben. Das gibt es ja auch."

    Selbstbewusst und ganz selbstverständlich nimmt sich Ebow in ihrer Musik der großen Hip-Hop-Themen an: Liebe, Triebe, Zweisamkeit - schön und sexy - soziale Ungerechtigkeit. Das ganze Paket: cool und kosmopolitisch, old-school und new-school, verpackt in ein Sound-Mosaik zwischen Morgenland und Abendland: Dancehall, Baile Funk, Salsa - alles drin.

    In der Goethestraße im Bahnhofsviertel schwärmt Ebow von den türkischen Hotspots in München: da der leckerste Bäcker, dort der Laden mit knackfrischem Gemüse und hier der angesagteste Friseur. Vor dem lässt sie sich auch ihre Sonnenbrille auf die Nasenspitze gleiten, kreuzt die Arme, spreizt die Finger - posen wie im Musik-Clip, rappen im Freestyle.

    "Tag ein, Tag aus / Packe Beats ein, reime es raus / Mach es, schreib es auf / Das ist mein Sound..."

    In ihrem Architekturstudium hat Ebru Düzgün den Schwerpunkt auf Stadtplanung gelegt. Urbane Communities, soziale Ballungsräume, kulturelle Vielfalt - die Theorie im Studium, die Praxis im Bahnhofsviertel. Im Sprechgesang und Beat-Gerüst von Ebow verschmelzen sie dann auch - Musik und Architektur.

    "Ich hab mal ein Zitat gelesen, da hieß es: Architektur ist stillstehende Musik. Wenn du ein Gebäude anschaust, das muss eine Harmonie haben. Und das ist in der Musik nicht anders."

    Die Harmonie zieht sich wie ein roter Faden durch das selbst betitelte Debütalbum von Ebow, und zwar als romantisches Künstlerideal: Arm, aber glücklich heißt für sie: "super sonic fresh / cool ohne cash".

    Homepage von Ebow